Purpurstaub – Sebastian Hartmann inszeniert Sean O'Casey bei den Ruhrfestspielen
Abfluss ohne Wiederkehr
von Andreas Wilink
Recklinghausen, 17. Mai 2014. Terry Eagleton bezeichnete in seinem Buch "Die Wahrheit über die Iren" (2001) das Land als "erste postkoloniale Gesellschaft der Moderne". Mit Sean O'Casey und seinem Stück "Purpurstaub" sind wir ein paar Jahrzehnte früher dran, aber der darin verhandelte Konflikt der britischen Herren und irischen Knechte ist in dem Sinn Vorspiel zu diesem komischen europäischen Sonderfall.
Vielleicht üben auch Theatermacher eine Form von Gewalt- und Fremdherrschaft über den Theatergeher aus. Sebastian Hartmann müsste zum Ehren-Engländer erklärt und mit dem Victoria-Cross ausgezeichnet werden, nicht etwa, weil er die Sache Irlands verriete, doch weil er die Zuschauer in Leibeigenschaft zwingt wie England lange seinen Nachbarn.
Von allen guten Geistern des Erzähltheaters verlassen
Ein Dreiklang: Steve Binettis E-Gitarre rockt, wird überboten von barocker Klangpracht, die wiederum variiert zu fiddelnd irischer Folklore, zum Mitklatschen animiert vom juchzenden, die Beine schmeißenden, sich mit Riesenzahnbürsten schrubbenden Sechser-Ensemble. Da kommt Stimmung auf beim chronisch erheiterten Ruhrfestspiel-Publikum. In der hohen leeren Bühnenschachtel bilden Blinklichter das Wort "Dust", während vorn der silbrige Vorhang die Buchstaben Pur-Pur zweiteilt. So wird – fast – Atmosphäre kreiert. Viel später am Abend wandelt sich der Raum mit mobilen Kastenelementen und Licht-Batterien zum pompösen, plötzlich hochdramatischen installativen Environment, das die totale Entleerung und allein mit sich selbst beschäftigte Rotation feiert, zu deren Teil auch die Schauspieler werden. Zunächst aber ruft ein rotlockiges ballettöses Püppchen nach den Figuren des Stücks (vergebens), ein zweites in Schwarz zeigt sich auch irritiert und von allen guten Geistern des Erzähltheaters verlassen.
Dabei gäbe es sehr wohl ein Stück. Das geht so. Zwei Börsenspekulanten, die Engländer Cyril Poges und Basil Stoke, haben im irischen Clune-na-Geera einen Landsitz aus der Tudor-Zeit erworben; eine Gruppe Arbeiter soll die halbe Ruine aufmöbeln. Die Gentlemen brachten ihre Geliebten – die irisch stämmigen Souhaun und Avril – mit, die die Knacker ausnehmen (das Motiv der betrogenen Betrüger), um dann patriotisch zu ihren Landsleuten überzulaufen, wenn die irische See nach einem Deichbruch das Anwesen und die Fremden fortspült. Das Landleben! Kälte, kein elektrisches Licht, Rattenplage, hysterisches Federvieh, eine wild gewordene Kuh, ein durchgehendes Pferd, Arbeiter mit sagenhaftem Geschichtsbewusstsein. Satt und deftig.
Verpuppte politische Parabel
Sebastian Hartmann aber will die Mechanik offenlegen. Will die Antithese zur Antithese der These von philologischer Text-Analyse (die Peter Palitzsch 1963 für die deutsche Erstaufführung ebenfalls in Stuttgart leistete, wohin die Inszenierung weiterziehen wird). Will die Demontage des Schwanks mit dessen eigenen – verzerrten – Mitteln: Überdehnung, Verschiebung, Sinnentleerung, Rhythmusstörung, Durchhängern, Extremtypisierung. Und koste es einen halben Arbeitstag und schönen Feierabend. Will die Essenz von O'Casey herausfiltern. Tut es auf rabiate, nicht nur, aber meist blöde Weise.
O'Casey ist im Volksstück verhaftet. Und das mit Stolz auf eine "Rasse älter als sie selber um eine Kleinigkeit von tausend Jahren", wie jemand gegen britische Hochnäsigkeit ins Feld führt. Die neureichen Schlossherren berufen sich auf das Empire, sehen sich als Leuchten des Fortschritts und schwadronieren von "Wahrheit, Gerechtigkeit, Ehre, Menschlichkeit, Rechtschaffenheit, Frieden", was in den Ohren der Iren wie Hohn klingt und von den grünen Jungs mit gleicher Münze heimgezahlt wird. In der Posse hat sich die politische Parabel verpuppt.
Nach eineinhalb Stunden habe ich meinen Platz im Parkett mit einem im Rang vertauscht, wo man aus der Aufsicht den Zweidrittel-Schwund im Saal in Ruhe beobachten konnte. Denn zwischenzeitliches Abwandern war zwar programmatisch gefördert und anheim gestellt worden. Wurde aber zur Einbahnstraße aus dem Theater. Abfluss ohne Wiederkehr.
Der Rest ist Vermeiden
Hartmanns eher noch emotional als intellektuell wirkende, indes nur mäßig lustige Methode hat einen Bart, wie ihn sich die wacker bewährenden, grandios aus und mit dem Nichts spielenden, selbstreferentiell sich betätigenden Darsteller als Kostüm-Witze auf sechs mal zwei Beinen, als Fummel-Trinen und bärtige Damen, Pantomimen und Perücken-Partner haben ankleben lassen. Man spricht schwäbisches Deutsch und schwäbisches Englisch. Immer wieder werden Requisiten aus dem Stück, Fetzen von Text sowie einmal der Autor selbst als Video eingeschoben. Rudimente. Der Rest ist Vermeiden.
Die Purpurbestäubten quieken, kreischen und röhren, predigen rheinisch, telefonieren berlinernd, gähnen ausgiebig, verdünnen Theatertheorie, singen im Kanon, ballern und zündeln, bis der Abend verleppert in viele Finale. Eingenebelt sind Sinn und Unsinn (durchaus effektvoll mit Filmbildern einer großen Flut) in eine einzige graue Suppe. Unwirklich schwindet es dahin.
Purpurstaub ist ein Sekret, das Schnecken absondern: Man muss das Tier zerquetschen, um den wertvollen Farbstoff wie aus der Tube zu gewinnen. Ein Akt der Gewalt. Übergriff. Ausbeutung. Was aber bleibt, ist wie ein Hauch, entmaterialisiert und sich verwehend.
Wenn es nur so gewesen wäre!
Purpurstaub
von Sean O'Casey
Deutsch von Michael Eberth
Regie und Bühne: Sebastian Hartmann, Kostüme: Adriana Braga Peretzki, Musik: Steve Binetti, Licht und Video: Voxi Bärenklau, Dramaturgie: Katrin Spira.
Mit: Manolo Bertling, Sandra Gerling, Manja Kuhl, Peter René Lüdicke, Anja Schneider, Holger Stockhaus.
Dauer: 4 Stunden, keine Pause
www.ruhrfestspiele.de
www.schauspiel-stuttgart.de
Bei der Übernahme dieser Koproduktion am Schauspiel Stuttgart im Oktober 2014 durfte die Inszenierung nur noch unter der Überschrift "Staub" gezeigt werden. Da nur "Reste von Stück und Übersetzung" übrig gelassen worden seien, habe der Suhrkamp Verlag dem Schauspiel Stuttgart die Aufführungsrechte für Vorstellungen in Stuttgart nicht erteilt. Deshalb komme der Abend im Schauspielhaus der Staatstheater Stuttgart unter dem in Absprache mit dem Verlag geänderten Titel Staub. Ein Abend von Sebastian Hartmann zur Premiere, heißt es auf der Webseite des Schauspiel Stuttgart.
"Mit lustvoller Konsequenz" verfolge Sebastian Hartmann "seine Strategie, das Stück nicht zu inszenieren, sondern in Bestandteile zu zerpflücken, die er dann ins Groteske steigert", schreibt Harald Suerland in den Westfälischen Nachrichten (19.5.2014). "Jede normale Verabredung zwischen Bühne und Publikum" werde "ad absurdum geführt", vieles aber, "was Hartmann mit sechs Schauspielern und einem Musiker anzettelt", habe tatsächlich "absurden (oder albernen) Witz". Das "fröhliche Zerfleddern" kristallisiere aber auch "die Frage des Textes heraus 'Wo ist die wirkliche Welt?' Mit dem Theater sollte man sie zumindest nicht verwechseln."
Wer 'Purpurstaub' nicht kenne, werde "das Stück auch nicht kennen lernen", vermutet Ralf Stiftel im Westfälischen Anzeiger (19.5.2014). Hartmann zerlege "Texte in Spielanlässe, von denen aus die Darsteller improvisieren, Anspielungen einbringen, mit dem Publikum agieren. Das kann furchtbar auf die Nerven gehen." Aber, auch das müsse "gesagt sein, wer bleibt, amüsiert sich wie Bolle." Es sei schade, "dass viele Zuschauer das Beste verpassen, und sie verpassen großartige Momente. Aber man erkauft sie mit viel vergeudeter Lebenszeit."
Für Hartmann sei "Handlung höchstens Nebensache", so Stefan Keim in der Welt (21.5.2014). Ihm gehe es um grundlegende philosophische Themen, die " Entfremdung von der Natur zum Beispiel". Allerdings: Hatte man bei Krieg und Frieden noch "das Gefühl, dass die Schauspieler gemeinsam nachdenken und nach Wegen aus dem Gedankenchaos suchen", habe "das Durcheinander des Seins so heftig von ihren Körpern Besitz ergriffen, dass kaum noch Zeit für Hirnaktivitäten bleibt". Fast scheine es, als wolle der Regisseur sein Publikum selektieren und nur die Leidensbereiten belohnen. "Wer dennoch durchhält, erlebt wie so oft bei Hartmann überraschende, umwerfende, tolle Theatermomente."
Das Schauspiel Stuttgart hat die Aufführung koproduziert, deshalb ist die Kritikerin der Stuttgarter Nachrichten Nicole Golombek nach Recklinghausen gereist. Sie schreibt (19.5.2014), früh sei zu ahnen gewesen, dass es mit einem "gepflegten Salonstück" nichts werden würde. Nach drei Stunden hätte sich der Saal merklich geleert hat. Die Regie habe darauf "spekuliert", Hartmann "als Bürgerschreck einen gewissen Ruf zu verteidigen". Diejenigen, die geblieben seien, hätten einen "intellektuell nicht allzu fordernden, manchmal klamaukig doofen, aber auf alle Fälle amüsanten, fantasievollen Abend" erlebt. Trotz absichtsvoller Zerfaserung, zeige sich die Liebe zu diesem Text über "Menschen, denen der Lebenssinn verloren gegangen ist". Trotzdem hätten die "ernst gemeinten Momente" oft nicht so beklommen gemacht, "weil sie nur dahingeschwätzt wirkten".
"Die Zeichen stehen auf Redundanz", vermeldet Martin Krumbholz in der Süddeutschen Zeitung (23.5.2014). Sean O'Casey Komödie "steckt voller Wärme (einerseits) und sarkastischem Witz (andererseits)", Hartmanns Inszenierung bestehe "aus vier entscheidenden Modulen", nämlich: eine "nahezu komplette Fabel- und Pointenauslöschung", sodass man ohne Kenntnis des Stückes "aufgeschmissen" sei. Zudem eine "konsequente Fragmentierung" (wenn sich der Zuschauer ob der langen Dauer selbst seine Pausen wählen muss). Drittens: "dadaeske Zuspitzung" und viertens: "Musik ersetzt Text." Das Resutat dieses "langen (und langweiligen) Abends" ergibt: "Hartmann riskiert viel und verliert alles." Er bringe hier anders als in "Krieg und Frieden" von zwei Jahren in Recklinghausen "letztlich nur Stückwerk zustande".
"Es sind auch schon Leute an Konfetti erstickt", resümiert Judith Engel in der tageszeitung (7.10.2014) nach der Stuttgart-Premiere, die nur noch "Staub" heißt. Zwischen Pantomime, Kabarett, Komödiantenstadel und Slapstickeinlagen empfinde man pure Aggression. "Als in der letzten halben Stunde die Klamaukkritik einsetzt, hat man sich sein Hirn leider zu Staub zerlacht."
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Nach 70 Minuten, jedoch gefühlten 6 Stunden beendete ich meine Folter.
Schade um verlorene 70 Minuten, die man bei Sonnenschein besser hätte nutzen können. Aber man hofft ja, daß die Inszenierung einen Wandel vollzieht. Aber anscheinend war es nicht so.
Außer vergeudete Kraft, ne Menge Kohle für die Inszenierung und vertane Zeit, nix gewesen außer Spesen.
@Hamlet.62: Stimmt, es gibt ja nirgends in der Kulturgeschichte Werke, welche ihre Pointe erst gegen Ende hin entfalten, Sinn ergeben, den Konsumenten über sich hinausheben - das weiß man alles schon nachdem man sich einem Viertel des jeweiligen Werkes hingegeben hat. Warum auch mal etwas aushalten?
Sie müssen uns nicht lieben, das will ganz sicher niemand der gestern vöölig zurecht den Saal verließ. Merken Sie eigentlich nicht welche Arroganz und Überheblichkeit in Ihrem Kommentar steckt?
Die Aufführung hat den Zuschauer von Beginn an versucht zu provozieren, da hat jeder Zuschauer das Recht zu reagieren und wenn ich es unerträglich und schlichtweg misslungen finde gehe ich. "Solcherlei Seelen" haben Mut und sind alles andere als unermesslich überheblich. Das war gestern eher Herr Hartmann der seine sehr schlichten Ideen über uns Zuschauer ausgebreitet hat, nach 60 Minuten hatte ich die Nase gestrichen voll von dieser "Überheblichkeit"
Schön auch, dass die Verweigerung bis in den Applaus hinein inszeniert war und sich hier auch Ebenen vermischten, weil eben Freunde der Mitwirkenden hier schon gratuliert haben.
Ich kann einen Ausflug zu den verbliebenen Terminen nach Recklinghausen (bzw. im Herbst nach Stuttgart) nur empfehlen; toll enthemmte Schauspieler wie Stockhaus, Lüdecke und Gerling sieht man nach dem Weggang des Beier-Ensembles aus Köln auf NRW-Bühnen ja nicht mehr so häufig.
wer geht, tschüss!
Ich habe viel vor Hartmann gesehen und ich mag seine Interpretationen.
Es gibt Leute, die halten das nicht aus. Das ist in Ordnung. Man darf dann einfach gehen. Demütig dreinschauen und sagen: "Ich habe es nicht verstanden. Will das auch nicht verstehen. Ich mag das nicht."
Danach sollte man sich aber bitte zurückhalten. Urteilt nicht über das, was ihr nicht ertragt. Das könnte leider dumm sein!
Was mich ärgert, ist diese Selbstüberhebung. Es muss so sein, wie ich es sehen will. Das hemmt jede Entwicklung. Das ist Stillstand. Es muss nicht alles gut sein, was auf den Bühnen passiert. Aber fast alles hat den Respekt der Zuschauer verdient.
(Dieser Kommentar stammt - wie die Nachfrage der Redaktion ergab - nicht von Frank-Patrick Steckel, der jedoch hinzusetzte: "Aber es ist ein tolles Stück!" wb für die Red.)
stattdessen setzte er sich gemütlich in den rang, um genüßlich zu beobachten, wie die zuschauer den saal verließen. schade.
das war stellenweise große kunst, stellenweise wirklich unerträglich langweilig, aber jederzeit berstend vor ideen, witz, und unglaublichen schauspielerischen leistungen. natürlich ist es jedem zuschauer freigestellt nach 60 minuten zu gehen, nur sollte man dann nicht über die inszenierung urteilen, die vor allem ab der 60 minuten bis zur 210 minuten grandios ist. ich bin gespannt wieviel von den vier stunden in stuttgart ankommt.
Erzähl-Realismus ("Realismus verstehe ich nicht"- = O´Casey)!
Hochspannend (trotz Schwachstellen),Theater-Frischluft mit groß aufspielenden Akteuren...
Nach seinem eher zurückhaltenden LÖWEN hat er sich diesmal selbst übertroffen. Ich glaube, es gab kaum ein Centraltheater-Stück von Sebastian Hartmannn, das so ein hohes Wagnis wie Purpurstaub eingegangen ist. Danke für den Mut und die krassen 4 Stunden!
Die Kunst-Flut schwappt von der Bühne ins Publikum und schwemmt einen Teil der Menschen davon.
Kann es ein stärkeres Bild geben?
(Lieber Stefan, nein, an dieser Vermutung, dass Herr Wilink von uns bezahlt wird, war nichts falsch, aber Sie haben das m.E. in einen latent diffamierenden Kontext gestellt, zumal aus Ihrem Nebensatz nicht klar hervorging, wer hier bezahlt. Vielleicht irre ich mich, aber jetzt ist Ihre Verknüpfung ja ohnehin in der Welt. wb für die Red.)
in Zeiten der großen Plagiatsdebatten ein Beitrag:
* Die Überschrift einer Kritik zu Sebastian Hartmanns Stück "mein faust" lautete: "Elf Perücken suchen einen Autor" (Spiegel, 2012)
* Eine Bildunterschrift in der oben verlinkten Kritik zum "Purpurstaub": "Sechs Akteure suchen einen Sinn" (Westfälische Nachrichten, 2014)
Zufall?
Zumindest steht die Vermutung, dass der eine Kritiker sich hat inspirieren lassen vom anderen...
Und in dem Zusammenhang ein Kommentar auf Nachtkritik, den der Centraltheater-Chefdramaturg Uwe Bautz vor gut einem Jahr geschrieben hat: "[...]Das Epigonale besteht und bestand - bestand schon vor Beginn dieser Intendanz - und zwar in Form von epigonalem Abschreiben der Kritik voneinander und untereinander."
Laut Wikipedia wohnen 115.385 Menschen in Recklinghausen. Aber warum ist das relevant? Von den 600-700 Leuten, die am Samstag in der Premiere saßen, wohnt mit Sicherheit nur ein geringer Teil in der Stadt. Der Rest ist halt angereist, so wie ich.
www.ruhrbarone.de/ruhrfestspiele-der-humor-ist-fertig-es-gibt-purpurstaub/79463
www.deutschlandfunk.de/ruhrfestspiele-recklinghausen-purpurstaub-dialektal-platt.691.de.html?dram:article_id=285839
Irgendwie muss man die aber gar nicht auseinanderpflücken. Im Prinzip steht in der einen Kritik, was in der anderen auch steht. Fast könnte man meinen, da wird wirklich bloß abgeschrieben oder abgeguckt - siehe oben.
Eine positive Besprechung hab ich aber auch noch gefunden - aha, aus Stuttgart! Hier freut man sich scheinbar auf das Stück und blickt mal nicht nur durch die "Erwartungsschablonen-Brille".
www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.schauspiel-stuttgart-der-verrueckte-charme-der-bourgeoisie.140b6a36-3283-4bea-80fb-f6b9761d19c9.html
Ich war heute ZUM ZWEITEN MAL im Stück!
Großes Lob nochmal an alle Beteiligten. Da steckt Herzblut drin!
"Urteilt nicht über das, was ich nicht ertragt" heißt hier: urteilt nicht über das, was ihr nicht gesehen habt. Jeder hat das Recht, etwas nicht zu ertragen und dann seine Meinung darüber abzugeben - es hat sogar jeder das Recht, seine Meinung über Dinge abzugeben, die er nicht gesehen hat. Nur, dass das dumm erscheinen lässt, ist völlig klar. Ich bin ja ein Befürworter der Fraktion, die nicht wählen geht, weil sie alle Parteiprogramme gelesen hat und nichts davon mit sich selbst vereinen kann, oder eben doch. Ob die entsprechenden Leser dann wählen gehen oder nicht, kann egal sein, weil sich sagen lässt: Hier ist Reflektion geschehen. Hingegen wird niemand behaupten, dass etwas Ehrbares darin liegen würde, wenn jemand lediglich den Flyer einer Partei gelesen hat und diese dann als grauenvoll abtut. Da sagt niemand: "Ja, hier hat derjenige Mut vor großen Namen bewiesen!" Denn um Mut oder Angst vor großen Namen geht es dabei gar nicht. Sondern darum, sich in Aussagen zu einer Thematik, welche man selbstgewählt nicht vollständig durchwandert hat, zurückzuhalten, um sich nicht zum Kasper zu machen. Weil einfach ein grundlegender Unterschied darin besteht, ob man sagt: Ich bin nach 60 Minuten gegangen, das war nichts für mich, oder ob man pauschalisiert: Ich bin nach 60 Minuten gegangen, das Stück war schlecht.
@ fluten: Ich beneide Sie und wäre auch gern noch ein zweites Mal gegangen, leider ist der Weg von Leipzig so weit.
(Werte Kommentatoren,
bitte verstricken Sie sich nicht in Privatscharmützel, sondern bleiben Sie beim Gegenstand: der Inszenierung "Purpurstaub".
Andernfalls behalten wir uns die Nicht-Veröffentlichung von Kommentaren vor.
Beste Grüße,
Anne Peter / Redaktion)
Hier noch ein schöner Videobeitrag mit einigen Ausschnitten und einem tollen Fazit: "Kein werktreuer O'Casey heute Abend, sondern eine Huldigung ans Theater als Spielort, an dem fast alles erlaubt ist."
www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=43793
*SING UND TANZ*
Nachtkritik ist klug, sich vorerst nicht an der Diskussion zum Defizit zu beteiligen. Die einzige Information dazu gibt es nur von der Stadt Leipzig und die spielt bisher keine gute Rolle dabei.
Sie ist auch Auftraggeber für das Gutachten (das jetzt vorliegt), hat dafür bezahlt und bekommt natürlich dann auch ein Ergebnis, dass sie erwartet und benötigt.
Also abwarten und keine neuen Schlammschlachten anzetteln. Die Sache ist noch lange nicht abgeschlossen.
Es liegt eine nicht zu übersehende Arroganz darin, auszuschliessen, dass andere an etwas Gefallen finden können, das man selbst nicht mag. Das können dann natürlich nur bezahlte Klatscher sein. Mich bezahlt keiner, auch nicht fürs Blogschreiben, in dem wir zur Inszenierung und natürlich auch zum Stand der Causa Defizit berichten. Mit schönen Grüßen aus der siebten Reihe.
Ebensowenig leuchtet die Verwerflichkeit des "hinterherreisenden Fanclubs" ein - ja, es gibt Publikum, das fährt durch die halbe Republik, um ein Stück zu sehen. Und - Sie werden staunen! - es gibt sogar Theaterstücke, die durch die Lande streifen, um von anderem Publikum gesehen zu werden! Das wird aus Offenheit für verschiedene Ästhetiken getan. Ich hoffe, ich habe jetzt kein Weltbild erschüttert.
Sollte nicht das Thema der Diskussion die Inszenierung "Purpurstaub" sein? Warum werden dann hier Beiträge engestellt, die sich auf irgendwelche Zahlenspiele in der Leipziger Stadtverwaltung beziehen? Claquere sind laut Duden bezahlte Klatscher. Schön wär's, wenn ich Geld dafür bekäme, daß ich den Inszenierungen, die mir gefallen, Beifall spende. Richtig ist das Gegenteil: Seit dem Ende des Centraltheaters muß ich viel Zeit und Geld aufwenden, um in Berlin, Hamburg, Weimar, Frankfurt, Hannover, Magdeburg und nun auch in Recklinghausen das Theater zu sehen, das ich mag. Das sind übrigens nicht nur Inszenierungen von Sebastian Hartmann, sondern auch von Castorf, Kruse, SIGNA, Hawemann u.a. Dafür werden keine Busse bereitgestellt, sondern ich fahre mit dem Zug, aber, da gebe ich stoomph (Eintrag 49) recht, ich bleibe bis zum Schluß. Ich bleibe übrigens auch bis zum Schluß bei allen Vorstellungen, die ich seit letztem Herbst am Schauspiel Leipzig gesehen habe. Daß ich mich dazu auf nachtkritik nicht geäußert habe, liegt zum einen daran, daß Leipziger Inszenierungen hier kaum noch eine Rolle spielen (Woran liegt das wohl?) und zum anderen daran, daß ich mich nur bei Dingen, die mir gefallen, die Mühe mache, mich öffentlich zu äußern. Da ich mich in den letzten Tagen schon mehrfach zum Thema Toleranz geäußert habe, kann ich hier nur festellen, daß ein Eintrag wie die Nr. 50 nicht von Toleranz zeugt, sondern, da gebe ich miss laine recht, lediglich von Arroganz. So reden Leute, die genau wissen, wie Theater auszusehen hat - was da herauskommen kann, kann man auf der Bühne des Leipziger Schauspiels sehen. Leider! Das muß ich auch ertragen, also, liebe Hartmann-Hasser, seid so fair und ertragt, daß es Menschen gibt, die an einer Hartmann-Inszenierung große Freude haben.
(Werter Leser,
besten Dank für den Hinweis, ist ergänzt.
MfG, Georg Kasch / Redaktion)
bit.ly/1iayZ3x
MfG
Liebe Nachtkritik, gibt es dazu Informationen?
(Lieber Pit,
noch wissen wir auch nicht mehr als Sie. Aber wir gehen der Sache nach. Vielen Dank für den Hinweis!
Beste Grüße,
Anne Peter / Redaktion)
Und, was haben die Nachforschungen ergeben? Wissen Sie inzwischen mehr?
(Liebes Uhrwerk,
der Suhrkamp Verlag und das Schauspiel Stuttgart haben sich darauf geeinigt, dass der Abend in Stuttgart in neuer Bearbeitung als "Staub" von Sebastian Hartmann realisiert wird.
Beste Grüße, Anne Peter / Redaktion)
Am 17. Mai 2014 hatte 'die hinterhältige Komödie' Purpurstaub von Sean O’Casey in der Regie von Sebastian Hartmann als Koproduktion von Schauspiel Stuttgart und den Ruhrfestspielen in Recklinghausen Premiere. „Da“, so Suhrkamp „nur Reste von Stück und Übersetzung übrig gelassen wurden“, hat der Verlag dem Schauspiel Stuttgart die Aufführungsrechte für Vorstellungen in Stuttgart nicht erteilt. Deshalb kommt der Abend im Schauspielhaus der Staatstheater Stuttgart am Sonntag, dem 5. Oktober 2014 unter dem in Absprache mit dem Verlag geänderten Titel Staub. Ein Abend von Sebastian Hartmann zur Premiere.
Immer gleich lautende verrisse der immergleichen Anti-Hartmann Internet-Claque.
Oder es ist noch viel einfacher: manchen gefällts, anderen nicht.
Mir gefiels.
(Werte Kommentatoren,
wir würden es sehr begrüßen, wenn Sie die gegenseitigen Verdächtigungen einstellen und – möglichst argumentativ unterfüttert – zum eigentlichen Gegenstand, der Inszenierung von Sebastian Hartmann, zurückkommen würden.
Wir behalten uns vor, weitere Kommentare, die über die Identität der Kommentatoren spekulieren, nicht zu veröffentlichen.
Beste Grüße,
Anne Peter / Redaktion)
Auch wenn viele vor allem den köstlichen Holger Stockmann hervorheben, war mein Liebling Peter-René Lüdicke mit seinen beiden Soli, einmal als "endlich-mal-Zeit-für ein Buch"-Leser (gefühlte 30 Minuten) und dann "Hallo-wie geht's euch in London?"-Telefonierer (nochmal 30 Minuten). Ein Zuschauer rief rein: "Hallo, jetzt wäre doch mal ein Applaus fällig, oder? Das ist doch Wahnsinn!" Alle applaudierten. Das war eine Sternstunde des Theaters, fand ich.