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Staatsoper Berlin: Daniel Barenboim legt Amt nieder

6. Januar 2023. Daniel Barenboim gibt seine Tätigkeit als Generalmusikdirektor der Berliner Staatsoper Unter den Linden zum Endes dieses Monats auf, teilen das Haus und der Berliner Senat mit. Der achtzigjährige Pianist und Dirigent hat das Amt seit 1992 inne. Noch am Silvesterabend war Barenboim nach einer schweren neurologischen Erkrankung ans Dirigentenpult zurückgekehrt und hatte im Sitzen Beethovens Neunte Symphonie dirigiert.

In einer Stellungnahme begründet Barenboim seinen Schritt: "Leider hat sich mein Gesundheitszustand im letzten Jahr deutlich verschlechtert. Ich kann die Leistung nicht mehr erbringen, die zu Recht von einem Generalmusikdirektor verlangt wird." Weiter heißt es: "Ich glaube, dass die Staatsoper und ich füreinander ein großes Glück waren. Froh und stolz macht mich insbesondere, dass die Staatskapelle mich als Chefdirigenten auf Lebenszeit gewählt hat. Wir sind über die Jahre eine musikalische Familie geworden und werden diese auch bleiben." Er werde immer mit der Musik engstens verbunden bleiben und sei bereits, auch künftig als Dirigent zu wirken, "auch und gerade mit der Staatskapelle Berlin".

Berlins Kultursenator Klaus Lederer kommentiert Barenboims Rückzug in der Pressemitteilung des Senats: "Ich bin überzeugt, dass Daniel Barenboim die richtige Entscheidung getroffen hat, auch, wenn der Prozess und letztlich der Entschluss für ihn sicher nicht einfach waren. Seine Entscheidung ist reflektiert, sie stellt das Wohl der Staatsoper und der Staatskapelle in den Vordergrund. Dies alles verdient größten Respekt. Ich habe gegenüber Daniel Barenboim künstlerisch und auch persönlich Hochachtung. Neben dem Respekt empfinde ich mit Blick auf die Entscheidung von Daniel Barenboim eine gehörige Portion Bedauern. Nach Jahrzehnten seiner Arbeit in und für Berlin kann ich nur sagen, dass Daniel Barenboim ein Jahrhundertkünstler ist und eine der bemerkenswertesten Persönlichkeiten, die in Berlin wirken."

Daniel Barenboim wurde 1942 in Buenos Aires als Sohn einer russisch-aschkenasischen Familie geboren. Er hält die spanische, argentinische, israelische und palästinensische Staatsangehörigkeit und ist neben vielen anderen Auszeichnungen Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland. Er war Chefdirigent des Orchestre de Paris, der Chicagoer Symphoniker, Hauptdirigent der Mailänder Scala und Dirigent der Bayreuther Festspiele. Seit 1992 ist er Künstlerischer Leiter und Generalmusikdirektor der Berliner Staatsoper Unter den Linden; im Herbst 2000 wurde er vom Orchester der Staatskapelle Berlin zum Chefdirigenten auf Lebenszeit gewählt. Seine Tätigkeit als Künstlerischer Leiter der Oper hatte Barenboim im August 2022 bereits beendet.

Barenboim engagiert sich seit Jahrzehnten für den kulturellen Zugang und die Verständigung von Menschen, insbesondere im Nahen Osten.1999 war er an der Gründung des West-Eastern Divan Orchestras beteiligt. 2012 rief er die Barenboim-Said-Akademie als Akademie für Nachwuchsmusiker:innen aus dem Nahen Osten ins Leben. "Noch vor der Kunst ist Gesundheit das wichtigste Gut – in diesem Sinne wünsche ich Daniel Barenboim von Herzen Gesundheit", schreibt Senator Klaus Lederer.

(Staatsoper Berlin / Senat für Kultur und Europa / rbb.de / chr)

Kommentare  
#1 Daniel Barenboim legt Amt nieder: Was mit Genies möglich istHans Zisch 2023-01-08 15:01
Als ich die Nachricht im Radio hörte, dachte ich "Jahrhundertkünstler" und prompt schob der Sprecher das Zitat von Klaus Lederer hinterher. -- Wirklich, eine Ausnahmepersönlichkeit, die sich um die Kunst, die Stadt, das Haus, die Kapelle in herausragender Weise verdient gemacht hat.

Als ein gewisser Tim Renner fand "dass es Zeit sei, die Volksbühne neu zu erfinden", nahm ich damals auch Barenboim als Argument in die Hand, warum die damalige kunstfeindliche Willkür zu markieren. Zum Glück wurde sich damals nicht auch noch an der Staatskapelle vergriffen. Die Konsequenzen von Renners "Neuerfindung" sind hinlänglich zu beobachten und zu beklagen.

Insofern wünsche ich Herrn Lederer eine glückliche Hand bei der Regelung der Nachfolge. Dass im Deutschlandfunk ein Musikkritiker expizit von einer Einzelperson (namentlich: Christian Thielemann; die Optimalbesetzung in meinen Augen und Ohren) abrät, und im weitreichenden, gebührenfinanzierten Staatsradio geschmäcklerisch-partikuläre Forderungen an den Kultursenat richtet "neugierig auf Abseitiges [...], auf weniger ausgetretene Pfade [...], Öffnung für ein neues Publikum [...]" zeugt meines Erachtens von maßloser Arroganz und Selbstüberschätzung. Hat Herr Friedrich nicht verstanden, dass es in Berlin gleich drei Opernhäuser, und die überwiegend von Weltrang, gibt? -- Es wird und muss an der Staatskapelle sein, ihren GMD zu bestimmen. (Für das Abseitige kann Herr Friedrich beispielsweise in der Neuköllner Oper fündig werden, die ein ganz erstklassiges Programm gestaltet!) Das Ensemble hat mit Daniel Barenboim erfahren, was mit Genies möglich ist. Die Lindenoper wird keinen Jahrhundertkünstler als Nachfolge finden. Jemand von musikalisch herausragendem Format hingegen schon. Das kann die Staatskapelle und sein Publikum am besten einschätzen. So wie es 2015 auch mit der Volksbühne war.

Kritiker und Politiker sollten sich hier mit größtmöglicher Demut als eine, einzelne Stimme unter Vielen verstehen.
#2 Daniel Barenboim legt Amt nieder: Zurücklehnen und abwartenElbgeist 2023-01-09 10:50
Sehr geehrter Herr Zisch,
mit ähnlichen Formulierungen wie "neugierig auf Abseitiges [...], auf weniger ausgetretene Pfade [...], Öffnung für ein neues Publikum [...]" wurde Christian Thielemann von Frau Klepsch in Dresden nicht verlängert. Dort schwafelte man von "Semperoper 2030"... Was ist dann geschehen? Die Staatskapelle hat sich Daniele Gatti als neuen Chefdirigenten gewählt, wahrhaftig ein Avantgardekünstler (Ironie off).
Lehnen wir uns also zurück und warten ab - wobei ich als Dresdner ein Engagement von Thielemann an der Staatsoper Berlin als doppelt schmerzlich empfinden würde ;-)
Viele Grüße aus Dresden
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