Medienschau: taz/SZ – Zur Debatte um Mouawads "Vögel"

Das mutigere Thema

Das mutigere Thema

12. Dezember 2022. "Warum sehen Verlage oder Theatermacher wie Stefan Bachmann nicht, dass ein Stück wie Mouawads 'Vögel' sich simpelster antijüdischer und antiisraelischer Stereotype bedienen?", fragt taz-Kulturresortleiter Andreas Fanizadeh im Anschluss an die Debatte um die Absetzung der "Vögel"-Inszenierung am Münchner Metropoltheater.

"Mouawad leugnet den Holocaust nicht. Aber er lässt seine klischeehaft gestalteten Theaterjuden selbst behaupten, dass das, was Juden einst im Holocaust erlitten, sie nun den arabischen Palästinensern zufügten. Für panarabische und panislamische Reaktionäre ist das ethnisch plurale Israel der demokratische Stachel im Nahen Osten", schreibt Fanizadeh. "Doch wäre der Boykott der arabisch-islamischen Welt gegenüber der jüdischen nicht das größere Thema? Und mutigere, für einen Autor mit libanesischem Hintergrund." Hier geht es zum ganzen Text.

Anders schätzt der israelisch-deutsche Pädagoge Meron Mendel die Debatte ein. Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung verteidigt der Direktor der Bildungsstätte Anne Frank den Text. "Ein Theaterstück ist kein Uni-Seminar, Kunst darf provozieren. Nicht alles, was einzelne Figuren sagen, muss politisch korrekt und ausgewogen sein. Theaterfiguren müssen nicht auftreten wie der UN-Generalsekretär. Ja, das Stück ist keine objektive Darstellung Israels, aber das ist auch nicht seine Aufgabe. Es ist aber unredlich, in solche, zugegebenermaßen provokativen, Positionen einer fiktiven Figur eine Botschaft des gesamten Stückes hineinzuinterpretieren."

Weiter heißt es: "Zwischen der Figurenrede, den Aussagen einzelner Protagonisten und der Aussage des Stücks, besteht ein fundamentaler Unterschied. Natürlich können in Stücken, die sich gegen den Faschismus richten, etwa bei Brecht oder Horvath, Figuren nationalsozialistische Parolen von sich geben. Wenn man diese Differenz nicht versteht und akzeptiert, kann man eigentlich kein Theater mehr machen."

Mendel bezeichnet "die Verwechslung von Figurenrede mit der Aussage eines Theaterstücks" als "naiv". Komplizierter und gefährlicher werde es, wenn mit der Darstellung einer Figur rassistische und antisemitische Stereotypen reproduziert würden. "Aber diesen Vorwurf kann man dem Stück 'Vögel' sicher nicht machen.“

Der frühere Bundestagsabgeordnete Jerzy Montag (Die Grünen) kritisiert ebenfalls in der Süddeutschen Zeitung die Parteinahme der grünen Münchner Stadtratsfraktion zugunsten der Aktivist:innen. "Das Stück 'Vögel' ist weder antisemitisch noch verweigert es dem Staat Israel eine Daseinsberechtigung. Es reflektiert die Schwierigkeiten und Brüche in Israel und in Palästina, die sich aus dem schrecklichen Schicksal des Judentums in der Schoah und der bedrückenden Situation von Palästinensern, hervorgerufen durch die jahrzehntelange völkerrechtswidrige Besetzung ihres Landes ergeben. Diese Schwierigkeiten und Brüche formen Menschen und lassen sie Dinge sagen, denen man nicht zustimmen muss, die man aber in einem Theaterstück darstellen darf. Andernfalls müssten wir weite Teile unserer Kultur unter Zensur stellen."

(chr / miwo)

Mehr zur "Vögel"-Debatte lesen Sie in den Medienschauen aus dem November und Anfang Dezember.

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