Es gibt kein Recht auf Versöhnung

von Valeria Heintges

Zürich, 3. Dezember 2020. Kinokritikern wird oft vorgeworfen, sie würden in ihren Texten zu viel verraten und den Zuschauern so die Spannung nehmen. Theaterkritiker hören den Vorwurf selten oder nie, denn die wenigsten Dramen sind wie Krimis gebaut – und die Stoffe ohnehin meist sattsam bekannt. Manchmal jedoch arbeiten Inszenierungen mit so überraschenden, unerwarteten Effekten, dass man sich als Rezensentin schwer tut, dass man alles beschreiben soll. Falls Sie sich die sich die Spannung für Christopher Rüpings Zürcher Fassung von "Einfach das Ende der Welt" nach Jean-Luc Lagarce nicht nehmen lassen wollen, lesen Sie also bitte einfach nicht weiter.

Vollbad in der Vergangenheit

Für alle anderen: In der riesigen Schiffbau-Halle, die mit 50 erlaubten Zuschauern weniger als nur dürftig besetzt ist, zeigt sich zu Beginn ein unendlich ausdifferenziertes Bühnenbild. Das sei, so behauptet Schauspieler Benjamin Lillie, die elterliche Wohnung, die er vor zwölf Jahren das letzte Mal sah. So sah sie aus, 2008. Es ist alles da: Wohn-, Ess- und Kinderzimmer, Küche, Bad. Das Schwemmholz, das die Mutter gesammelt hat. Die Videocassetten, die Kinderzeichnungen, die Rama-Margarine im Kühlschrank, die alte iMac-Bubble im Kinderzimmer. Die Blumen auf dem Tisch, die Tomatensuppe auf dem Herd. Die Monroe-Fotos an der Wand. Eine Glanzleistung von Bühnenbildner Jonathan Mertz, ein Vollbad in der Vergangenheit, mit entsprechender Live-Musik von Matze Pröllochs.

EinfachdasEndederWelt 3200 Diana Pfammatter uDer Videokünstler kehrt heim – ins entkernte Corona-Zuhause: Benjamin Lillie vor Maja Beckmann, Wiebke Mollenhauer und Nils Kahnwald © Diana Pfammatter

Benjamin, der Videokünstler, will zurückkehren, der Familie sagen, dass er todkrank ist. "Wie wollen Sie sterben?", fragt Lillie das Publikum, wer will zur Familie zurück, wer alleine sterben? Dann geht er herum, mit seiner Kamera. 25 Minuten lang filmt er alles, jedes Detail, das so liebevoll und sorgfältig drapiert wurde. So hat es ausgesehen damals.

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