Existenznot im Tennisclub

22. Januar 2023. Anton Tschechow ist immer wieder für eine Gesellschaftssatire gut. Was aber, wenn man sich im Tennisclub auf die existenziellen Wahrheiten abklopft? Dorthin verlegt jedenfalls Regisseurin Yana Ross ihre "Iwanow"-Inszenierung – mit allen Konsequenzen und künstlichen Gefühlen.

Von Christian Rakow

22. Januar 2023. Es gibt Texte, die möchte man gar nicht schreiben, weil so ein tiefes, geradezu ozeanisches Gefühl der Sinnlosigkeit in einem aufsteigt. Ein echtes Iwanow-Gefühl sozusagen. Der Titelheld aus Tschechows frühem Drama hat sich über die Jahre von seiner Ehefrau entfremdet und lässt sie nun teilnahmslos dem Tuberkulosetod entgegentreiben.

Er schleicht sich fort, grübelt, quält sich mit Gewissensbissen, vertieft sich in die Schwärze seiner Empfindungen. Auch die jüngere Sascha, die ihm mit juveniler Bedingungslosigkeit ihr Herz zu Füßen legt, vermag ihn nicht aufzufangen. Iwanow leidet am mittelmäßigen Umfeld in der russischen Provinzstadt, an den Schulden, den Glücksspielen, den kläglichen Paarungen, dem Ehegeschacher, der Geschwätzigkeit der Leute, ihrem Antisemitismus gegen seine vom Judentum zum Christentum konvertierte Frau.

Man kann das Stück, wie stets bei Tschechow, leichter oder schwerer angehen. Es klappt sicher gut als existenzielle Tragödie eines Melancholikers. Aber selbstverliebt leidende Männer in raumgreifenden Partien haben auf den Bühnen gerade keine Konjunktur. Insofern war diese Ausrichtung heute Abend weniger zu erwarten.

Man kann auch eine fetzige Gesellschaftssatire daraus stricken, den Helden ein bisschen am Nasenring herumführen und die Krämerseelen ringsum auf ihre blechernen Wahrheiten hin abklopfen. Das ist der Weg, den Regisseurin Yana Ross am Berliner Ensemble probiert. Nur mit dem "fetzig" hat es nicht so recht geklappt.

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