Krawumms!

von Anna Fastabend

Berlin, 19. September 2021. Als man nach Vorstellungsende den Kurfürstendamm entlang läuft, an Gucci und einem Showroom für Luxuskarossen vorbei, und einem dann auch noch Armin Laschet vom Plakat entgegenlächelt, erscheint plötzlich der Gedanke, dass jeder Stadtteil das Theater bekommt, das er verdient. Denn nicht anders ist zu erklären, was sich in den letzten zwei Stunden bei der Premiere von "ödipus" an der Schaubühne Berlin zugetragen hat.

Schicksalsgeschichten von heute

Es war ein Abend wie ein Auffahrunfall, bei dem man ja auch nicht wegsehen kann, oder wie eine schlechte Telenovela. Aber von vorn: Thomas Ostermeier hat ein Stück inszeniert, das im Original sehr alt ist. Konkret bezieht die Inszenierung sich auf Sophokles' Tragödie "König Ödipus", in der ein junger Herrscher erkennen muss, dass er bloß das Rachewerkzeug der Götter war. Erst lassen sie ihn den Vater töten und die Mutter ehelichen und dann schicken sie ihm auch noch eine Seuche vorbei. Als er ihre Ursache aufklären will, erfährt er, was er getan hat.

Oedipus 3 GianmarcoBresadola uFamilien-Tragödie in der Unternehmer:innen-Villa © Gianmarco Bresadola

Dieser Urstoff ist es, den Maja Zade, langjährige Dramaturgin und seit 2019 auch Dramatikerin, als Grundlage nimmt, um ihre ganz eigene, kleingeschriebene "ödipus"-Tragödie zu entwickeln. Sie spielt im Hier und Jetzt, im Milieu einer Unternehmerfamilie, die so reich ist, dass sie sich eine schicke Villa in Griechenland leisten kann. Und diese Villa sieht in der Version von Jan Pappelbaum auch sehr cool aus. Sie ist durch einen Lichtrahmen angedeutet, darin ein minimalistischer Küchenblock, wie er wohl in mancher luxussanierten Eigentumswohnung steht.

Das Stück wurde Anfang September beim Epidaurus Festival in Athen uraufgeführt, in einem antiken Theater. Allerdings stellt sich ohne einen solchen atmosphärischen Kontext schnell die Frage, was der damalige Schicksals-Glauben heute noch für einen Mehrwert hat. Zumal Ostermeier, so liest man es in einem Essay, überhaupt nichts von der Vorherbestimmtheit des menschlichen Handelns hält. Eigentlich sympathisch, aber dann sollte er seine Figuren doch bitte auch in einem realistischeren Kontext zeigen, als es hier passiert ist.

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