Vom Eisbären verzehrt

von Frauke Adrians

Berlin, 4. September 2021. Regisseurin Katie Mitchell konnte nicht zur Premiere kommen: Sie hat Corona. Das rief dem Publikum das andere große Thema in Erinnerung. Das eine, noch größere Thema spielt die Hauptrolle in Chris Bushs neuem Drama: die Klimakatastrophe. Das Stück der jungen britischen Dramatikerin lässt seinen galligen Humor schon im Titel aufscheinen. Weltuntergang? Vielleicht nicht. Aber was von der Welt übrigbleibt, wenn die Temperaturen weiter so steigen, ist auch nicht unbedingt erfreulich.

Amazonas gegen Amazon

Chris Bushs Stück ist durchzogen von einer recht langatmigen Versionen-Schau: Eine junge Wissenschaftlerin (Alina Vimbai Strähler) bewirbt sich bei einer offenbar berühmten Klimaforscherin (Jule Böwe) um eine Post-Doc-Stelle und scheitert in allen erdenklichen Spielarten. Mal ist sie zu spät dran, mal wird sie von der Starforscherin vertröstet, mal macht sie sich unmöglich durch die klimaunfreundlichen Verkehrsmittel, mit denen sie zum Bewerbungsgespräch angereist ist. Gegenläufig zu diesem reich variierten Kleindrama trägt eine Tochter mit Urne im Arm (Veronika Bachfischer) eine Totenklage vor: Irgendwann in der Zukunft ist eine der beiden Wissenschaftlerinnen ums Leben gekommen; wie es scheint, hat in der Arktis ein Eisbär zugeschlagen. Was sollen die Tiere auch tun. Wer verhungert, unterscheidet nicht zwischen Robbe und Klimaexpertin.

Schaubühne am Lehniner Platz Berlin "KEIN WELTUNTERGANG" von Chris Bush. Aus dem Englischen von Gerhild Steinbuch. Regie: Katie Mitchell, Mitarbeit Regie: Lily McLeish, Bühne und Kostüme: Chloe Lamford, Sounddesign: Donato Wharton, Mitarbeit Sounddesign: Joe Dines, Dramaturgie: Nils Haarmann, Licht: Anthony Doran. Szene mit Veronika Bachfischer, Jule Böwe, Alina Vimbai Strähler. Uraufführung am 4. September 2021. Verhandeln das wichtigste Thema der Gegenwart: Alina Vimbai Strähler, Veronika Bachfischer und Jule Böwe © Gianmarco Bresadola

Im Laufe des Drei-Frauen-Stücks werden der Klimawandel und seine Folgen durchdekliniert, gerne in Stanzen und Schlagworten ("Mensch gegen Natur, Wall Street gegen Gletscher, Amazonas gegen Amazon"), die den Betrachter weitgehend kalt lassen. Regisseurin Katie Mitchell kann sich nicht recht entscheiden, wie viel Ernst ihre Inszenierung verträgt. Letztlich nimmt sie das Thema Nachhaltigkeit dermaßen beim Wort, dass man mit etwas gutem Willen schon wieder Ironie darin erkennen kann.

Joomla!-Debug-Konsole