Minimalismus im Maximalen

von Janis El-Bira

Berlin, 13. Oktober 2019. Der spektakulärste Transfer der Theatersaison wird an diesem Abend nach etwa 15 Minuten Spielzeit eingewechselt: Vollelastisch wie ein Flummi hüpft Joachim Meyerhoff in kleinen Sprüngen von hinten links nach vorne rechts auf die Bretter der Schaubühne. Im Kostüm von Victoria Behr sieht er dabei ein bisschen aus wie ein Asterix-Römer, mit einem Federbusch auf dem Goldhelm, der jedem Prachtgockel zur Ehre gereichen würde. Hummerrot sein Wams, pludrig die Hemdärmel. Man braucht einen kurzen Moment, bis man sicher ist: Da ist er. Und sich freut. Denn was bloß, hebt dieser Meyerhoff-Sosias sogleich an, hat sein Herr Amphitryon sich nur dabei gedacht, ihn zu pechschwarzer Nachtstunde loszuschicken? Hätte die Mitteilung von der siegreichen Schlacht an Amphitryons Gattin Alkmene nicht noch bis zum Tagesanbruch warten können? Schlimmer noch: Wie soll er, Sosias, von Gemetzel, Tod und Teufel berichten, wo er doch gar nicht wirklich dabei war, das Geschehen eher aus sicherer Entfernung betrachtet hat?

Das Abwesende anwesend machen

Eine gute Erzählung muss her und Meyerhoff liefert sie. Hier, wo eigentlich seine Laterne sein sollte, tatsächlich aber nur ein überlanger Ärmel von der Hand baumelt, da würde gleich Alkmenes Kopf sein und so, genau so, würde er auf sie einreden. Plötzlich ist alles da. Das ist die Kunst des Joachim Meyerhoff, wie er sie mit weiten Augen und wachem Geist auf die Bühne trägt. Wie von Geisterhand wird das Mittelbare unmittelbar, das Abwesende anwesend, Unbelebtes lebendig. Alle Toten fliegen hoch. Am Ende wird es dafür aus dem Publikum Blumen regnen.

Amphitryon an der Schaubühne Berlin, Inszenierung: Herbert Fritsch, Foto von Thomas Aurin mit Joachim Meyerhoff als Sosias und Florian Anderer als AmphitryonSchabernacker unter sich: Joachim Meyerhoff und Florian Anderer  © Thomas Aurin

Dabei hatte sich schon zuvor Staunenswertes zugetragen. Noch ehe die von Herbert Fritsch mit bunten Papiergassen und -soffitten sachte anbarockisierte Bühne ins Licht getaucht wurde, hatten der Pianist Ingo Günther und die Perkussionistin Taiko Saito eine atemberaubende Ouvertüre hingelegt. Günthers Musik splittert, clustert und bopt, als hätten Pierre Boulez und Thelonious Monk gemeinsame Sache gemacht. Sie ist der fortlaufende Soundtrack dieses Schalks, zu dem das Ensemble die Körper mal schwanenfederleicht zwischen den Gassen tänzeln lässt, mal biegt und renkt, als stünde der Exorzist schon im Hausflur.

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