Elisabethaner auf Koks

von Anne Peter

Berlin, 5. September 2019. Feminismus kann ja herrlich komisch sein. Selbst wenn er schon 90 Jahre auf dem Buckel hat. Köstlich ist, wenn Virginia Woolf in ihrer fiktiven Dichter-Biographie "Orlando" von 1928 die Qualen des penetranten Umworbenwerdens beschreibt, derer sich die Titelheldin nur mittels einer Kröte zu erwehren weiß, die sie dem Verehrer unters Hemd setzt (ach, wäre sie doch ein Mann und könnte ihn mit dem Rapier durchbohren!). Oder wenn sie die Idee von der 'Liebe auf den ersten Blick' in wenigen Sätzen in Gelächter aufgehen lässt: "Ein paar Minuten später waren sie verlobt".

Mit Geschlechterwechsel durch die Jahrhunderte

Woolfs Genderswitching-Roman jagt seinen adeligen Helden ewigjung durch 400 Jahre, vom Elisabethanischen übers Viktorianische Zeitalter bis in die Gegenwart. Nach einem guten Drittel lässt sie ihn – ganz unaufgeregt – zur Frau werden. Fortan erfährt Orlando die Einschränkung, die diese gesellschaftliche Rollenänderung bedeutet, nimmt sich aber auch die Freiheit, auszuleben, was ihr beliebt: Je nach Laune und Gegebenheit legt sie Hosen oder Krinoline an, liebt Frauen oder Männer und weiß beiderlei Rollen zu spielen – während er*sie im Wesen dieselbe Person bleibt.

Orlando1 560 StephenCummiskey uLivefilm-Verfertigungstheater: das Set in der Schaubühne wurde von Alex Eales entworfen © Stephen Cummiskey

Satirisch gestimmt buchstabiert Woolf hier die Grundannahme aus, dass Geschlechterstereotype ebenso wie Sitten und Moralvorstellungen einer Zeit keineswegs naturgegeben, sondern menschenerdacht und also veränderbar sind. Das kann man auch heute, wo wir unsere Kinder in Rosahellblaufallen tappen lassen und die letzten Tage des Patriarchats längst noch nicht angebrochen sind, ruhig beharrlich ins Bewusstsein heben.

Joomla!-Debug-Konsole