Die Geburt des Blues aus dem Geist der Langeweile

von Falk Schreiber

Berlin, 20. Juni 2019. "Das kennen wir ja, was damals mit Prometheus war", rettet sich Bastian Reiber durch den Einstieg, "da müssen wir nicht weiter drüber reden". Also redet er auch nicht weiter drüber, ist ja sein gutes Recht – "Prometheus" ist die erste Regiearbeit des Schauspielers an der Berliner Schaubühne (zuvor hatte Reiber vor zwei Jahren mit "Passionsspiele" am Hamburger Schauspielhaus schon einmal einen mythologischen Stoff bearbeitet), da darf er natürlich reden, über was er möchte.

Genealogie der Beziehungsgeschichten

Kurz zuvor hatte Carol Schuler mit überzeugend artifizieller Intonation versucht, die mehr oder weniger komplizierte Genealogie der antiken Götterwelt zu ordnen, und Reiber hätte eigentlich chorisch in diesen Text einsteigen sollen, sich stattdessen aber nicht uncharmant matschig durch den hohen Ton gemogelt, um schließlich den Stoff nonchalant beiseite zu legen. Okay, der mit der, die mit dem, Beziehungsgeschichten, kennt man schon, muss man nicht drüber reden.

prometheus3 560 thomas aurin uÖde war's, die Congas tönten helle: Florian Anderer, Carol Schuler © Thomas Aurin

Stattdessen redet Reiber ziemlich lange über – Beziehungsgeschichten. Allerdings nicht auf Götterebene, sondern ganz trivial unter Menschen. Carol Schuler und Florian Anderer performen diese Menschen, die sich auf einer kahlen Erde vor trostloser Hütte (Bühne: Marina Stefan) mühen, verwachsene, spasmengeschüttelte Gestalten, denen jegliche zivilisatorische Fertigkeit fehlt. Es ist schauspielerisch toll anzusehen, wenn Anderer seinen geschwürübersäten Körper (Kostüme: Vanessa Rust) ungelenk über die Bühne wuchtet, es zerreißt einem das Herz, wenn Schuler sich zwingt, die ungeschickten Unterhaltungsversuche ihres Gefährten halbwegs liebenswert zu finden, allein: Was hier auf der Bühne passiert, ist die hochvirtuose Darstellung von Behinderung, wie man sie so eigentlich überwunden geglaubt hatte, meckernd, laut, denunziatorisch.

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