Eddy bleibt unhöflich

von Georg Kasch

Berlin, 3. Juni 2018. Am Ende liegt Édouard auf dem Boden, nur mit einem Handtuch um die Hüften, grinst und spreizt das umgedrehte Victory-Zeichen in die Kamera. Als Geste entspricht das dem Stinkefinger: Fick dich, verpiss dich.

Édouard Louis' zweiter Roman "Im Herzen der Gewalt", 2017 auf Deutsch erschienen, ist eine Zumutung. Nicht, weil Louis von seiner Vergewaltigung und einem möglichen Mordversuch berichtet, von demütigenden Untersuchungen im Krankenhaus und peinlichen Nachfragen auf mehreren Polizeirevieren. Sondern wie er es tut: radikal subjektiv, weinerlich, selbstmitleidig. Sich selbst befragt er minutiös, kommentiert sich dabei, entblößt sich und alle anderen Handelnden, die – wie in seinem Debüt "Das Ende von Eddy" – reale Menschen seiner Umgebung sind.

Oft wirkt seine literarische Selbstermächtigung, als wolle er einen Großteil jener Regeln brechen, die für herzensgebildete, wohlerzogene Menschen gelten. Zum Beispiel: Du sollst deine Familie nicht als egoistische Dumpfbacken darstellen. Du sollst nicht mit deiner Intellektualität, Bildung, deinem Aufstieg kokettieren. Du darfst die Hand nicht beißen, die dir hilft. Du darfst unter keinen Umständen rassistisch denken, und wenn, dann es besser nicht zugeben. Das ist schwer erträglich.

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