Schimpfen und Fragen, neu aufgelegt

19. Januar 2023. Das Zürcher Schauspielhaus steht seit Monaten im Zentrum einer hitzigen Debatte um die Frage: Für wen spielt man eigentlich Theater? Um das herauszufinden, hat das Haus nun sein Publikum zum Gespräch gebeten. Ein Kennenlernabend – und ein kleines Déjà-vu.

Von Valeria Heintges

19. Januar 2023. Zu einem Publikumsgipfel hatte das Schauspielhaus Zürich geladen. Man wolle "darüber sprechen, was Sie von Ihrem Theater erwarten, was Sie sich wünschen, was Sie anders machen würden", und freue sich auf "eine angeregte und konstruktive Debatte", hieß es in der Einladung. Weniger konstruktive, sondern sehr erbitterte, fast schon hämische Diskussionen hatte es in letzter Zeit um das Schauspielhaus in diversen Medien gegeben. Von einem "woken Einheitsbrei" war die Rede und von Publikumsschwund, weil die Erneuerungsquote für Abos bei 72 Prozent lag und nicht bei über 90 Prozent wie in den Theatern in Bern und Basel. Manche Inszenierungen würden gut besucht, andere schlechter, aber nicht einmal die gut besuchten seien so voll, wie er sich das wünschen würde, gab auch Co-Intendant Nicolas Stemann zu. 

Vorher erlaubte er sich den Spaß, Berichte aus Zeitungen zu zitieren von "reihenweise Abokündigungen" und "Klassikern, zur Unkenntlichkeit entstellt". Der Redaktor zog das Fazit: "Zürich steht vor einer Publikumskrise." Dann enthüllte Stemann, er habe einen Text von 2002 vorgelesen, die beschriebene Krise sei also nicht seine eigene, sondern von Christoph Marthaler verursacht. Ähnliche Stimmen, so Stemann, hätte er auch aus den Jahren 1938, 1969 oder 1982 finden können. Die Debatten um das Theater haben in Zürich also Tradition. Und schon unter Marthaler gab es einen Zuschauergipfel, Titel: "Schimpfen und Fragen". 

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