Kolumne: Als ich noch ein Kritiker war

Wolfgang Behrens

Wolfgang Behrens, Jahrgang 1970, ist seit der Spielzeit 2017/18 Dramaturg am Staatstheater Wiesbaden. Zuvor war er Redakteur bei nachtkritik.de. Er studierte Musikwissenschaft, Philosophie und Mathematik in Berlin. Für seine Kolumne "Als ich noch ein Kritiker war" wühlt er unter anderem in seinem reichen Theateranekdotenschatz.

Wolfgang Behrens

Wolfgang Behrens, Jahrgang 1970, ist seit der Spielzeit 2017/18 Dramaturg am Staatstheater Wiesbaden. Zuvor war er Redakteur bei nachtkritik.de. Er studierte Musikwissenschaft, Philosophie und Mathematik in Berlin. Für seine Kolumne "Als ich noch ein Kritiker war" wühlt er unter anderem in seinem reichen Theateranekdotenschatz.

Kolumne: Als ich noch ein Kritiker war – Wolfgang Behrens erklärt, was die Impfkampagne vom Theater lernen kann

Impfen wie damals bei Peymann

von Wolfgang Behrens

30. März 2021. Gestern habe ich ein neues Wort gelernt. Ich begegnete ihm in einer nachtkritik-Meldung über die Auswertung des Pilotprojekts in der Berliner Philharmonie zur Öffnung von Kulturveranstaltungen während der Corona-Krise. Meine spontane Interpretation des Wortes lief jedoch ins Leere, denn "No-Shows" (ja, um dieses Wort geht es) sind mitnichten das, was derzeit an allen Theatern und Konzerthäusern zu erleben ist, nämlich "keine Shows". Wenn eine erste schnelle Internet-Recherche nicht trügt, dann stammt der Begriff "No-Show" vielmehr aus der Touristik und bezeichnet das Nicht-Erscheinen einer Person, obwohl diese eine Buchung getätigt hat. Im Falle des Pilotkonzertes in der Berliner Philharmonie gab es bei 1000 Buchungen 43 solcher No-Shows – der Quelle zufolge ist das eine recht geringe "No-Show-Rate". Demnach würde eine No-Show-Partei normalerweise bei Wahlen die Fünf-Prozent-Hürde locker überspringen (falls sich die Menschen hinter den No-Shows nicht als Nichtwähler erweisen sollten).

Kolumne: Als ich noch ein Kritiker war – Wolfgang Behrens wirft sich für Theater als Live-Erlebnis in die Bresche

Lang lebe die Verweiltoleranz

von Wolfgang Behrens

26. Mai 2020. Meine Frau sagt – wenn ich hier einmal die Anfangsworte der Kolumne des unvergessenen Michael Althen verwenden darf –, meine Frau sagt eigentlich nach jedem Stück avancierter Neuer Musik, das wir in einem Konzert hören: "Es war wirklich toll (wahlweise auch: spannend, interessant), aber eine CD auflegen würde ich mir davon nicht." Ich weiß nicht, ob das mehr über zeitgenössische E-Musik aussagt oder mehr über Musik, die sich meine Frau als CD auflegt. Ganz sicher aber sagt es etwas aus über die grundsätzliche Qualität eines Konzerterlebnisses, über die Live-Situation: Das Arrangement Konzert nämlich (und für das Arrangement Theater gilt natürlich dasselbe) zwingt gleichsam zur Aufmerksamkeit; die freiwillige Gemeinschaft, die sich hier bildet, hält eine*n gewissermaßen für die Dauer der Veranstaltung gefangen und ermöglicht so eine ästhetische Erfahrung, der man sich unter anderen Umständen möglicherweise verschlossen hätte. Und manchmal hält man auf diese Weise auch etwas aus, dem man sich vielleicht sogar ganz gerne verschlossen hätte.