Presseschau vom 28. Juni bis 31. Juli 2020 – In den Badischen Neuesten Nachrichten üben ehemalige Mitarbeiter*innen des Badischen Staatstheaters harte Kritik am Intendanten

"Klima der Angst"

"Klima der Angst"

28. Juni 2020. Mehrere ehemalige Mitarbeiter*innen der Opernsparte des Badischen Staatstheaters Karlsruhe üben in den Badischen Neuesten Nachrichten (BNN) harte Kritik am Führungsstil des Generalintendanten Peter Spuhler.

Nachdem mit dem Dramaturgen Boris Kehrmann auch das letzte verbliebene Mitglied des Leitungsteams um Operndirektorin Nicole Braunger das Haus verlassen hat und damit insgesamt drei Dramaturg*innen sowie der Erste Kapellmeister abgewandert sind, muss Braunger die kommende Spielzeit mit einem weitgehend neuen Team bestreiten – "obwohl sie Karlsruhe laut gut informierten Kreisen am liebsten ebenfalls verlassen würde: Die Nachricht, dass Braunger gekündigt habe, ihr aber der Auflösungsvertrag verweigert werde, machte im vergangenen November die Runde", so die BNN.

Als Gründe für die Mitarbeiter*innen-Abwanderung in der größten und besucherstärksten Sparte des Hauses, deren Arbeit unter Braungers Leitung viel positive Aufmerksamkeit erfahren hat, nennen die Gesprächspartner*innen der BNN, Boris Kehrmann, der ehemalige Stellvertreter der Direktorin Patric Seibert sowie die ehemalige Operndramaturgin Deborah Maier, einen "permanenten Kontrolldruck" vom Generalintendanten, der ein "Klima der Angst" verbreite und Kreativität nicht fördere, sondern einenge: "Wir wurden eher für administrative Aufgaben eingesetzt statt kreativ arbeiten zu können", wird Deborah Maier zitiert.

"Ich musste einsehen, dass ich hier nicht sinnvoll arbeiten kann", sagt Boris Kehrmann: Das Ensemble sei einzigartig: "Aber wenn ich Barbara Dobrszanska, Armin Kolarczyk oder Konstantin Gorny am Haus habe, dann muss ich für die doch jede Spielzeit Stücke auf den Spielplan setzen und nicht Frau Dobrszanska die vierte Magd in 'Elektra' singen lassen, während wir für die weiblichen Hauptrollen Gäste holen müssen. Dieses Haus hat kraft seiner Mitarbeiter die Potenz, ein Vulkan an Kreativität zu sein – aber das Feuer wird zu oft gedämpft." Höre man sich im Umfeld ehemaliger Theatermitarbeiter um, so die BNN, würden die Aussagen von Kehrmann und Seibert bestätigt. "Oft allerdings mit der Bitte, anonym zitiert zu werden."

Gefragt, wie er sich die Abwanderung gleich mehrerer Mitarbeiter*innen erkläre, sagt Peter Spuhler selbst der Zeitung, dass er nichts von einem grundlegenden Zwist wisse. "Wie immer an einem Haus kann man nicht in allen Angelegenheiten einer Meinung sein – das ist normal in einem künstlerischen Betrieb." Spuhler amtiert seit 2011, sein Vertrag läuft bis 2026. (sd)


Am 4. Juli 2020 veröffentlicht Andreas Jüttner von den Badischen Neuesten Nachrichten nach weiteren Gesprächen einen neuen Recherchetext: "Die Berichte von rund 20 Personen zeichnen ein alarmierendes Bild von verheerenden Zuständen am Haus", schreibt er. Viele Gesprächspartner*innen wollten anonym bleiben "Sorge, in der eng vernetzten Theaterlandschaft als 'Nestbeschmutzer' isoliert zu werden. Spuhlers Strategie, "enge Vertraute in Leitungspositionen setzt, um sich Rückhalt zu schaffen", wird von einem Abteilungsleiter kritisch eingeschätzt. "Das bereits zuvor auffällige Tempo des Personalkarussells nimmt weiter zu – und mit jedem, der geht, zieht die Kunde von den Zuständen in Karlsruhe weitere Kreise in der Theaterwelt", schreibt Jüttner und verweist auf die verschlechterte Bewerbungslage.

6. Juli 2020. In einer ersten Stellungnahme zu den Vorwüfen gegen die Staatstheaterleitung sprechen Theresia Bauer (Die Grünen) und Karlsruhes Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) als Vertreter der Träger des Staatstheaters von einem "Kampagnencharakter", der "Vertrauen zerstöre und konstruktive Lösungen erschwere", wie Andreas Jüttner für die Badischen Neuesten Nachrichten berichtet. Bauer und Metrup fordern die Beschwerde führenden Mitarbeiter*innen des Staatstheaters auf, aus ihrer Anonymität zu treten. "Stadt und Land werden eine unabhängige Anlaufstelle anbieten, damit dort frühere oder aktuelle Missstände bei dieser neutralen Stelle hinterlegt werden können, damit so die erhobenen Vorwürfe verifiziert werden können." Laut Informationen der BNN ist es in der Vergangenheit aber in mindestens einem Fall zum Vertrauensbruch im Schluss an ein Hilfsersuchen gekommen. Für den 17. Juli 2020 ist eine Verwaltungsratssitzung des Theaters angesetzt.

8. Juli 2020. Im Anschluss an eine Personalversammlung des Staatstheaters teilt die Pressestelle des Hauses in einer kurzen Presseaussendung mit dem Titel "Karlsruher Generalintendant Peter Spuhler verspricht Transparenz und Beteiligung" mit: "Generalintendant Peter Spuhler zeigte sich am Mittwoch auf einer Personalvollversammlung betroffen von den Vorgängen um das STAATSTHEATER und seinen Führungsstil und bat die Menschen, die sich durch sein Vorgehen verletzt fühlten, um Verzeihung. Er sagte zu, dass es Veränderungen geben würde. Dafür legte er verschiedene Vorschläge zur weiteren internen Diskussion vor."

9. Juli 2020. Andreas Jüttner von den Badischen Neuesten Nachrichten hat sich bei Teilnehmer*innen der Personalversammlung über deren Verlauf erkundigt. Demnach sei Spuhlers Rede "berührend" gewesen. "Dennoch gebe es in der Belegschaft starke Skepsis, ob weitreichende Reformen unter der Leitung von Spuhler möglich seien." Und weiter: "Übereinstimmend berichtet wurde von viel Applaus für die Ausführungen des Personalrats und für ein Statement des scheidenden Operndramaturgen Boris Kehrmann." Kehrmanns Weggang war ein Auslöser der Debatte um Peter Spuhlers Führungsstil.

14. Juli 2020. In einem Statement äußert sich auch die Gesellschaft der Freunde des Badischen Staatstheater e.V. kritisch und distanziert sich von Peter Spuhlers Führung des Mehrspartenhauses: "Die innerbetrieblichen Querelen und die ständige Fluktuation der Mitarbeitenden wären hinnehmbar, wenn aus der Sicht des Publikums das künstlerische Angebot geprägt wäre von Kontinuität und Verlässlichkeit. Dem ist leider nicht so." Vier konkrete Punkte werden benannt:

- Szenisch hervorragende Musiktheater-Produktionen wurden unverständlicherweise abgesetzt. Momentan hat das Haus – immerhin ein Staatstheater! – keine einzige Wagner-Oper mehr im Repertoire. (...). Andreas Jüttner von den BNN hat nachgerechnet, dass von bislang 55 Musiktheater-Neuproduktionen unter Peter Spuhler nur eine einzige eine zweite Wiederaufnahme erlebt hat: "My fair Lady". Die Bilanz sei ernüchternd (…). Eine nachhaltige Spielplangestaltung sieht anders aus. Die Ära Spuhler hat hier leider keine Aufbauarbeit geleistet.

- Die mangelnde Kontinuität betrifft auch die Zusammensetzung des Ensembles. (...). Die Gesellschaft der Freunde sorgt sich um eine systematische Ausbildung des Nachwuchses. Viele Stücke müssen daher in den Hauptrollen mit Gästen besetzt werden – das ist an einem Staatstheater mit einem solch großen Ensemble eigentlich unverständlich und kostet.

- Das Corona-Management am Hause ist befremdlich. (…) 

- Die Gesellschaft der Freunde ist mit über 1400 Mitgliedern der größte Kulturförderverein in Karlsruhe und eine der größten Theaterfördergesellschaften der Bundesrepublik. Noch ... Die Rückmeldungen und ein Mitgliederschwund von fast 20%, den wir in den letzten neun Jahren erlebt haben, zeugen von einer wachsenden Enttäuschung mit der Intendanz Peter Spuhlers. Viele, die eigentlich an einer Mitgliedschaft interessiert wären, äußern uns gegenüber ihren Unmut und geben offen zu, dass sie unter der derzeitigen Intendanz das Staatstheater nicht fördern möchten. Das sind angesichts der anstehenden Sanierungsmaßnahmen und der immensen Kosten, die es der Öffentlichkeit zu vermitteln gilt, alarmierende Zeichen.

Weiter heißt es: "Das Ansehen des Hauses ist beschädigt. Leider stand uns Peter Spuhler in den letzten Jahren nicht für diesbezügliche Gespräche zu Verfügung und es wurde uns keine Möglichkeit gegeben, konstruktive Vorschläge einzubringen. (…) Insofern hofft die Gesellschaft der Freunde auf einen Neuanfang."

24. Juli 2020. Weiterführung der Zusammenarbeit mit Peter Spuhler oder Umstrukturierung? Im Interview mit Andreas Jüttner von den Badischen Neuesten Nachrichten erklärt die Karlsruher Schauspieldirektorin Anna Bergmann, weshalb sie einen Veränderungsprozess gemeinsam mit Peter Spuhler für denkbar hält: "Wir haben ihm bei der ersten Terminmöglichkeit aufgesucht und eine Liste vorgelegt mit Dingen, die sich ändern müssen, damit wir uns vorstellen können, weiter mit ihm zu arbeiten. Und auf dieser Basis konnte ich dem Kunstministerium signalisieren: Bei einer Verschriftlichung dieses Maßnahmenkatalogs, den ich auch als Manifest bezeichnen würde, halten wir vom Schauspiel einen Strukturwandel mit Peter Spuhler für möglich. Diese Liste liegt dem Ministerium auch vor." Unterzeichnet sei die Liste von Peter Spuhler noch nicht und Details möchte Anna Bergmann so lange noch nicht nennen, aber "im Kern geht es darum, dass wir die künstlerische Entscheidungsfreiheit für unsere Sparte haben und er nicht mehr überall das letzte Wort hat". Bergmanns Stellvertreterin Anna Haas fügt hinzu, "eine neue Struktur entsteht ja nicht einfach, indem man den Generalintendanten wegnimmt". Spuhler habe ein Kontrollsystem aufgebaut, wie Vorgänge und Entscheidungen zu verlaufen hätten, bei dem jede Entscheidung über seinen Tisch gehen sollte. "Ein Hauptpunkt der Liste ist es, das in Frage zu stellen", so Haas. "Wir glauben, dass er für Veränderungen offen ist, wenn er klare Regeln hat. Wir wissen aber auch, dass es die Öffentlichkeit gebraucht hat, damit der Handlungsbedarf erkannt wurde."

Vorschläge für den Strukturwandel sammelt auch das Ensemble, wie die Ensemblesprecher*innen Heisam Abbas, Claudia Hübschmann und Gunnar Schmidt berichten. Gemeinsam mit der Spartenleitung arbeitete das Schauspielensemble an einem Fahrplan für die nächste Saison: "Denn es gibt die begründete Sorge, dass wir sonst im Stress der Saisoneröffnung nicht Tritt fassen. Es ist aber wichtig, an die Dynamik anzuknüpfen, die jetzt da ist", so Heisam Abbas. Wichtig gewesen sei für den Prozess die öffentliche Aufmerksamkeit, um den Prozess anzustoßen, so Gunnar Schmidt: "Die öffentliche Diskussion hebelt den Maulkorb in unserer Vertragssituation des NV [Normalvertrag, d. Red.] Solo ein Stück weit aus. In dieser Situation kann es sich keine Theaterleitung leisten, jemandem den Mund zu verbieten." Um echte Veränderungen zu erzielen, müsse das Vertragssystem mit dem NV Solo auf den Prüfstand gestellt werden: "Das ist ein zentrales Problem, denn es schafft Abhängigkeiten, die dafür verantwortlich sind, dass wir von der Bühne aus Dinge postulieren, die wir nach innen nicht umsetzen können", so Heisam Abbas. Anna Haas zufolge hätten sie und Anna Bergmann die Koppelung der Schauspieler*innenverträge an die Laufzeit des Leitungsteams bei ihrem Amtsantritt angestoßen. Von der Theaterleitung sei ihnen jedoch "mit besten Absichten" abgeraten worden. "Das gilt es jetzt nochmal neu auszuhandeln." Und Anna Bergmann, die zugibt, gewusst zu haben, worauf sie sich bei der Zusammenarbeit mit Peter Spuhler einließ, hofft, bislang in den festgefahrenen Strukturen erstickte Veränderungs-Impulse wieder aufnehmen zu können und so, wie mit der 100-Prozent-Regie-Frauenquote, ein Signal in die Theaterlandschaft senden zu können: "Vielleicht sind auch wir ein kleiner Teil eines längst notwendigen Wandels." (eph)

30. Juli 2020. Als "Theaterretter" gilt Peter Spuhler in Heidelberg, wo er vor seiner Karlsruher Generalintendanz sechs Jahre lang das Stadttheater leitete. Doch seine Amtsführung soll auch dort schon von Kontrollzwang und Wutanfällen geprägt gewesen sein. Bundesweit habe Spuhler damals positiv Aufsehen erregt, unter anderem durch das Einwerben bürgerschaftlicher Spenden für Sanierung und Umbau des Theaters, berichtet Andreas Jüttner in den Badischen Neuesten Nachrichten. Rund ein Drittel der auf 70 Millionen Euro bezifferten Kosten soll durch Spenden bestritten worden sein.

Doch auch in der Neckarstadt habe die Karlsruher Krise nun Wellen geschlagen, so Andreas Jüttner. Ein Heidelberger Pressekommentar, in dem vermutet wurde, "der quirlige Spuhler, der es nicht nur inhaltlich krachen lassen kann", sei in "der Beamtenstadt" Karlsruhe vor allem wegen seines innovativen Programms angeeckt, habe ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Spuhlers Zeit in Heidelberg alarmiert. In einem Brief an die dortige Tageszeitung erklärten sie der BNN zufolge: "Wir können und müssen heute leider bestätigen, dass alles, was wir aus Karlsruhe hören, uns sehr bekannt vorkommt und die Nachrichten, die wir auch aus den unterschiedlichsten Wohnorten in der Republik verfolgen, uns äußerst stark berühren und Vieles, was schon verdrängt schien, wieder hochkommt." In dem von 13 Personen namentlich unterzeichneten Schreiben sei, ähnlich wie in Mitarbeiterberichten aus dem Staatstheater Karlsruhe, "die Rede von 'Kontrollzwang und cholerischen Anfällen', einem 'Despotismus, der über die künstlerischen Bereiche bis in Technik, Verwaltung und Dienstleistung hineinreichte' sowie einem 'massiven Gefühl der Beklemmung, unter dem damals rund um die Uhr gearbeitet werden musste'", zitiert die BNN aus dem Schreiben.

Betont wird von den Unterzeichnenden, "nur eine Perspektive von vielen" zu schildern: Peter Spuhler habe auch "großartige Fähigkeiten hinsichtlich des Theaters", heißt es in dem Schreiben. "Er kann die Öffentlichkeit mitreißen, er kann reden, ist ein begnadeter Fundraiser, sprudelt vor künstlerischen Ideen und weiß, welche Strippen er für das Theater in der Politik ziehen muss." Jedoch besitze Peter Spuhler "keine Führungsqualitäten, derer es für ein Stadt- oder Staatstheater bedarf"; er scheine "nur sehr wenigen engen Mitarbeiter*innen zu vertrauen" und selbst diese wendeten sich "nach geraumer Zeit" von ihm ab. Wichtig sei es, so das Fazit des Schreibens, die Debatte um Führungsqualitäten an Theatern öffentlich zu führen. (eph)

 

Mehr zum Thema: Interview mit der Karlsruher Schauspielintendantin Anna Bergmann.

 

 

Kommentare  
#1 Karlsruhe: Solidarität?Thomas Rothschild 2020-06-28 12:01
Ist das nicht der Mann, der mit Lob überhäuft wurde, als er Anna Bergmann und deren Programm nach Karlsruhe holte? Kann man das eine ohne das andere beurteilen? Und was sagt Anna Bergmann zu den Klagen ihrer Kolleg*innen?
#2 Karlsruhe: MachtstrukturenHanna 2020-06-28 13:04
Es zeigt sich einmal mehr, dass dieses System von innen verrottet ist. Der Intendant Spuhler ist öffentlich eloquent und freundlich, zeigt intern aber offenbar Merkmale eines Diktators. Und das ist ja leider nicht nur in Karlsruhe so. Auch die jüngeren, auch die Frauen in diesen Positionen sind leider nicht ausgenommen. Warum werden IntendantInnen, vor allem an den mittleren und kleineren Häusern, mittlerweile deutich länger als sieben, acht Jahre beschäftigt? Das verstärkt interne Abhängigkeiten und Clanbildung, führt zu Machtkonzentration. Das ist in Karlsruhe nicht anders als zum Beispiel in Heidelberg (Schultze, 2011-2026). 15 Jahre Intendanz an einem Haus, das sind Stellungen auf nahezu Lebenszeit geworden, und die sind damit ein großes Problem, offenere und weniger hierarchische Strukturen zu etablieren. Spuhler wird sich halten, nach zehn Jahren hat er genügend Abhängigkeiten geschaffen im Haus, wie in der Stadt, wie in den überregionalen Theatergremien, dass ihm diese mutigen Veröffentlichungen nichts werden anhaben können. Die Kunst und die Arbeit dafür leiden darunter.
#3 Karlsruhe: leidige ThemenDaniel 2020-06-28 15:36
@#1 Ein Vorgang sollte( mittlerweile) nicht mehr ein Resultat rechtfertigen oder gar verteidigen!
Eine geniale Inszenierung eines Regiegenies sollte unter keinen Umständen als Rechtfertigung für Machtmissbrauch und mieses Verhalten herhalten. Und ebenso kann der Vorgang einer Berufung und das damit einhergehende Lob nicht voranschieben, wenn Machtmissbrauch u.Ä. diskutiert wird! Dazu ist auch Anna Bergmanns Meinung nicht uninteressant, aber vollkommen irrelevant bzgl des Vorwurfs.

@#Ja...Castorf war wie lange in der VB...die Kommentare um diese Länge kamen zu seiner Zeit leider nicht auf.

Ich stimme ihnen jedenfalls vollkommen zu: Das System ist so nicht akzeptabel in vielen Belangen. Wär mal ne intressante Studie, wie die Mitarbeitenden sich eine Intendanz Findung wünschen würden und wie sehr dies mit der Realität sich beisst.
#4 Karlsruhe: überbewertet?Achso 2020-06-28 18:14
Uuuuuups, nun also auch der gute Herr Spuhler ... . Das ist dann schon eine Überraschung, wo es immer hieß, Karlsruhe sei die Insel der Seligen und die Speerspitze des Neuen. Überraschend, oder? Oder überwertet, weil Fluktuation durchaus normal ist?
#5 Karlsruhe: wie wollen wir arbeiten?Andreas 2020-06-29 10:06
@4 nein, es ist nicht überbewertet. Die Vorwürfe sollten uns beschäftigen, wenn es bei nachtkritik parallel dazu eine Meldung zur Studie über die Arbeitsbedingungen in der Kulturbranche gibt. Im Rahmen des Ensemble-Netzwerks und des Regie-Netzwerks wird gut und richtig über die Arbeitssituation von Schauspielerinnen und Regisseurinnen gesprochen - und es wurde auch einiges erreicht. Aber was ist mit den Dramaturginnen, den Spartenleiterinnen? Die werden oft nur als verlängerter Arm der Intendanz wahrgenommen, als loyal und ausführend. Jetzt sprechen endlich mal ein paar. Jetzt sagen die, auch mit grossem persönlichen Risiko verbunden, dadurch in der Theaterszene "ihren Ruf" zu verlieren, dass hier etwas nicht stimmt. Dass hier schon jahrelang etwas nicht stimmt. Hören wir ihnen zu und fragen wir genauer nach! Die Vorwürfe zeigen doch, dass ein System wie es in Karlsruhe aufgebaut wurde, mit einer Generalintendanz on the top, die faktisch alleine über jede Kleinigkeit entscheiden kann, wenn sie es denn will, grundlegend zu falscher und problembehafteter Zusammenarbeit führt. Herr Spuhler kassiert im Vergleich zu allen seinen künstlerischen Mitarbeitern, die alle unter NV-Bühne angestellt sind, ein fürstliches Managergehalt - keine "Gage". Manager, die so viel verdienen, sollten Auskunft darüber geben müssen, wie sie ihr Haus organisatorisch formen und ihre Arbeit sollte von einem Verwaltungsrat re­gel­mä­ßig geprüft und bewertet werden.
In Kulturbetrieben wird aber gern verschwiegen, unter den Teppich gekehrt oder durch Abhängigkeiten mundtot gemacht. Bitte nicht! Theater braucht mehr Transparenz, Befragung und Offenheit. Niemand sollte davor Angst haben, auszusprechen, was falsch läuft.
#6 Karlsruhe: Kunst und RelevanzBaden 2020-06-29 10:50
Für Menschen, die ansatzweise mit dem Badischen Staatstheater vertraut sind ist nur überraschend, wie mutig hier Kolleg*innen an die Öffentlichkeit gehen. (...) Die Fluktuation ist außergewöhnlich hoch, (...)
Aber das Haus wird für einen hohen dreistelligen Millionenbetrag saniert, und das sichert die Position des Generalintendanten. Kunst und Relevanz hat damit wenig zu tun.
"Von Haltung und Verhalten" - ein super Motto.

(Liebe Diskutant*innen, unüberprüfbare Tatsachenbehauptungen sowie Kommentare, die ad personam gehen, werden in unserem Forum nicht veröffentlicht. Das geht nicht nur an die*den letzte*n Kommentator*in, sondern an alle. Mit freundlichen Grüßen, die Redaktion)
#7 Karlsruhe: Danke, AndreasRentner 2020-06-29 21:01
#5 - Lieber Andreas. Ich habe mich über diesen Post so gefreut. Ich war Spartenleiter an einem Theater für fünf Jahre, musste gegenüber dem Ensemble viele Entscheidungen vertreten, die ich nicht geteilt habe, hatte die Themen in "Leitungsrunden" diskutiert und wurde rasch - durchaus ausfällig - "auf Kurs" gebracht. Vielleicht war es falsch, dann zu sagen: ich gehe weg vom Theater... aber ich wurde müde...

Die Spartenleiter*innen werden viel zu oft in einen Topf mit der Intendanz geworfen, werden gleichzeitig so oft diszipliniert und müssen aber eine Autorität gegenüber den MitarbeiterInnen ihrer Sparten wahren, um nicht von oben und unten getreten zu werden. Respekt für die KollegInnen in Karlsruhe, die da mutiger sind als ich, der einfach ausschied. Theater muss Team sein.
#8 Presseschau Karlsruhe: Probleme des SystemsDobro 2020-06-30 20:01
Es wäre aber naiv zu glauben, dass es an den meisten anderen Theatern im deutschsprachigen Raum anders aussieht.

Das Problem beginnt notwendigerweise damit, dass Intendant*innenjobs nur an in der Branche gut vernetzte Leute vergeben werden, die Kontakte in Findungskommissionen haben. Danach können sich die Intendant*innen alles erlauben, solange sie sich mit den zuständigen Politiker*innen (Kulturamtsleitung etc.) gut stellen. Eine Kontrolle von außen ist fast unmöglich, solange der Laden irgendwie läuft. Schon fachliches Unvermögen nachzuweisen ist schwer, noch schwieriger ist es, (zwischen)menschliches Versagen zu belegen. Vorwürfe von innen dringen nicht an die Öffentlichkeit oder nur bis zu den Verbündeten in der Politik. Das führt zu den angesprochenen starken Fluktuationen an den Theatern.
(...)
#9 Karlsruhe: ja, aber ...achso 2020-07-01 15:38
ad#5 ad#8
Schon klar, dass die Strukturen an den Theatern weitgehend postfeudal sind. Mich wundert's nur, dass der "Posterboy" des deutschen Theaters jetzt eine halbe Sparte verliert. Denn wer, wenn nicht er, hat sich verdient gemacht um z.B. die Öffnung für Frauen in Führungspositionen, er steht für Diversität und Innovation, ist bestens vernetzt und wirkt wie das role model eines modernen Intendanten. Wenn's dann selbst da, im Inneren kracht, dann weiß ich auch nicht .... .
#10 Karlsruhe: neue AbhängigkeitenThomas Rothschild 2020-07-02 08:24
Verehrte(r) achso, vielleicht gehen Sie von falschen Annahmen aus. Könnte es nicht sein, dass man durch Förderungen, für die man selbst keinerlei Verzicht geleistet hat, neue Abhängigkeiten und Verbindlichkeiten schafft? Und warum sollte Vernetzung für die Abhängigen von Vorteil sein? Ist sie nicht eher eine Voraussetzung für Protektionismus und Immunisierung gegenüber Kritik auf der Basis von Gegenseitigkeit? Das Netz macht es unter sich aus. Bis ein paar Mutige rebellieren. Ganz ohne Netz. Allzu oft passiert das ja leider nicht. Verglichen mit den "role models eines modernen Intendanten" sind mir, mit Verlaub, die altmodischen role models der Mitbestimmung am Theater - Peter Palitzsch, Peter Stein - wesentlich sympathischer. Sie mögen gescheitert sein, aber sie haben immerhin etwas ausprobiert, was, damals jedenfalls, nicht der eigenen Eitelkeit diente.
#11 Karlsruhe: kein Widerspruchähem 2020-07-02 12:13
#9
Vielleicht liegt die Ursache für Ihre Verwunderung darin, dass auch ein feministisch, divers etc orientierter, innovativ denkender Mensch machtbesessen, autoritär, ungerecht und noch so einiges andere sein kann. Hehre Ziele und die "richtige" politische Einstellung schützen nicht vor anderen charakterlichen Mängeln. Dass man eine so verantwortungsvolle Position wie die Intendanz eines Theaters vielleicht auch nur unter Einsatz von Ellenbogen, Beziehungen u.ä. erreichen kann, erhöht unter Umständen die Gefahr, dass sich den Posten jemand greift, der, sagen wir mal, gerne Autorität ausübt.
Ich bin gespannt, wie es weitergeht. Bei Intendanz-Neubesetzungen ist derzeit ja viel von flachen Hierarchien, Gleichstellung, Quoten etc die Rede. Darüber, ob daraus auch bessere Kunst entsteht, wird ja ohnehin schon heftig gestritten. Ob diese Theater denn auch bessere, fairere, weniger autoritär auftretende Menschen hervorbringen werden...let's see!
#12 Karlsruhe: FrageZuschauer 2020-07-02 14:35
Wie kann es sein, dass die massive Kritik am autoritären Führungsstil von Peter Spuhler für den Intendanten erneut folgenlos bleibt? Obwohl die Kritik bereits 2015 an die Öffentlichkeit gelangte und die überdurchschnittliche Fluktuation am Haus ebenfalls Bände spricht. Bleibt zu hoffen, dass weitere ehemaligen Mitarbeiter*innen den Mut haben werden ihr Schweigen zu brechen.
#13 Karlsruhe: AutoritätLieneweg 2020-07-03 11:51
Autoritärer Führungsstil kann ja auch bedeuten,dass Intendant ein excelenter Dramaturg ist,somit seine Anforderung an seine Mitarbeiter hoch,was aber auch bedeuten kann,dass das Interesse anderer Häuser an diesen Mitarbeitern sehr hoch ist , Können ist gefragt und somit die Fluktuation zustande kommt.Zudem gibt es in den Theatern fast nur 1-2 Jahresverträge,was bedeutet,dass die Mitarbeiter aller Sparten sich fast immer nach Vakanzen umsehen müssen .Also Theater = Fluktuation!
#14 Karlsruhe: WiderspruchBeobachter 2020-07-03 13:53
Sehr geehrte(r) Lieneweg, bei allem Respekt für Ihren Versuch einer positiven Sichtweise, aber im Fall Spuhler kann keinesfalls von einer normalen Fluktuation die Rede sein, wo doch die Fliehenden sich ganz explizit und deutlich zu dem „Klima der Angst“, der verbreitet wird, äußern. Damit verteidigen Sie ganz altmodisch die Ansicht, dass eine Führungsfigur durch systematische Druckausübung beste Qualität erzeugt. Und gerade darum geht es doch in der aktuellen Diskussion, dass dieses System Missbrauch ermöglicht und möglichst bald abgeschafft gehört.
#15 Karlsruhe: QualitätLieneweg 2020-07-03 14:51
Herr/Frau Beobachter! Wirkliches Können erlernen und daraus dann selbst schöpfen,ist immer ein schwieriger Vorgang,dem viele nicht gewachsen sind.Gerade aus der Zusammenarbeit mit Spuhler haben sich fabelhafte Dramaturgen.Regisseure,Int.entwickelt. Die Arbeit ist hart,nur lernt man unendlich viel und es bilden sich sogar Freundschaften! Es ist wahrscheinlich auch eine Persönlichkeitsfrage und die möchte ich nicht abgeschafft sehen.
#16 Karlsruhe: FreundschaftenBeobachter 2020-07-03 15:38
Herr/Frau Lieneweg, auf Freundschaften, die auf von oben ausgeübter Härte beruhen, kann ich liebend gerne verzichten. Glücklicherweise entsteht wirkliches Können auch ohne die von Ihnen so bezeichneten „schwierigen Vorgänge“. Somit muss mich solchen Systemen nicht aussetzen. Ich beglückwünsche die Betroffenen zu ihrem Mut, an die Öffentlichkeit zu gehen und hoffe auf Änderung des Status Quo.
#17 Karlsruhe: PersonalratArbeiter 2020-07-03 17:02
@15 die Arbeit ist hart in Karlsruhe? Woher wollen Sie das Wissen, Frau Lieneweg? Haben Sie jemals an dem Haus gearbeitet? Was haben Sie genau mit dem Haus oder Herrn Spuhler zu tun gehabt, dass Sie anscheinend so gut Bescheid wissen über die Zustände?

Der Personalrat hat sich jedenfalls positioniert und übt massive Kritik am Führungsstil:

bnn.de/nachrichten/kultur/staatstheater-karlsruhe-streit-um-spuhler-zieht-politische-kreise
#18 Karlsruhe: fabelhaftBaden 2020-07-03 18:17
Liebe Frau Lieneweg, so kann man auch durch die Welt gehen. Glückwunsch! Nur die Harten kommen in den Garten, Theater ist kein Ponyhof (da gab es auf nk schon mal eine schöne Diskussion zu...), ein bisschen Klima der Angst hat noch niemandem geschadet, Rumschreien gehört zum Handwerk und sowieso: Exzellenz, Qualität. Fabelhaft!
Der Zweck heiligt nun mal die Mittel, und da ist Theater nun mal erhaben...
In den Badischen Neuesten Nachrichten liest man derweil dies: bnn.de/nachrichten/kultur/staatstheater-karlsruhe-streit-um-spuhler-zieht-politische-kreise
#19 Karlsruhe: Rolle der PolitikZuschauer 2020-07-03 22:08
„(Das) Schreiben bringt außerdem zur Sprache, dass die Entscheidungsträger in Verwaltungsrat und Politik über die Missstände bereits mehrfach informiert worden seien. Dies habe aber keinerlei Folgen gehabt.“ (bnn.de/nachrichten/kultur/staatstheater-karlsruhe-streit-um-spuhler-zieht-politische-kreise)
- d.h. Politik und Verwaltungsrat haben das untragbare Verhalten des Intendanten billigend in Kauf genommen, anstelle die Rechte der Mitarbeiter*innen zu schützen. Ein weiterer Skandal im Fall Spuhler, der aufgearbeitet gehört! Ministerin und Staatssekretärin müssen sich dringend positionieren!
#20 Karlsruhe: AufklärungUlrich Heinse 2020-07-03 23:14
Eine grosse Frage der Aufklärung umgeschrieben: "Wer kontrolliert die Kontrollierenden?" Betrifft offenbar viele Kontrollgremien: den Theateraufsichtsrat, die BAFIN, die Arbeitsschutzbehörden, die Tierschutzbehörden, die Umweltschutzbehörden... Die Charaktere sind nicht in den Amtsstuben zu Hause, sondern auf der Straße. Das ist für die Demokratie beides: blamabel und ruhmreich!
Und jetzt noch einen Wein auf die Karlsruher Charaktere!
#21 Karlsruhe: Selbst-Aufklärungmartin baucks 2020-07-04 20:13
Falls der Intendant so fortschrittlich wäre, wie er vorgibt, würde er die Klärung des Vorgangs selbst voran treiben.
#22 Karlsruhe: neuer BerichtAnderson 2020-07-05 10:42
Weitere Enthüllungen und eine Seite auf Instagram, die dazu auffordert anonym von wahren Vorkommnissen zu berichten. (...)

bnn.de/lokales/karlsruhe/immer-mehr-staatstheater-mitarbeiter-erheben-schwere-vorwuerfe-gegen-spuhler

(Sehr geehrte/r Anderson, den Link zur Instagram-Seite haben wir gestrichen, weil das dort gesammelte Material der Verifizierung bedarf. Der Hinweis auf den neuen Text in den BNN ist aufgenommen. Mit freundlichen Grüßen, Christian Rakow / Redaktion)
#23 Karlsruhe: FragenHans Zisch 2020-07-05 13:14
Um ein besseres Bild zu gewinnen:
1) Wo ist der offene Brief veröffentlicht? (Konnte ihn nicht finden. Bei nk kein Link?)
2) Ist dieser offene Brief zuvor an den OB, den Verwaltungsrat, ergo die Dienstvorgesetzten gegangen?
3) Aus welchen Gründen ist die laut Personalrat "vernichtende Kritik an Spuhler" (siehe BNN) der Mediation/Mitarbeiterumfrage von 2015/17 versandet? Gelten die Gründe/Mechanismen fort? Ist eine neue Qualität erreicht oder dies ein neuer Anlauf unter unveränderten Vorzeichen?
#24 Karlsruhe: SammlungBoris Kehrmann 2020-07-05 15:14
Lieber Herr Zischler,
1. den können Sie bei barbara.kistler@staatstheater.karlsruhe.de anfordern.
2. Ja
3. Die letzte Debatte über die Causa wurde 2020 per Abstimmung unterlassen. Der Verwaltungsrat des Theaters argumentierte, man könne nicht einen Generalintendanten desavouieren (und sich selbst gleich mit), indem man ihn öffentlich in Zweifel ziehe.
Fragen Sie einfach die Beteiligten. Die Adressen finden Sie auf der Staatstheater-Homepage. Wir sind gerne zu allen Auskünften bereit und senden Ihnen auch gerne die Sammlung der 65 Zeugenaussagen zu.
Liebe Grüße
Ihr Boris Kehrmann
#25 Karlsruhe: wachgeküsstInsider 2020-07-06 20:35
Jeder, der Peter Spuhler kennt, weiss wie dieser für das Theater brennt und auch welches Tempo er dabei vorlegt. Das mag nicht jedermanns Geschmack sein und dem wird auch nicht jeder folgen können. Doch hat er so das Badische Staatsheater aus seinem bis in die Ära Rudolph zurückreichenden Dornröschenschlaf wachgeküsst und in die Reihe der bundesweit beachteten Bühnen zurückgeführt.
#26 Karlsruhe: Bildet Räte! Kolleg*in 2020-07-07 01:09
Es ist erstaunlich still in diesem Thread, der immerhin den bisher heftigsten „Enthüllungsskandal“ der letzten Jahre im deutschen Theatersystem betrifft. Warum schweigen wir? Warum haben wir geschwiegen? Ich schwanke zwischen Schock, Erleichterung, Ratlosigkeit, Widerwillen und wusste lange nicht, wie ich mich dazu positionieren soll, deshalb habe ich gesprochen, mit Vielen, woraus dieser Text entstanden ist, den ich hier in mehreren Teilen veröffentliche, weil: zu lang. Und ich bitte um Geduld.

(Seit heute habe ich auch richtige Wut ob dieser Stellungnahme der Träger, die heute erschien: bnn.de/lokales/karlsruhe/mentrup-und-kunstministerin-bauer-vorwuerfe-an-staatstheater-intendant-spuhler-haben-kampagnencharakter

Diese Stellungnahme zeigt einmal mehr, dass das Problem, um das es hier geht, viel größer ist als die Vorfälle, die berichtet und beschrieben wurden, so ernst die für die Betroffenen sind. Dazu unten mehr.)

ERSTENS: AUCH IN DEINEM THEATER, FREUND*IN!
Es gäbe diverse Theater in Deutschland (und außerhalb), über die ähnliche Enthüllungen nicht nur möglich sondern auch sinnvoll und nötig wären. Wie viele Gespräche haben wir alle darüber schon geführt, wie viele schlimme Geschichten aus ganz Theaterdeutschland gehört und weitererzählt – und wie laut wird überall geschwiegen oder nur „theaterintern“ gesprochen. Wie viele Fälle von Machtmissbrauch oder auch sexueller Belästigung wurden bisher nicht „angezeigt“ oder veröffentlicht? Dass es jetzt ein Theater, einen Intendanten oder seine Spartenleiter*innen trifft, war vielleicht überfällig oder auch notwendig, aber es sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass das kein Einzelfall ist, im Gegenteil. Kommt jetzt ein echtes Gespräch in Gang bzw. werden auch andere Machtmissbräuche etc. an anderen Häusern ähnlich besprochen? Oder geben wir uns damit zufrieden, das Thema an einem Haus, einem Menschen abzuarbeiten? Was hält das Schweigekartell des deutschen Theatersystems eigentlich aufrecht? Ist es wirklich die Angst vor Job- und Statusverlust? Oder ist es auch die Scham darüber, dass wir schon so lange schweigen? Oder liegt es vielmehr an der Scham, die damit verbunden ist, überhaupt Opfer zu werden oder zu sein? Wer sich den #metoo-Verlauf rund um Harvey Weinstein nochmal als historisches Beispiel ansieht, wird darauf Antworten finden. Und die liegen in einer gesamtgesellschaftlichen rape culture und im Alltagssexismus ebenso begründet wie im nach außen so vehement und so lange vertretenen Selbstbild des Theaters als „der andere Ort“, an dem alle schon so aufgeklärt, gesellschaftskritisch etc. seien, weil ja „Künstler*innen“… Aber: welche*r Schauspieler*in möchte schon das Label „Opfer von Intendant*in XY“ für immer an der Jacke tragen? Und wer klebt ihm*ihr eigentlich dieses Label an?

ZWEITENS: WIR ALLE SIND TÄTER UND OPFER DES SYSTEMS
Auch Peter Spuhler ist natürlich nur ein Mensch und kein Monster. Ein Mensch mit Stärken und Schwächen, der Fehler gemacht hat, über Jahre, und aufgrund seiner eigenen Geschichte, Persönlichkeit etc. nur schwer oder kaum dazu in der Lage war, diese anzuerkennen und zu korrigieren. Er ist aber – wie so viele, nicht nur in „seiner Generation“ – damit ebenfalls nicht alleine und Teil und Produkt eines strukturell dysfunktionalen Systems, in dem Intendant*innen als Alleinherrscher*innen lange kein Korrektiv und somit keine echte Notwendigkeit kannten, sich selbst oder eher: ihr Verhalten zu verändern – jedenfalls, solange es keine große Öffentlichkeit über ihre „Verfehlungen“ gab. Neben kontrollsüchtig, überehrgeizig, druckausübend, leider auch ängstlich und cholerisch habe ich Peter Spuhler auch als fürsorglich, ehrlich interessiert, begeisterungsfähig und begeisternd, als inspirierend und inspiriert erlebt. Das entschuldigt nichts! Aber jede*r der*die das hier liest wird andere „Täter*innen“ d.h. Machtmenschen mit Fehlern kennen, mit denen es ihm*ihr ähnlich erging oder ergeht, die er*sie vielleicht auch aus guten Gründen bisher „gedeckt“ hat. Wie kommt es dazu, dass ein theaterbegeisterter, ja theaterfanatischer Mensch mit großem Ehrgeiz und guten Absichten in diesem System zu einem schlechten Chef wird? Diese Frage möchte ich gerne stellen und auch die, inwieweit in uns allen – oder vielen von uns – das Potential für so eine Entwicklung steckt? Wann haben wir, und sei es im ganz Kleinen – eine uns übergebene Macht missbraucht? Oder haben die Grenzen anderer überschritten? Haben unseren eigenen Ängsten oder auch Wünschen den absoluten Vorrang erteilt? Innerhalb und außerhalb des Theaters? Natürlich gibt es so etwas wie persönliche Verantwortung und sicher auch eine größere oder eben kleinere Bereitschaft zur Selbstkritik bei Einzelnen. Aber vor allem gibt es ein System, das man nicht nur der Kritik sondern auch einer Generalüberholung unterziehen sollte.

DRITTENS: WAS IST DER KOPF DES FISCHES, DER SO STINKT?
Was uns meiner Ansicht nach zu kümmern hat, sind also nicht in erster Linie die Einzelfälle und die Einzeltäter, sondern das System, das sie hervorbringt und das VOR ALLEM von den Trägern (SIEHE OBEN), den kommunalen und anderen Förderern genauso gewollt und gefördert wird. Bitte immer ein starker Mann oder naja gut, auch mal eine starke Frau an der Spitze, der*die alles lenkt und regelt, im Zweifelsfall den Kopf hinhält, aber über die innerbetriebliche Führungskultur niemandem Rechenschaft ablegen muss. Der Normalfall, wenns Konflikte gibt, ist Nicht-Verlängerung des Intendant*innen-Vertrags, wenn überhaupt. In diesem speziellen Fall liegt eigentlich ein Rücktritt nahe. Beides meist nicht sehr effektiv – ein Kopf rollt, aber das Königreich mit allen seinen Regeln ist noch intakt. Ist Bestrafung durch Absetzung oder Rücktritt der einzige Weg, wie wir mit solchen Erfahrungen wie diesen umgehen können und wollen? Wie könnte ein sinnvoller Dialog mit der Politik aussehen? Wieso finden die Debatten über Machtmissbrauch am Theater eigentlich keinen nennenswerten Widerhall in der Politik? Welche neuen Systeme können wir erschaffen, in denen es uns allen schwerer gemacht wird zu Täter*innen oder Opfern zu werden, nicht durch Kontrolle, Strafe, Denunziation, sondern durch gegenseitige Unterstützung, Achtsamkeit, Angstfreiheit? Durch neutrale Supervisionen und Mediationen, die auch gefördert werden? Aber vor allem: Durch eine größere Sicherheit, vor allem seitens der Träger, dass die Theater nicht permanent von Kürzungen oder gleich der Abschaffung bedroht sind? Also: Woher kommt denn der Druck, eigentlich?

VIERTENS: OPFERSCHUTZ ODER STATUS QUO?
In Karlsruhe kündigen nun die Träger „Maßnahmen“ an, wie einen „Vertrauensanwalt“ für Kultureinrichtungen und einen „Prozess Zukunft Badisches Staatstheater“, sprechen aber auch von einer „Kampagne“ gegen den Intendanten und das Theater und wollen die bisherigen Aussagen „aus der Anonymität“ holen. Von einer grundsätzlichen Einsicht in die Dysfunktionalität des Systems: keine Rede. Im Gegenteil lässt die Stellungnahme der Träger durchblicken, dass den Betroffenen nicht geglaubt wird („die Faktenlage sei schwer einzuschätzen“) und dem Personalrat wird vorgeworfen, er habe „massiv gegen die gebotene Fürsorge für Persönlichkeitsrechte und die Verschwiegenheitspflicht“ verstoßen und dies sei „nicht akzeptabel“. Ja, die Beschmutzer schmeißt man aus dem Nest. Und das ist in meinen Augen gerade der eigentliche Skandal. Da haben sich Menschen anonym getraut, über ihre Erfahrungen zu sprechen, um sich nun von den Trägern, d.h. den Verantwortlichen der Politik, androhen lassen zu müssen, dass diese aus der Anonymität gezerrt werden, weil sie sonst nicht „verifizierbar“ seien. Die Träger zeigen sich „irritiert“ darüber, dass „gleich eine öffentliche Debatte“ angezettelt worden sei, offensichtlich in völliger Ignoranz den geschilderten Vorgängen gegenüber, die es vollkommen ersichtlich machen, warum eine öffentliche Debatte offenbar sein musste. Denn, wie es in der Erklärung auch heißt, seien der Verwaltungsrat und die Träger des Theaters „allen in den letzten Jahren aus der Mitarbeiterschaft und dem Personalrat aufgeworfenen Vorwürfen gegen die Leitung“ intensiv nachgegangen – aber verändert hatte sich ja dadurch offenbar rein gar nichts.

FÜNFTENS: UM WAS ES EIGENTLICH GEHT
In den Vorwürfen, die aktuell im Raum stehen, ob in der Presse oder auf Instagram, geht auf den ersten Blick alles durcheinander: Leistungsdruck, Klima der Angst, #metoo und auch Rassismus. Auf den ersten Blick sehr disparat, auf den zweiten hat alles mit allem zu tun. Denn es ist anstrengend und mühsam, sich auf all diesen Ebenen auf andere Wege zu begeben. Wir – die Theaterlandschaft – haben erst seit kurzem angefangen, Sexismus, Rassismus oder Diskriminierungen jeder Art, ungerechte oder unsichere Arbeitsverhältnisse, unverhältnismäßigen Leistungsdruck, ungesunde Machtstrukturen an Theatern etc. anzugehen. Das Primat des „genialen Künstlers“, der ausrasten darf, weil das zum Kunst machen irgendwie dazu gehöre, steht noch nicht so lange unter Beschuss, ebenso wenig wie die weiße Hegemonie oder der Gender Paygap. Wir haben gerade erst angefangen zu verstehen, was wir nicht mehr wollen, und die Rezepte, wie wir anders arbeiten könnten, entstehen jetzt gerade, allerdings überall und immer mehr. Immer mehr Leitungsteams, immer mehr Anti-Rassismusklauseln, weiterhin das ensemble-netzwerk und seine ehrenwerten Ableger*innen! Es hat gerade erst begonnen und es wird vielleicht langwierig und kompliziert. Aber es lohnt sich! Und die Diskurse und ihre Folgen sind ja auch nicht in den Theatern entstanden, sondern in der Gesellschaft – drinnen ist draußen und umgekehrt. Es wird Zeit, ein System zu erfinden, dass ohne diesen immensen Druck auskommt, unter dem sich viele Menschen leider nicht zu ihrem Besten verändern oder aber sowieso zusammenbrechen. Ein Ort, an dem Menschen (Macher*innen und Zuschauer*innen) sich auf Augenhöhe angstfrei begegnen und gemeinsam kreativ sind.

SECHSTENS: BILDET RÄTE!
Ich wünsche den Mitarbeiter*innen des Theaters einen guten und konstruktiven Dialog untereinander und dann mit den Trägern, um die inneren Konflikte zu lösen, die gemeinsame Arbeit zu verbessern und die fraglichen Vorfälle aufzuarbeiten. Ob das mit oder ohne Peter Spuhler passiert – das müssen die Mitarbeiter*innen entscheiden! Sie sollten den direkten Dialog mit den Verantwortlichen aus der Politik suchen, aber entschieden auch für ihren (Opfer-)Schutz streiten. Liebe Karlsruher*innen – bildet Räte! Neue, größere, über alle Abteilungen hinweg. Tut euch zusammen! Setzt Euch mit dem OB, der Ministerin, dem Verwaltungsrat zusammen! Fangt selbst an, zu gestalten. Wenn nicht jetzt, wann dann? Und allen anderen rate ich, in ihre eigenen Betriebe zu schauen und sich zu fragen, wie sie dort anfangen können, etwas zu verändern – bevor es sowieso auffliegt.
#27 Karlsruhe: auf AugenhöheEliza 2020-07-07 11:53
Das Problem beim Rätebilden unter Opferschutz, der Anonymität zusichert, ist ja, dass diese Räte dann nur in Vollmaskierung und mit Stimmverzerrung tagungsfähig wären. Und die Beschlüsse solcher einseitig maskierten BeschwerdeführerInnen, die gegenüber konkreten Personenvertretern konkrete Personen demaskierende Beschwerdeinhalte vorbringen, nicht besonders tragfähig für Systemveränderungen sein können...:C
Es käme also darauf an, um hier etwas wirklich zu ändern, Gesicht zu zeigen und konkreten machtmissbräuchliche Vorfällen entweder durch öffentliche Zeugenschaft Gewicht zu verleihen. Oder sich in der Fähigkeit zu üben, gegen Machtmissbrauch, den man selbst erfahren oder mit-erlebt hat, SOFORT eine Retourkutsche zu fahren in die Magengrube des- oder derjenigen, der oder die seine oder ihre Macht einem gegenüber missbraucht hat... Das kann auch sehr systemkorrigierend wirken und behandelt auch Vorgesetzte auf Augenhöhe. Eine Behandlung "auf Augenhöhe" ist keine Einbahnstraße und zu einem Menschen, der andere von oben herab behandelt aus Gewohnheit, gehören Menschen, die sich von oben herab behandeln lassen aus Selbstverständnis. Man kann an beidem arbeiten: Gewohnheiten brechen, Selbst-Verständnis erweitern- Und das kann man auch als Einzelne/r tun. Ich verstehe nicht, wie jemand einerseits eine angstfreie Arbeits-Atmosphäre einfordern möchte und andererseits dafür den "Beschuss" von Primaten als Beginn einer Erfolgsstory abfeiert??? Warum kann man nicht tolerieren, dass jemand druckausübend UND fürsorglich, ehrgeizig UND ängstlich, cholerisch UND begeisterungsfähig ist? Dass jemand vieles gleichzeitig ist? Kommt es nicht vielmehr darauf an, ihn - oder sie - möglichst menschenwürdig diskret an die Angemessenheit seiner Gefühlsäußerungen in ganz bestimmten Momenten undoder an bestimmen Orten zu gemahnen, wenn sein - oder ihr - Temperament GERADE eben mit ihm - oder ihr - durchgeht??? Wenn man möchte, dass jemand ausschließlich fürsorglich, begeisterungsfähig, überblickig, aufmerksam, prinzipiell interessiert usw. ist, dann sollte man sich fragen, ob man nicht vielleicht besser in einer Eierfabrik sein weisungsberechtigtes Arbeitsumfeld oder am besten gleich all seine Mit-Menschen bestellen sollte... Dialoge findet man nach meiner Erfahrung manchmal an ganz anderen Orten und in völlig anderer Art und Weise als man sich das so vorgestellt hat beim Dialogsuchen-
#28 Karlsruhe: keine GeschmacksfragenBaden 2020-07-07 15:28
zu #25, Insider: es geht nicht um Geschmacksfragen! Es geht nicht darum, ob oder warum jemand für was auch immer brennt! Und es geht nicht darum, ob dabei auch "Erfolge" erzielt worden, was auch immer das in dem Zusammenhang sein sollte. Es steht Führungsversagen im Raum und zumindest eine aus dem Ruder gelaufene Arbeitskultur konkret in dem Haus. Jeder, der Peter Spuhler kennt, und sich als Insider bezeichnet, kennt hoffentlich auch die Vorwürfe, um die es geht. Wenn diese Vorwürfe falsch sind, lieber Insider, dann bitte Stellung beziehen. Wenn sie stimmen, oder möglicherweise stimmen: wird das das dann durch die Theaterleidenschaft oder das Wachküssen aufgewogen? Wo gehobelt wird, da fallen Späne, habt euch nicht so? Oder was soll dieser Beitrag wirklich bedeuten? Ernsthafte Frage.
Jedenfalls Zustimmung, das Badische Staatstheater ist spätestens jetzt eine bundesweit beachtete Bühne. Erfolg...
#29 Karlsruhe: Frage an die Schauspiel-LeitungFragender 2020-07-07 16:24
Was ist eigentlich mit all den Frauen um die Schauspieldirektorin herum? Wie schätzen diese die Lage ein? Wieso schweigt Frau Bergmann zur Situation des Generalintendanten?
#30 Karlsruhe: schon Goethekappes 2020-07-07 17:25
Schon Goethe kannte die Menschen im Privaten und in Funktionen:
„Man soll vielmehr nur alles vermeiden, was unwürdig, was gemein ist; man soll sich nie vergessen, immer auf sich und andere acht haben, sich nichts vergeben, andern nicht zu viel, nicht zu wenig tun, durch nichts gerührt scheinen, durch nichts bewegt werden, sich niemals übereilen, sich in jedem Momente zu fassen wissen, und so ein äußeres Gleichgewicht erhalten, innerlich mag es stürmen, wie es will.“ (Wilhelm Meisters Lehrjahre) Aber Goethe kannte noch nicht das Internet....
#31 Karlsruhe: Demut und KritikChristoph Nix 2020-07-07 19:02
Ich habe im Stahlwerk gearbeitet und im Gericht, Ich war Rettungssanitäter, Leiter einer Beschwerdekammer der Kassenärztlichen Vereinigung und stellvertretender Landrat,Ich war Teilhaber einer Kanzlei mit 19 Mitarbeitern, aber ich habe keine Institution erlebt, in der menschliche Makel der Feigheit so hoch liegt, wie im Theater. Am BE gab es Dramaturgen, die mich als Assistent wie Dreck behandelt haben und es gab Intendanten wie Palitzsch, die immer höflich waren, immer auch in großer Not. So wollte ich sein, war es aber nicht, ich habe anonyme Mails und Strafanzeigen erlebt, mein Account wurde gehackt und in mein Büro wurde eingebrochen. Ich habe die Fassung verloren und war ungerecht. Vor meiner letzten Premiere, habe ich einem Beleuchter "Guten Abend" gesagt, er erwiderte, er würde mich nicht mehr grüssen, Ich sei eh bald weg. Ich habe vielen Menschen zu einer Karriere verholfen und hatte den Fehler in mir, ja ich wünschte, dass man manchmal danke sagt. Das war schwach. Einmal hat der große alte Günter Rühle gesagt, wie halten sie das alles aus und das hat mich getröstet. Ja es stimmt, wir sind im Apparat Täter und Opfer, aber wir können uns immer wieder entscheiden, uns zu entschuldigen. Mein Vorteil war, dass ich immer Supervision meiner Arbeit machen liess, dass ich Familie und Freunde hatte, die mir sagen konnten: das ging zu weit, das war nicht gut. Das hat mich gerettet. Ich höre auf, aber ich halte daran fest, hätte es nicht Intendanten gegeben wie Castorf, den alten Mayer, Arnold Petersen, die List in Regensburg oder Wolfgang Engel, das Theater und das Spiel wären ärmer als je zuvor. Ich kenne Peter Spuhler,als er noch ein kleiner Dramaturg in Rostock war, der Aufstieg hat ihn eitel werden lassen, als ich an ihm vorbei vermeintlich nach unten ging, vom Staats- ans Stadttheater, wurde sein Blick arrogant: in Ba Wü fallen nur die Staatskritiker, die Räson siegt und die Oben halten zusammen, ob schwarz ob grün. Peter wäre gut beraten selbstkritisch und in Demut mit Kritik umzugehen. Man mag über Intrigen Nachdenken, sich aber zu loben eines Theaters der Frauen und sie dann wortlos ziehen zulassen, ohne Selbstreflexion ist schwach. Es gilt die alte Regel: in Karlsruhe fällt keiner, man bleibt, aber das wäre doch ein Grund zu sagen: Es muss anders werden und ich selbst bin das Problem, nicht das System.
#32 Karlsruhe: systemisches ProblemKolleg*in 2020-07-07 19:46
@Eliza:
Wer sagt, dass die Räte aus Opfern bestehen müssten/sollten/würden? Und gibt es nicht schon einige Menschen in diesem Fall, die Gesicht gezeigt haben? Vielleicht werden auch noch weitere dazu bereit sein. Aber wenn die, die anonym bleiben wollen (im Sinne einer breiten Öffentlichkeit), dann als weniger glaubwürdig gelten oder deren Aussagen sozusagen aus dem Protokoll gestrichen werden, dann finde ich das äußerst problematisch. Klar muss auch eine Klärung und Differenzierung her, was die verschiedenen Vorwürfe und Aussagen angeht und wer (welche Instanz) sich eigentlich um was dann "kümmert". Aber nicht auf dem Rücken von Menschen, die sich eben nur im Schutz einer Anonymität überhaupt äußern können oder wollen.
Was Deinen/Ihren Punkt angeht, wir sollten uns in "Retourkutschen" üben oder uns selbst auf die Augenhöhe begeben: ja klar! Unlearning hierarchy geht in beide Richtungen, aber das fällt den Menschen "unten" in der Hierarchie zunächst wesentlich schwerer, aus sehr nachvollziehbaren Gründen. Um die also zu empowern, muss Raum und Vertrauen geschaffen werden. Und wer macht das? Leider bisher nicht die Politik, die sich in einer Rechtfertigungs- und Verteidigungshaltung befindet und den Opfern eine "Kampagne" unterstellt.
Ich glaube, bei den Primaten haben wir vielleicht eine Begriffsverwirrung? Ich greife keine Künstler*innen als "Primaten" (im Sinne unserer biologischen Vorfahren) an, sondern benutze den Begriff im Sinne von "das, was an erster Stelle steht". Und dass diese Vorstellung von Kunst machen (das - zumeist männliche - Genie, das rumschreit etc.) nicht mehr an erster Stelle steht, ist eine echte Errungenschaft. Meine Erfahrung ist, dass es sehr gut auch ohne Rumschreien geht, die Lebenszeit weit angenehmer verbracht ist und die Ergebnisse oft auch besser sind ;-).
"Warum kann man nicht tolerieren, dass jemand druckausübend UND fürsorglich, ehrgeizig UND ängstlich, cholerisch UND begeisterungsfähig ist? Dass jemand vieles gleichzeitig ist?" Hmmm, genau darauf weise ich ja hin, oder nicht? Dass wir alle potentiell immer all das in uns vereinen. Es geht aber nicht darum, ob wir das "tolerieren" (lateinisch: erdulden, ertragen), das tun wir ja eh, sondern wie wir es bei uns selbst und anderen verändern, wenn es zur Belastung wird (auch für uns selbst!). Ich glaube, ich muss meinen Punkt nochmal wiederholen, dass für mich das Problem ein systemisches ist, kein (oder jedenfalls nicht ausschließlich ein) individuelles: In welchem Umfeld, mit welchen "Regeln" oder Rahmenbedingungen schafft auch ein cholerischer Charakter, sozialverträglich und kollegial zu agieren. Ihn oder sie "diskret" an die "Angemessenheit seiner Gefühlsäußerungen" zu gemahnen ist im aktuellen System meiner Erfahrung nach oft nur sehr schwer möglich bzw. meistenteils folgenlos. Insgesamt habe ich bei Deinem /Ihren Beitrag hier den Eindruck, man könnte ihn mit "Wo gehobelt wird da fallen Späne" zusammenfassen. Oder?
#33 Karlsruhe: nichts zu sagen ist falschachso 2020-07-07 23:18
#32 Danke für diesen konstruktiven Beitrag. Ich versteh das Ganze jetzt besser. Und wenn nur die Hälfte stimmt, was hier verhandelt wird, dann würde ich mal sagen, da hat einer jetzt einer ein richtiges Problem. Und zu sagen, nichts zu sagen, das ist wohl das Falscheste überhaupt. Ich bin mal gespannt, ob Herr Spuhler das trotz Rückendeckung der Politik "überlebt".
#34 Karlsruhe: was jetzt wirklich zähltLieneweg 2020-07-08 00:24
Ich lese alles was hier geschrieben wird und denke: Seit 5 (fünf) Monaten sind die Theater geschlossen!!! Ob sie im Herbst unter wahrscheinlich minimalsten Bedingungen wieder geöffnet werden,entscheidet ein Virus. Ob die Theater überhaupt wieder zum jahrelangen Status zurückkehren können,weiss niemand! Was aber bedeutet das für die Theaterwelt,für die Theaterschaffenden? Gibt es noch die Oper? Gibt es noch Ensemble,die in festen Verträgen unter Sicherheit arbeiten können?
Das ist doch das,was jetzt diskutiert/ durchdacht werden muss! Was wird aus unserer Jahrzehnte gehüteten Theaterwelt?
#35 Karlsruhe: Kunstfreiheit braucht Angstfreiheit Vorwärts! 2020-07-08 07:25
Sie sagen, so läuft das eben in hierarchischen Systemen. Sie sagen, nur unter Druck kann gute Kunst entstehen. Sie sagen, dass es eben eine Frage der Persönlichkeit ist, das auszuhalten und dass, wo gehobelt wird, eben Späne fallen. Sie sagen, bei Kunst ist eben keine Demokratie möglich. Sie sagen, das wird so ein Genie ja wohl nach sagen und tun dürfen, schließlich gehe es um die Freiheit und den Erfolg der Kunst.

Aber wie kann die Kunst frei sein, wenn nur einige wenige Personen an der Spitze die Macht dazu haben, diese Freiheit zu definieren, während alle anderen Beteiligten in Angst verharren, tun zu müssen was ihnen gesagt wird und Hemmungen haben, sich kritisch zu äußern.

Es ist an der Zeit diese Angst zu überwinden und gemeinsam eine Stimme zu finden:

Wir sagen, Theater sind Erfahrungsräume der Demokratie. Also müssen wir entsprechend produzieren.
Wir sagen, wirkliche Kunstfreiheit braucht angstfreie Räume. Also müssen wir sie schaffen.
Wir sagen wir wollen keinen Machtmissbrauch. Also teilen wir die Macht auf und tauschen sie gegen Verantwortung und die Hierarchie gegen Aufgabenteilung.
#36 Karlsruhe: nicht so weiterAndreas 2020-07-08 09:38
@34 Wann, wenn nicht jetzt? Ist das nicht der ideale Zeitpunkt um offen darüber zu sprechen, wie wir weiter zusammenarbeiten wollen? Theater sind noch geschlossen. Kann es danach einfach so weitergehen wie bisher? Volle Säle, jeden Abend spielen, Schauspieler am Rande des Burn-outs, weil sie 8 Rollen parallel abliefern müssen, Dramaturgen jeden zweiten Abend einen Abenddienst? Publikumsbespaßung ohne Ende, obwohl das nichts an der eigenen schlechten Bezahlung ändert, während der Intendant womöglich sogar noch Boni kassiert für einen Zuschauerzuwachs? Freunde, wo kommen wir denn hin, wenn wir einfach so weitermachen?! Es wird so nicht weitergehen...allein durch den einzuhaltenden Abstand nicht.

Und bitte lenken Sie nicht ab, Frau Lieneweg, sondern schreiben Sie doch hier - offen und transparent - wie Sie mit dem Staatstheater Karlsruhe verbunden sind. Stehen Sie etwa auf der dortigen paylist? Danke.
#37 Karlsruhe: Seelen demoliert für Kunstka...Sich Fragender 2020-07-08 10:12
Zu diesem seltsamen Argument, dass nur unter Druck außergewöhnliche Kunst entstehen kann: ich habe sehr viele Produktionen hautnah miterlebt, bei denen unter großem Druck und mit viel Schikane sehr große, sehr gewöhnliche Kunstka... herausgekommen ist. Mit der Folge, dass ein paar Seelen mehr demoliert, im Betrieb weiter mitgeschleppt wurden oder im besten und traurigsten Fall entschieden haben, dass das nicht die Welt ist, in der sie arbeiten wollen.
Und auch oft erlebt: es geht eben anders und ob dabei große Kunst herauskommt oder nicht, hat NICHTS damit zu tun.
#38 Karlsruhe: GenerationenfrageElfriede 2020-07-08 12:08
Liebe/r Lieneweg,

genau das wird doch jetzt diskutiert: WIE wollen wir weitermachen. Ich persönlich hatte wohl vor allem das Glück, die beiden Male, als ich an einem Theater mit sehr destruktiven Strukturen engagiert war, schnell ein neues Engagement zu finden. Seit einiger Zeit beobachte ich mit viel Freude, dass die jungen Kolleg*innen zunehmend die Strukturfrage stellen und nicht nur nach persönlichen Auswegen suchen. Und ich versuche, sie da wo es mir möglich ist, dabei zu unterstützen. Denn wir müssen genau das jetzt aushalten: Wenn eine junge Generation das Theater in seiner jetzigen Struktur nicht mehr für einen erstrebenswerten Arbeitsplatz hält, hat vor allem meine Generation (nennen wir sie „Generation Spuhler“) kein gutes Vorbild abgegeben. Zu Ihrer Argumentation in Bezug auf Karlsruhe kann ich nur sagen, wenn man es nicht schafft, das Ringen um Inhalte auf Augenhöhe und mit Respekt zu führen, hat man in einer künstlerischen Leitungsfunktion nichts zu suchen. Hier sind wir Künstler*innen gefragt, das klar zu benennen. Und ich finde es grundfalsch, neofeudale Arbeitsverhältnisse durch Machtbündelung mit Steuergeldern zu finanzieren. Hier ist die Politik gefragt, die Struktur zu ändern.
Übrigens: mit der Frage wie es angesichts der derzeitigen Pandemie-Situation mit den Theatern weitergeht, beschäftigt sich nach meinem Kenntnisstand jedes einzelne Theater dieser Republik gerade täglich sehr intensiv.
#39 Karlsruhe: Bitte der RedaktionHeidelberger 2020-07-08 16:37
Liebe*r Heidelberger*in,

können Sie sich unter redaktion@nachtkritik.de bei uns melden?

Mit freundlichen Grüßen, sd/Redaktion
#40 Karlsruhe: BlogTagkritik 2020-07-08 18:31
Ich empfehle als Ergänzung diesen Blog, der schon jahrelang über die Missstände berichtet: badisches-staatstheater-karlsruhe.blogspot.com/
#41 Karlsruhe: GlashausNix da 2020-07-08 20:03
Sollte man mit Steinen werfen, wenn man selbst im Glashaus sitzt? Diese selbstkritische Pose ist wohlfeil und Lippenbekenntnis, lieber Herr Nix, und irgendwie merkt man Ihrem Beitrag sogar an, dass Sie das wissen. Und mit dem Aufhören haben Sie es ja auch nicht so, oder? Aufhören und in sich gehen und dann vielleicht einfach mal was anderes machen ...
#42 Karlsruhe: Verlängerung trotz KritikNiemand 2020-07-08 20:55
Vielen Dank für die ausführlichen Gedanken. Bedenkenswert. Aber: "Wie kommt es dazu, dass ein theaterbegeisterter, ja theaterfanatischer Mensch mit großem Ehrgeiz und guten Absichten in diesem System zu einem schlechten Chef wird? Diese Frage möchte ich gerne stellen und auch die, inwieweit in uns allen – oder vielen von uns – das Potential für so eine Entwicklung steckt?"

Das interessiert erst danach oder nebenbei. Zuerst einmal geht es um einen konkreten Fall, aus dem hoffentlich ein wirklicher Fall (nämlich des Intendanten) wird. Er hat lange genug dem Karlsruher Theater geschadet, vor allem die Opernsparte ist eingebrochen.

Interessant ist die politische Landschaft: Im Verwaltungsrat des Badischen Staatstheaters sind Ministerin Bauer (Grüne) und Oberbürgermeister Mentrup (SPD), der Kulturbürgermeister, der auch jegliche Kritik an Spuhler abwehrt, ist Albert Käuflein (CDU). Die Verlängerung von Spuhlers Vertrag wurde durchgewunken, obwohl damals die massive Kritik der Mitarbeiter schon bekannt war.
#43 Karlsruhe: Oben-unten-Denken überwindenHans Piesbergen 2020-07-08 23:56
Ich denke auch, wie Kollegin Elfriede #38: WANN, WENN NICHT JETZT sollen und wollen wir über Veränderungen nachdenken? (Liebe Frau Lieneweg #34, da sehe ich ganz anders als Sie). Vor wenigen Tagen - und gänzlich unabhängig von den Vorgängen in und um das Staatstheater Karlsruhe und Peter Spuhler - sagte mir eine geschätzte Freundin und ehemalige Schauspielerin-Kollegin, die inzwischen sehr viel mit der "freien" Wirtschaft zu tun hat: 'Nirgends gibt es so verkrustete, altväterische, hierarchische Strukturen, wie in der Kultur.' Das mag etwas übertrieben sein, aber wir alle erleben seit Jahrzehnten (bin 59) wiederkehrend das Gleiche: das "Wir" wird von oben bestimmt; wenn ich Dich brauche "Bussi, Bussi", wenn nicht - weg. Das erleben wir wohl alle in Theater-/Opern-/Tanzbetrieben und in der Filmwirtschaft (über andere Künste kann ich nicht mitreden).
Dass "große Kunst" nur unter Druck entsteht, ist eines der Ammenmärchen, mit denen wir alle aufgezogen wurden (und werden) und die wir daher für wahr erachten - aber wo steht denn das geschrieben? Die tatsache, dass despotische Regisseure gute Arbeit gemacht haben, beweist nichts. Es gibt auch Gegenbeispiele. Ich habe mehrere Jahre mit Robert Lepage gearbeitet. Man mag ihm manches vorwerfen, aber er war nie ein Despot ( und auch er hat geirrt, als es um die Einbindung der First Nation in eines seiner Projekte ging...)...
Klar, es gibt Erfahrung, es gibt unterschiedliche Berufe und Verantwortlichkeiten und daraus entsteht Reibung, auch Kampf.
Aber die Frage eines politischen, im Diskurs befindlichen "Wir", das um Gemeinsamkeiten ringt, eine Sprache dafür findet, bleiben die meisten Kulturbetriebe leider schuldig.
Ich möchte allen Diskutierenden (m/w/d) dringend das Buch von Robert Habeck WER WIR SEIN KÖNNTEN empfehlen - umabhängig von Parteizugehörigkeit und -affinitäten ist das ein flammendes Plädoyer für eine neue (sprachliche) gemeinsame Auseinandersetzung.
Es sei auch allen Intendant*innen und Spartenleiter*innen dringend empfohlen (auch die nicht mehr im Beruf stehenden Herrschaften mögen es lesen...).
Wir müssen am Theater dieses OBEN - UNTEN - Denken, unabhängig von unseren unterschiedlichen Aufgaben im Gesamtbild, überwinden, sonst haben wir demnächst keine Zuschauer*innen mehr, davon bin ich sehr überzeugt.
#44 Karlsruhe: ZusammenhängeBoris Kehrmann 2020-07-09 01:13
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Causa Karlsruhe ist längst ein politischer Skandal. Die Vorsitzende und der Stellv. Vorsitzende des Verwaltungsrates des Staatstheaters Karlsruhe, Kunstministerin Theresia Bauer und OB Dr. Frank Mentrup, haben jahrelang zugesehen, wie die MitarbeiterInnen des Staatstheaters Karlsruhe malträtiert wurden, alle Untersuchungen unterdrückt, alle Fälle vertuscht. Die Liste der jährlichen Motionen des Personalrats seit 2012 an die politisch Verantwortlichen ist beim Personalrat des Staatstheaters anzufordern.

OB Dr. Mentrup hat am 6.12.2020 Bürgermeisterwahl. Über die Verfehlungen von Kunstministerin Theresia Bauer unterrichtet Wikipedia. Also muss die Peinlichkeit schnellstmöglich unter den Teppich gekehrt werden. Wie seit 9 Jahren. (...) Ein Appell an Frau Bauer ist also so zielführend wie einer an den Dorfrichter Adam. Die Causa ist ein Lehrstück darüber, "wie man in der Bundesrepublik Präsident wird". Und wenn man sich weiter mit den Vorgängen in Stadt- und Verwaltungsrat beschäftigt, wird's zur Operette.
Das Karlsruher Streichkonzert steht kommenden Herbst an, da die Stadt 200 Mio Minus gemacht hat und dem Staatstheater ein Drittel seiner Jahreseinnahmen weggebrochen ist. Die Schuld am Streichkonzert wird uns DramaturgInnen dann in die Schuhe geschoben werden.
(...) Aber das Interessante daran ist schon gar nicht mehr die Causa Spuhler
Herzliche Grüße
Boris Kehrmann
#45 Karlsruhe: keine RuheBaden 2020-07-09 10:29
Mir ist schleierhaft, wie es in diesem Fall ohne weitreichende Änderungen konstruktiv weitergehen kann: die Vorwürfe stehen weitgehend unwidersprochen im Raum, eine mächtige Unterstützer-Brigade mit konkreten Gegenargumenten (die nicht im Grunde auf "so läuft's halt in der Kunst, wo gehobelt wird, etc." fussen), das weitreichende, über Jahrzehnte geknüpfte Netzwerk lässt sich nicht blicken, die Politik übt sich bereits in vorsichtigem "sowohl-als-auch".
Es mag sich viel aufgestaut haben, vielleicht ist manches übertrieben. Aber "ich bitte um Verzeihung für mein Verhalten in den letzten 9 Jahren, ab jetzt alles anders" wird wohl nicht ausreichen.
Die Sommerpause mag verlocken, aber das Sommerloch gibt es nun mal auch... voraussichtlich erstmal keine Ruhe in Karlsruhe.
#46 Karlsruhe: Nachfrage und AntwortHeidelberger 2020-07-09 11:26
Liebe Redaktion,

was gibt es denn so Geheimnisvolles, das wir nicht in diesem Forum besprechen könnten? Oder möchten Sie nicht laut sagen, warum Sie meinen Kommentar nicht veröffentlichen? Wahrheiten sind nicht immer angenehm...

Lieber Heidelberger, Ihr Kommentar enthält unüberprüfbare Tatsachenbehauptungen, was gegen unsere Kommentarregeln geht. Der Fall läge eventuell anders, wenn Sie nicht anonym, sondern unter Ihrem Namen posten würden. Mit freundlichem Gruß, sd/Redaktion
#47 Karlsruhe: Leben mit TheaterLieneweg 2020-07-09 13:21
Anonym zu schreiben und mich zu fragen,ob ich Boni bekomme,ist ziemlich unverschämt,ich finde dieses "anonym mailen" sowieso ungut!
Will aber kurz reagieren,da mir" Theater " wichtig ist! Ich bin 83 Jahre alt,habe bei Gründgens in HH angefangen zu spielen und damals gab es nur Theater,kein Film,keinTV etc.nur Theater und wir waren da von morgens bis nachts. Über ganz Deutschland bauten sich die Theater wieder auf und wir wurden von aller Welt für dieses System beneidet.
Ich denke,ich habe in meinem " Leben mit Theater" fast alles erlebt,was man erleben kann.
Peter Spuhler kenne ich seit seiner 1.Intendanz LTT und schätze ihn sehr und war und bin immer bereit für ihn da zu sein! Er ist klug,gebildet,hat riesigen Arbeitswillen und sucht ( suchte) immer neue Möglichkeiten Theater "heutig" zu sehen,zu zeigen. Er ist mutig in Allem und arbeitswütig.
Das alles macht ihñ vielleicht in einer Zeit,wo Arbeit nicht mehr"alles"ist,nicht gerade beliebt und vielleicht will er nicht nur von sich sondern auch von Allen zuviel,aber er ist integer,verlässlich und ein FREUND!
#48 Karlsruhe: mein BeitragSandra 2020-07-09 13:39
ich wüsste auch gern, warum mein Beitrag nicht veröffentlicht wurde. Viele Grüße, Sandra

Liebe Sandra, unter Ihrem Namen oder Ihrer IP-Nummer ist bei uns kein Kommentar eingegangen. Schicken Sie ihn doch bitte noch einmal. Falls Sie unter einem anderen Namen gepostet haben, ist der Grund ein Verstoß gegen unsere Kommentarregeln, die sich für Sie und alle anderen hier finden (bisschen runterscrollen): nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=12&Itemid=102
Mit freundlichen Grüßen, sd/Redaktion
#49 Karlsruhe: Was hat das Schweigen zu bedeuten?Sam 2020-07-09 18:41
Es ist im übrigen so, dass nicht jeder Führungsstil, der einem persönlich nicht gefällt gleich „Machtmissbrauch“ bedeutet. Nicht jede Kritik an der eigenen Arbeit begründet die Beschwörung einer „Kultur der Angst“. Unbedacht eingesetzt können diese Vorwürfe leichtfertig Menschen zerstören. Man sollte damit sehr vorsichtig umgehen. Warum gibt es keine Äußerungen von Jan Linders, Anna Bergmann und Axel Preuß zu den Vorwürfen? Was hat dieses Schweigen zu bedeuten? Und Boris Kehrmann sollte sich nicht so sehr als Opfer inszenieren. Diese Medaille hat auch zwei Seiten. Die einzige Konstante ist der Planet Christoph Nix der verläßlich immer nur um sich selber kreist.
#50 Karlsruhe: FrageNora G. 2020-07-09 18:44
Liebe*r Lieneweg,
"Das alles macht ihñ vielleicht in einer Zeit, wo Arbeit nicht mehr"alles"ist, nicht gerade beliebt" - diese Unterstellung finde ich tatsächlich anmaßend, betrachtet man die vorgebrachte Kritik an Peter Spuhler. Keine der vernommenen Stimmen scheint NICHT für das Theater zu brennen, darum, dass Peter Spuhler mehr "Hingabe" erwartet, als "man zu geben bereit ist" (was auch nicht verwerflich wäre), geht es bei dieser Debatte doch an keiner Stelle. Es stellt sich auch die Frage, aus welcher Perspektive sie Herrn Spuhler seither kennen. Haben Sie jemals (fest,längerfirstig) unter ihm gearbeitet?
#51 Karlsruhe: LoyalitätFreund 2020-07-10 02:02
Liebe Frau Lieneweg, es ist ehrenwert und mutig, dass Sie sich so klar als Freundin von PS hier äußern und Stellung beziehen. Und Ihre Theaterlaufbahn spricht für sich. Nur ist für viele TheaterMenschen überall die Loyalität zur Falle geworden. Wir sollten mit sanftem Mut nun endlich Grenzen aufzeigen und uns von den scheinbar unveränderbaren Verhältnissen nicht mehr einschüchtern lassen. Arbeitswut ist schön, so lange sie sich nicht gegen andere richtet. The times they are a-changing.
#52 Karlsruhe: PSBoris Kehrmann 2020-07-10 08:57
P.S.:
Wir mussten öffentlich sprechen, weil der interne Diskurs 9 Jahre lang nicht gefruchtet hat.
#53 Karlsruhe: Hinweis der Redaktion Redaktion 2020-07-10 09:02
Liebe Kommentator*innen,
ein in diesem Thread herangezogener Vergleich wurde zurecht als grob unpassend kritisiert. Wir haben den entsprechenden Kommentar sowie die auf diesen bezogenen Antworten entfernt.
Viele Grüße aus der Redaktion
#54 Karlsruhe: Loyalität und KomplizenschaftThomas Rothschild 2020-07-10 09:36
Stichwort Loyalität. Die Loyalität gegenüber Arbeitgebern und Vorgesetzten ist die Gegenleistung für die Fürsorgepflicht. Wo diese nicht erfüllt wird, gerät die Loyalitätsforderung zur Erpressung. Sam stellt die richtige Frage: "Was hat dieses Schweigen zu bedeuten?" Das Schweigen, ob durch Vertrag vereinbart wie bei Welser-Möst oder von der baden-württembergischen Kunstministerin Theresia Bauer und dem Oberbürgermeister Frank Mentrup für Karlsruhe ersehnt, wenn sie bedauern, dass aus dem Thema „gleich eine öffentliche Debatte“ gemacht worden sei, ist ein anderes Wort für Knebelung und mit einer der Grundvoraussetzungen der Demokratie nicht vereinbar. Nicht weniger, sondern mehr Öffentlichkeit ist das Gebot der Stunde. Wer verschweigt, was der öffentlichen Debatte bedarf, und sich auf Loyalität ausredet, macht sich zum Komplizen. Nicht bloß bei #Me Too.
#55 Karlsruhe: alles wahrEhemaliger 2020-07-10 09:57
Dann noch mal so: als ehemaliger Mitarbeiter des Badischen Staatstheater, kann ich alle Vorwürfe bestätigen, die hier oder im Personalrat geäußert wurden, und, ja, auch ich möchte anonym bleiben, nicht aus Häme sondern aus Selbstschutz. Herr Kehrmann hat hier in den Kommentaren angeboten, auf Anfrage 65 (!) Zeugenaussagen zu verschicken. Die Fluktuation der Mitarbeiter, egal ob in Dramaturgie, Regie, Schauspiel, Oper als "Sprungbrett" kleinzureden, ist angesichts der überwältigenden Menge an Aussagen der vom Haus Geflohenen absurd. Und liebe nk-Redaktion werden Sie in Recherche aktiv und , fragen Sie bei Frau Lieneweg selbst nach, ob sie vom Badischen Staatstheater ein Honorar bekommt, da sie sich seit 5 Diskussionsbeiträgen um eine Antwort drückt.

---
Lieber Ehemaliger,
wir haben bei Frau Lieneweg nachgefragt. Sie hat geantwortet, sie stehe Peter Spuhler "seit der Bildung des Ensembles des LTT beratend zur Seite". Als Beraterin bezahlt worden sei sie noch nie. Es habe "sich 'nur' eine wirkliche Freundschaft entwickelt".
Viele Grüße,
miwo (Redaktion)
#56 Karlsruhe: AbgründeBeobachter 2020-07-10 10:01
Es scheinen sich weitere Abgründe in Karlsruhe aufzutun. Wenn sich das bewahrheitet, wird es auch für Spuhler schwer, hier keine Verantwortung zu übernehmen:

bnn.de/lokales/karlsruhe/mitarbeiter-und-minderjaehrige-berichten-von-sexueller-belaestigung-am-badischen-staatstheater
#57 Karlsruhe: größer denkenmartin baucks 2020-07-10 15:19
Irgendwie ist der Konflikt unglaubwürdig. Ausgerechnet Spuhler, der für sich in Anspruch nehmen darf, Dinge wirklich anzuschieben, soll auf der anderen Seite ein Klima der Angst verbreiten, gar ein Kontrollfreak sein, der andere in ihrer Kreativität extrem einschränkt, so dass sie nicht mehr arbeiten können. Gäste werden also engagiert, statt aus dem Ensemble zu besetzen. Das soll einen autoritären Stil begründen? - Ich bin sicherlich der Letzte, der für Spuhler eine Lanze brechen möchte. Ich mag es nicht, wenn Menschen gefährlich über das Ziel hinausschießen und eine inoffizielle Quote gleich zu Hundert Prozent erfüllen wollen. Und vorstellbar ist es, dass er mit einem solchen Potential auch in anderen Gebieten recht forsch sein kann. Aber gleich zu einem autoritären Leiter mutieren? Nein. Seine Betroffenheit über den Vorgang erscheint mir glaubwürdig. Menschen sind aneinander geraten und haben sich auseinander gelebt und gearbeitet. Das ist immer traurig und es gibt nie nur einen Schuldigen dafür. - Momentan schläft die Kunst und ich fürchte, sie ist auf dem besten Weg ihre Systemrelevanz komplett einzubüßen. Da erscheint mir die Fortsetzung dieser doch sehr üblichen Debatte wirklich unangemessen. Alle tun so, als ob man einfach so weiter machen könnte im Debattenstil. Sie setzen den Kampf um Musterbetriebe einfach fort, ungeachtet der Tatsache, dass größere Konflikte im Raum stehen, viel grundsätzlicher Natur. Auch glaube ich nicht an die positive Wirkung von Musterbetriebe in die Gesellschaft hinein, so dass sich das ideelle Schaffen der Leitung und Mitarbeiter direkt über die Bühne auf die Gesellschaft umsetzt. Im Gegenteil. Ich denke Musterbetriebe, wie sie hier wiederum angestrebt werden, verkürzen die Relevanz von Bühnen um gesellschaftliche Widersprüche, Gereiztheiten und Launen, ja um den irrationalen Kern, der allem menschlichen Leben innewohnt. Wir sollten den Menschen am Theater nicht besser machen, als er tatsächlich in seiner Fehlbarkeit ist. Das gilt auch für Spuhler schützend. Nicht in dieser Zeit der vielfachen Bedrohung auf allen Ebenen für die Kunst.
#58 Karlsruhe: WhataboutismDaniel 2020-07-10 16:55
#56 mit Verlaub, Herr Baucks, in ihrer Überzeugung kann ich Sie nicht ändern...aber zur Debatte trägt es nicht wirklich bei.
Den Vorwurf des Machtmissbrauchs können wir als Aussenstehende nicht entkräften. Die schwächere Fraktion der Bezeiligten, in diesem Fall die Mitarbeitenden, sind diejenigen Menschen welche zu beurteilen haben, ob eine Aussage von PS in diesem Zusammenhang glaubwürdig erscjeint oder nicht.
Desweiteren das Argument des "Irgendwie ist der Konflikt unglaubwürdig. Ausgerechnet Spuhler, der für sich in Anspruch nehmen darf, Dinge wirklich anzuschieben, soll auf der anderen Seite ein Klima der Angst verbreiten, gar ein Kontrollfreak sein, der andere in ihrer Kreativität extrem einschränkt, so dass sie nicht mehr arbeiten können" ist keines, weil weswegen darf er sich dies zuschreiben? Wer bestimmt dies?
Ihre weitere Argumentation liest sich leider wie ein klasdischer #whataboutism zur Sache. Um Relevanz von Bühnen geht es nicht, sondern um den Umgang in solchen.
Ihre berechtigte Sorge um die Bedrohungen der öffentlich getragenen Kulturinstitutionen verstärkt dies leider nicht.
#59 Karlsruhe: frustrierendFreund 2020-07-11 10:17
bnn.de/nachrichten/suedwestecho/nach-belaestigungsvorwuerfen-mitarbeiter-am-badischen-staatstheater-in-karlsruhe-freigestellt

Passiert jetzt, was immer passiert? Einer muss (offenbar berechtigt) gehen, ein Bauernopfer ist erbracht, der Intendant bleibt im Amt und kann sich dadurch rehabilitieren, dass es bei ihm ja „nur“ um schlechten Führungsstil ging - und mit einer Entschuldigung kann man den ja locker wieder gut machen ... War was? Es ist wahnsinnig frustrierend.

Liebe Redaktion, wird es nicht Zeit, dass Ihr Euch mal journalistisch engagiert? Warum werden Euch keine Berichte aus deutschen Theaterbetrieben zugestellt, warum versucht Ihr gar nicht erst, Fakten zu sammeln? Ihr begnügt Euch damit, nicht verifizierbare Kommentare nicht zu veröffentlichen. Ist es Euch egal, wie es hinter den Kulissen aussieht? Reicht es Euch, über Thomas Schmidts Studie zu berichten oder Debattentexte über Machtmissbrauch zu veröffentlichen - aber nicht die harten Fakten auszubuddeln? Welche Rolle spielt Ihr in diesem Spiel?

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Lieber Freund,
wir beobachten die Vorgänge am Staatstheater Karlsruhe sehr genau und bilden neue Kenntnisstände tagesaktuell ab. Etwa durch die oben stehende Presseschau.
Wir finden zudem, dass die BNN journalistisch in dem Fall sehr gute Arbeit machen. Wir sind ein überregionales Medium und können diese Arbeit oft praktisch nicht in der Form leisten, wie das eine ansässige Zeitungsredaktion schafft. Lokale Medien sind viel näher dran am Geschehen. Wir würden also derzeit kaum mehr „harte Fakten“ ausbuddeln können als die BNN es derzeit Tag für Tag tun. Vom Kenntnisstand der Kolleg*innen ausgehend, recherchieren wir selbst und prüfen ständig, wie wir auf die Lage journalistisch reagieren.
Viele Grüße,
miwo (Redaktion)
#60 Karlsruhe: Einfach unglaublich!Marina 2020-07-11 12:38
Wieder einmal ein Lehrstück, was MACHT aus einem Menschen machen kann. Ehrgeiz, hohe Ziele, hohe Erwartungen an andere, das Streben nach Erfolg und Anerkennung – das ist in einem GESUNDEN Maße legitim. Geht das aber einher mit mangelndem Respekt, mit ständigen cholerischen Ausbrüchen, Erzeugung von Druck und Angst und Überschreitung von Grenzen - in dem Wissen, dass sich die „Untergebenen“ in einem Abhängigkeitsverhältnis befinden -, dann darf man das weder verschweigen noch kleinreden oder ignorieren. Für mich ist die Aufsichtsbehörde ihrer Fürsorgepflicht gegenüber den Mitarbeiter*innen nicht nachgekommen, wenn diese Vorwürfe bereits vor Jahren (!) an sie herangetragen wurden. Und es ist eine unglaubliche Ignoranz den Mitarbeiter*innen und dem Personalrat des Theaters gegenüber, nachdem diese jahrelang vergeblich auf eine Lösung gehofft hatten, ihnen nun vorzuwerfen, sich in einem Offenen Brief hilfesuchend an die Öffentlichkeit gewandt zu haben.

Wenn ich ein paar Milliönchen hätte, würde ich den Mitarbeiter*innen sagen: Zieht geschlossen und solidarisch vondannen, ganz nach dem Motto: Stell dir vor, es ist Theater, und keine*r steht auf der Bühne! Ich würde euch ein halbes Jahr finanziell unterstützen, bis ihr ein neues Engagement gefunden hättet. Ich wünsche euch viel Kraft und hoffe, dass es bald eine gute Lösung für euch gibt und vielleicht der eine oder andere wieder an euer Haus zurückkehren mag. Kaum etwas ist schlimmer, als unter so einem Chef arbeiten zu müssen.Das macht auf Dauer krank.
#61 Karlsruhe: P.S.Marina 2020-07-11 12:58
Und ich habe doch auch noch eine klitzekleine Frage: Würde sich dieser Mann gegenüber Vorgesetzten oder Geldgebern wohl genauso verhalten, wie er sich seinen "Untertanen" gegenüber verhält? Würde er mit ihnen so umspringen? Nein? Warum das denn nicht? Was würde wohl DANN mit ihm passieren?
#62 Karlsruhe: GötterdämmerungDaniel 2020-07-11 15:52
Es ist schon auffällig:

Unter den zahlreichen Kommentaren zur Führungsqualität finden sich nur sehr, sehr wenige, die Spuhler verteidigen. Hängt es vielleicht damit zusammen, dass die Vorwürfe wahr sind?

Selbst diejenigen, die im Amschluss an ihr Engagement bei Spuhler eine Karriere in anderen Theatern gemacht haben (und derer gibt es eine Handvoll), selbst diese Kollegen melden sich nicht zu Wort und verteidigen ihren ehemaligen Chef. Warum wohl? Vielleicht ist Ihnen bewusst, dass sie nicht wegen, sondern trotz Spuhler Karriere gemacht haben?

(...)

Andere Unterstützer oder Befürworter haben sich bis jetzt nicht geäußert. Weil es keine gibt? Noch nicht mal aus Heidelberg - man Spuhlers Leistung, das dortige Theater gerettet zu haben, wahrlich nicht von der Hand weisen kann - vernimmt man keine verteidigende Stimme.

Auf der anderen Seite ist die Liste derer, die die Vorwürfe gegen Spuhler aus eigener Erfahrung bestätigen können, sehr lang.
Und vermutlich sind die von Nachtkritik nicht veröffentlichten Kommentare weniger von überschwänglichen Lobeshymnen geprägt, sondern zeugen eher von tiefen emotionalen Verletzungen. Dass dies auch mal nicht überprüfbare Thesen beinhaltet, liegt in der Natur der Sache einer "Kultur der Angst".

Es ist schade, dass sich Nachtkritik hier nicht eindeutig positioniert. Nicht unmissverständlich klar macht, dass Spuhlers Theater nicht das Theater ist, für das sie stehen. Dass sie kein Theater gutheissen, dass auf Unterdrücküng, Manipulation und eine Kultur der Angst gebaut ist. Dieses Schweigen ist auch ein Schlag ins Gesicht der Opfer und spielt Spuhler in der Karten. Nicht NEIN zu sagen, bedeutet leider in der Konsequenz keine Neutralität, sondern vielmehr schweigende Zustimmenung. Es stellt sich die Frage, ob es auch hier lang zurückreichende Seilschaften gibt, die dazu führen, dass man Spuhler nicht noch das Messer in den Rücken stechen will.

Bis gestern dachte ich noch, dass Spuhler auch diese Krise überlebt, denn er ist ein Meister des Krisenmanagements. Vorwürfe von Mitarbeitern, von kleinen Rädern im grossen Theatergetriebe, können einem Narzissten vom Schlage eines Spuhler nichts anhaben. Vor allem nicht in einem System, das solches Verhalten begünstigt.

Aber ein Fall von sexueller Belästigung - sollte sich dieser Vorwurf als wahr erweisen - an seinem Theater in Zeiten von #metoo, in seinem Verantwortungsbereich, das wird ihm zum Verhängnis werden. Das kann kein Politiker in Hinsicht auf seinen Ruf und die anstehende Wiederwahl tolerieren oder schön reden. Die Götterdämmerung ist eingeleitet.


- - -
*Dieser Kommentar wurde um eine Passage gekürzt. Frau Lieneweg hat gegenüber der Redaktion bezüglich ihres Verhältnisses zu Peter Spuhler Stellung genommen. Es erscheint uns nicht förderlich für die Debatte, ihre Motive, Spuhler zu verteidigen, nun noch weiter zu befragen. Schon, weil sie nur deshalb hier angegriffen wird, weil sie unter Klarnamen schreibt. Vor allem aber, weil es in diesem Thread nicht um Frau Lieneweg geht, sondern eben um Peter Spuhler und das Staatstheater Karlsruhe.
Viele Grüße aus der Redaktion,
miwo
#63 Karlsruhe: DiffamierungEliza 2020-07-12 11:54
Darf man den Kommentar #62 so verstehen, dass das letzte Mittel, Leute in mehr oder weniger politisch geschützten Führungspositionen loszuwerden darin besteht, ihnen einen - unter Selbst- oder "Untergebenen"-Beteiligung - Sex-Skandal unterzuschieben und DAFÜR das debattenbewährte #metoo das ultimative Mittel ist? - Das wäre ja wirklich ein ungemein großer Dienst, der damit der metoo-Debatte geleistet würde - sozusagen eine Diffamierung von berechtigtem Aufbegehren gegen sexuellen Missbrauch von hinten durch die Brust ins Auge, ein Macht-Missbrauch des Aufbegehrens gegen sexuellen Missbrauch unter dem Deckmantel der Bekämpfung von Machtmissbrauch - Danke, toller Vorschlag für eine Super-Alternative zur Auseinandersetzung mit Macht, Daniel: Eine GöttERdämmerung wird eingeleitet...
#64 Karlsruhe: befremdetAngelo 2020-07-12 11:57
Hm, hm, hm. Selbst wenn alle Vorwürfe zutreffen, die im Raum stehen, befremdet mich diese Hetze gegen eine Person, dieses hier veranstaltete Schlachtfest doch etwas. @Nachtkritik, da würde ich auch von Seiten der Redaktion irgendwann mal einen Punkt setzen.

Jede/r dahergelaufene anonyme User tut hier seine Meinung kund? Ich habe auch eine Meinung zu den Vorgängen, aber wie wohl bei den meisten hier fußt sie vor allem auf Hörensagen, Mini-Einblicken und Vorurteilen. Ich mag es nicht, wenn auf dieser Basis das Fallbeil niedergeht.
#65 Karlsruhe: StrukturenCarla 2020-07-12 12:30
Ist möglicherweise in Karlsruhe (und anderen ähnlich strukturierten Häusern) das System der Leitungspositionen das Problem? Vielleicht schweigen auch die Chef*innen in Karlsruhe, weil sie Teil der Problematik sind. Offenbar ist es nicht so, dass die einzelnen Spartenleiter*innen sich gegen die hierarchischen Strukturen verwehren, sondern sie möglicherweise für sich in ihrer Sparte fortsetzen - sonst wären doch die Auswirkungen nicht so vehement, wenn es von den Chef*innen mehr Widerstand gegen den Chef gäbe? Gerade bei einem Haus, das so viele Chef*innen hat, mutet es merkwürdig an, dass sich die Diskussion nur auf Spuhler konzentriert. Eine Übererfüllung von Quoten bedeutet ja noch nicht, dass sich an Machtstrukturen etwas ändert.
Vielleicht sollten die Theater und Politik einmal mehr auf die Strukturen blicken und diese hinterfragen - nicht nur in Karlsruhe.
#66 Karlsruhe: StrukturproblemChristian Lugerth 2020-07-12 17:29
Zu # 62: Was für eine schöne Utopie von gelebter Solidarität! Mal eben im Lotto zu gewinnen und damit Kollegen finanzieren, jenen so Zeit schaffen für das Nachsinnen und um Abstand zu gewinnen. Ich schätze derlei gute Wünsche. So ein bisserl „imagine“ von John Lennon. Und freue mich einfach, daß jemand so denkt und dies öffentlich macht. Leider befürchte ich – und dies wird Meister oder Meisterin Corona wohl beschleunigen – daß der schon seit etlichen Jahren grassierende Prozess der Individualisierung und so Entsolidarisierung (auch so ‘n Virus) an den Theatern kaum mehr umkehrbar ist. Auch deshalb scheint es mir angeraten die Diskussion zu entpersonalisieren und vor allem über die Strukturen zu debattieren. Die Namen der leitenden „Übeltäter“ sind Schall und Rauch. Müssen wir, die wie auch immer abhängig Schaffenden (und das sind die meisten der am Theater agierenden und Selbstständigkeit behauptenden Menschen) uns nicht an die eigenen Nasen fassen? Wie stützen wir dieses System? Dieses Netz von Abhängigkeiten? Wovor haben wir Angst? Ängste haben ihre Berechtigung, klar. Aber wo gucken wir weg, lassen uns spalten, fallen Kollegen in den Rücken, ohne daraus irgendwie künstlerischen Gewinn zu ziehen? Wie gehen wir um mit Kollegen, die schon früh auf eventuelle Missstände hingewiesen haben? Warum schwänzen wir Ensembleversammlungen? Schweigen auf Betriebsvollversammlungen? Relativieren eindeutige Missstände an unserem Arbeitsplatz? Wie oft habe ich in den Kantinen und Kneipen den fürchterlichen Satz gehört: „An dem und dem Theater ist es ja noch schlimmer?“ Oder wenn ein Kollege sich in die Krankheit flüchten musste? Rufen wir den an? Streiten wir noch oft genug um die Sache, warum wir überhaupt Theater machen? Ereifern uns über Inhalte? Oder wollen einfach nur unsere Ruhe? Sind gerne erleichtert, wenn ein „Störenfried“ oder „notorischer Nörgler“ endlich schweigt? Wie schnell lässt man sich von den Strukturen und den diese am Leben erhaltenden Machtmenschen und - menschinnen auseinanderdividieren? Zu oft, denke ich. Viel zu oft! Das wird nicht einfach werden die nächsten Jahre an den Theatern, aber – und dies ist das wichtige an dieser Debatte – sich einzuigeln, den Status quo zu verteidigen und einen Stacheldrahtzaun des Abnickens um sein eigenes Engagement zu bauen, in der Hoffnung es möge so erhalten bleiben, das wird nicht funktionieren. Deshalb müssen die Strukturdebatten gerade jetzt geführt werden. Zurück nochmal zu # 62: Schlimmer noch als die Tatsache, daß Aufsichtsräte, Theaterverein, politische Träger ihre Aufsichtspflicht oft nicht wahrnehmen, scheint es mir, daß ihnen gar nicht bewusst ist, daß sie eine solche Aufsichtspflicht haben. Hatte unlängst ein längeres Gespräch mit Politikern zu einer ähnlichen Causa in Sachen Theaterstrukturen und Machtmissbrauch. Zur angesprochenen Problematik wollte man sich nicht direkt äußern, aber wir gingen auseinander mit dem Satz: „Wir hatten unlängst eine Führung durch das Theater. Unter welchen Bedingungen Sie da arbeiten müssen! War ich schon erschrocken!“ Wie sagt man so schön. Da ist noch Luft nach oben, in Sachen Aufsichtspflicht.
#67 Karlsruhe: Lesen bildet!Bill 2020-07-12 18:25
Ich empfehle allen, mal wieder "Hexenjagd" von Arthur Miller zu lesen.
#68 Karlsruhe: zwei ThemenKolleg*in 2020-07-12 22:09
#Angelo/64: Ist das hier ein "Schlachtfest", wirklich? Es bemühen sich einige um einen differenzierten Blick und auch die BNN berichtet sehr sachlich und nicht tendenziös. Und es ist nunmal der erste in dieser Weise öffentlich diskutierte Fall. Vielleicht - hoffentlich - folgen weitere und eine breitere (vielleicht auch auf NK angestoßene?) Diskussion, wie solche Fälle aufgearbeitet werden können, zum Schutz aller auch ohne die große Öffentlichkeit? Wie könnte das aussehen? Wie blicken andere Intendant*innen auf diese Debatte, das würde mich interessieren. Erfinden wir nun Wege, wie es auch anders geht? Wie könnten diese aussehen?

#Eliza, ja: Götter- UND Göttinnendämmerung ist angesagt. Denn der Terminus besagt genau das: das hierarchische Leitungsmodell an sich steht hier zur Debatte und (zu Recht) unter Beschuss. Denn es ist genauso der Nährboden für ein "Klima der Angst" wie für sexuellen Missbrauch oder Belästigung. Machtmissbrauch kann sich auf viele Arten äußern und Machtkonzentration auf einzelnen Personen ist das Problem, auf das auch die Studie von Thomas Schmidt und viele andere (nicht auf das Theater bezogene) Studien hinweisen.

#Daniel: Warum so wenige Spuhler verteidigen liegt denke ich auf der Hand - auf seine Verdienste hinzuweisen wäre angesichts der Berichte über den Führungsstil etc. ein Hohn für alle, die dieses System (oder ähnliche Systeme an anderen Theatern!) erlebt und unter ihm gelitten haben. Machen die "Verdienste" jedes*r Intendant*in die Umstände "wieder gut", unter denen sie erreicht wurden? Und - so komplex ist die Situation nunmal - wir alle, die wir in solchen System waren oder sind, tragen und trugen erstmal dazu bei, dass es so lange funktioniert hat und immer noch funktioniert. Wie schwer es ist, das Schweigen zu durchbrechen, zeigt die Debatte über den Opferschutz und die Anonymität. Wer möchte schon gerne Opfer sein? Und wer möchte gerne "nachtreten" oder zum Ankläger werden und eine Karriere nachhaltig beschädigen oder zerstören? Das alles in die Öffentlichkeit zu zerren tut weh, es hält uns allen einen ganz schön häßlichen Spiegel vor. Aber wie schon Boris Kehrmann hier formuliert hat - es war offenbar - leider! - nötig. Bleibt sehr zu hoffen, dass wir die Fratze im Spiegel als Aufforderung dazu nehmen, uns selbst und unsere Arbeitsweisen zu hinterfragen und aktiv zu werden. Einzelne bashen - so berechtigt das erstmal erscheint oder ist - ist in der Tat langfristig wenig wirksam. Wird diese Debatte hier das Sommerloch überleben? Was kommt danach?

Und was das angeht gibt es eben zwei Themen: Einerseits die Frage, wie "gute Führung" geht, ob es überhaupt hierarchische Führung braucht, ob sie kunstförderlich und ethisch gut ist und wie eine andere "Theaterleitung" gehen könnte, was es dafür braucht und wer eigentlich dafür sorgt, dass es sich ändert - und andererseits der Vorwurf der Belästigung gegen einen Theatermitarbeiter, der nun ermittelt und hoffentlich aufgeklärt wird. Beides hängt zusammen (durch das Machtsystem), sollte aber getrennt diskutiert werden. Justiziabel ist schlechter oder belastender Führungsstil erstmal nicht - dafür aber sehr wohl ethisch und strukturell diskutierbar.
#69 Karlsruhe: Dank an PersonalratDetlev Hahne 2020-07-12 22:27
Danke an den Personalrat, mit diesem Thema an die Öffentlichkeit zu gehen und solchen Machtstrukturen entgegen zu wirken. Das Theater an dem ich 35 Jahre beschäftigt war, und dann knapp 2 Jahre vor der Rente meinen Vertrag wegen für mich unerträglichen Arbeitsbedingungen „hingeschmissen“ habe - erst Auflösung zum Ende der Spielzeit - dann aber im Mai aufgelöst entweder Auflösung oder Krankschreibung. In der Hausordnung gibt es den Passus: Es ist untersagt über Theaterinterna in der Öffentlichkeit zu sprechen. Damit tritt gewissermassen ein Maulkorberlass in Kraft.
Mich betrifft es jetzt in Rente nicht mehr - aber die die Kollegen, die noch einige Jahre vor sich haben, werden sich mit Kritik oder Vorwürfen sicher zurückhalten, da sich gut vernetzte Intendanten Störenfriede sicher nicht wieder engagieren werden.
Es ist wirklich an der Zeit ernsthaft über einen Systemwechsel nachzudenken um solche „Theatermacher“ oder „Despoten“ zu verhindern!
Da wünscht man sich mit einen dicken Augenzwinkern wieder einen „Striese“
#70 Karlsruhe: Wut und Tränenfelix 2020-07-12 22:56
In der Tat könnte es sich auch um ein strukturelles Problem zu handeln, das für das Schweigen verantwortlich ist. Immerhin beschreibt (...) in dem auf NK verlinkten Instagram Account so:"Das Badische Staatstheater ist für mich, wenn die Schauspieldirektorin zu einer Probe (nicht ihre eigene Produktion) kommt, einen Wutanfall bekommt und am Ende das ganze Ensemble weint."
#71 Karlsruhe: VerteidigungDramaturg:in 2020-07-12 23:04
(...)
Die Führungskultur ist falsch und defekt, in weiten Teilen der Szene, und es ist gut und richtig und überfällig dass wir darüber sprechen, aber ich finde es schade, dass ausgerechnet Peter Spuhler als einziger angeklagt wird - und jede:r, der/die ihn namentlich verteidigt, mit ihm.

(Liebe*r Dramaturg:in, den ersten Teil Ihres Kommentars können wir nicht veröffentlichen, weil sich die Erfahrungsberichte bzw. Tatsachenbehauptungen darin für uns unter den gegebenen Umständen nicht überprüfen lassen. Freundlich, die Redaktion)
#72 Karlsruhe: FührungskulturAndreas 2020-07-13 10:07
@71 In der Tat ist es hart, wenn ein Einzelner den Kopf hinhalten muss. Aber Peter Spuhler wollte nun mal Generalintendant sein und verdient auch seiner Position entsprechend. Das ist auch sein Schmerzensgeld. Wahrscheinlich ein Vielfaches ihrer Dramaturg*innengage. So funktioniert nun mal unsere patriarchal strukturierte Führungskultur. Manager*innen lassen sich für ihre Erfolge feiern, erhalten mehr Gehalt, müssen aber auch in Krisen oder für ihr unglückliches Agieren gerade stehen. Es ist im Übrigen auch im Interesse der Politik, einen einzelnen Ansprechpartner und Verantwortlichen zu haben. Auch das ein Hinweis darauf, dass diese Art der Führung, die Peter Spuhler und viele andere Intendantinnen gesucht und gefördert haben, in Zeiten digitaler Vernetzung (und Shitstorms) womöglich nicht mehr zeitgemäß ist. Der Backlash ist umso härter.

In der freien Wirtschaft wäre diese Form von Stellenbesetzung und Machtkonzentration undenkbar. Das gibt es vielleicht noch in familiär geführten Betrieben mit bis zu 300 Mitarbeitern. Ansonsten erleben Sie ein Bewerbungsverfahren in dem Sie ein Assessment durchmachen, psychologisch geprüft und von Fachpersonen eingeschätzt werden, ob Sie für eine Führungsposition überhaupt tauglich sind. Auch später erhalten Sie Weiterbildungen und sind dazu aufgefordert als Führungskraft ihre Skills kontinuierlich zu erweitern. In modern geführten Betrieben lernen zuerst die Mitarbeiter ihren künftigen Chef kennen und geben Einschätzungen ab, ob sie sich mit ihr/ihm eine Zusammenarbeit vorstellen können. Erst im zweiten Schritt führt der CEO ein Bewerbungsgespräch. Am Staatstheater Karlsruhe wird halt ein Technischer Direktor ohne Bewerbungsverfahren eingestellt, da der GI gut mit ihm konnte. Modern oder zeitgemäß ist das nicht. Und siehe da, es rächt sich auch.
Und kommen Sie jetzt nicht damit, dass Theater anders sind oder Kunst per se. Einen Betrieb mit 750 Mitarbeitern zu führen ist kein künstlerischer Job. Das muss man können und die nötige Erfahrung dafür mitbringen. Micromanagement, wie es die meisten Intendant*innen betreiben, weil sie das vom Regieführen her kennen, ist leider die falsche Führungsform mit 20+ Mitarbeitern. Ein/e künstlerisch hervorragende/r Regisseur*in ist nicht automatisch eine gute Führungskraft für einen Theaterbetrieb. Auch sowas, wo die Politik oder die tollen "Vitamin-B-rulez"-Findungskommissionen regelmäßig gezielt wegschauen. Die Arroganz und der Hochmut dieser regelmäßig intransparent zusammengestellten Gremien sind für Theatermitarbeiter das eigentliche Problem. Wieso können sich die einbringen, aber nicht die Mitarbeiter am Theater? Wieso kann U. Khuon Empfehlungen für zig Intendanzen aussprechen, Schauspielerin X aus Stuttgart für das Haus an dem sie seit 7 Jahren arbeitet, aber nicht? Die Intendantinnengruppe wird ja schon wissen, was gut für sie ist. Klar, ihr wird ja auch mit dem Intendant*innenwechsel gekündigt: Hire & Fire. Das ist das System am Theater. Da soll mir noch einer kommen und sagen Theater wären keine neoliberal organisierten Klitschen. Es sind widerwärtige, mafiös strukturierte Betriebe, die Abhängigkeiten kultivieren. Die designierten Intendant*innen fangen dann an und wissen meist nicht wo oben und unten ist. Woher auch? In der Wirtschaft hätten sie das fachliche Niveau von Teamleitern. Und die verdienen oftmals nicht mehr als Dramaturginnen. Warum wohl...
Die Theater haben die Entwicklung der letzten 25 Jahre verschlafen, gerade weil sie öffentlich geförderte Institutionen sind und weil die Kulturpolitik null Interesse daran hat, diese Betriebe zu erneuern. Kostet ja was und bedeutet Aufwand. Bauer und Grütters schmücken sich da lieber mit Prestigeprojekten oder überdimensionierten Bauprojekten. Kunst, die gedeihen soll, braucht aber Apparate, die zeitgemäße Kunst auch zulässt. An den letzten Krisen, verteilt über den gesamten deutschsprachigen Raum sieht man doch, dass diese Apparate faul und zerstörerisch geworden sind.
#73 Karlsruhe: dankechristine 2020-07-13 10:59
an andreas
#74 Karlsruhe: interessantDramaturg:in 2020-07-13 14:12
Liebe Redaktion, interessant: anonym anklagen geht, anonym verteidigen nicht?

(Lieb:e Dramaturg:in, hier finden Sie unsere Kommentarregeln: www.nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=12&Itemid=102 – freundlich, die Redaktion)
#75 Karlsruhe: GewaltenteilungMarina 2020-07-13 17:37
#66/Christian: Vielen Dank für Ihre wertschätzenden Worte, über die ich mich SEHR gefreut habe. Ja, es hat etwas von John Lennons "Imagine". Eigentlich weiß ich, dass DER MENSCH sein Leben lang mit dem guten und dem bösen "Teufelchen" kämpft und mal das eine, mal das andere füttert. Das ist selbst bei den Frömmsten so, und ich kenne einige! Meine Beobachtung in der Welt: Das böse "Teufelchen" wird erschreckend adipös, das gute leidet zunehmend an Anorexie.

Wohl so verhält es sich auch bei vielen, wenn sie Macht über andere bekommen, wenn sie wissen, dass der andere von ihnen abhängig ist, und dass man sich derer schon irgendwie entledigen kann, wenn diese nicht so spuren, wie man will, wenn sie Grenzen setzen, sich schützen wollen. Und ist es nicht so, dass diese Abhängigkeit in den für das Theater zunehmend schwieriger werdenden Zeiten sogar noch größer wird? Jeder hat finanzielle Verpflichtungen und eine Verkäuferin findet sicher leichter eine neue Stelle, eine Schauspielerin nicht, schon gar nicht, wenn ihr das begangene "Verbrechen der Nestbeschmutzung" vorauseilt. Ein echtes Dilemma, das Machtmissbrauch Tür und Tore öffnet!

Leitende Positionen besetzen auf Entscheidung eines Einzelnen nach Gutsherren Art? So kann sich der Machtmensch langsam, aber stetig sein Imperium aufbauen. Die Hand, die jemandem einen Posten beschert, wird immer schön geleckt werden, ernsthafter Widerspruch ist kaum zu erwarten. Man muss doch brav und loyal bleiben, sonst ergeht's einem wie dem, der aufmuckt! Daher sollte es auch am Theater endlich eine Art Gewalten- oder Machtteilung geben.(Schon wieder "Imagine"?)

Gut, dass die Diskussion angestoßen wurde, gut, dass die Öffentlicheit involviert ist. Jetzt ist die Chance da, die nötigen Veränderungen der Strukturen in die Wege zu leiten.

Avanti, cari attori! :-)
#76 Karlsruhe: auf den Punkt gebrachtehemalige Kollegin 2020-07-13 18:19
...auch von mir an #72 Andreas. So wahr, so gut auf den Punkt gebracht.
#77 Karlsruhe: außerbetriebliche Gesellschaftssache?Wieesist 2020-07-14 12:28
Nein, liebe Marina. Eine Verkäuferin findet nicht leichter eine Stelle als eine Schauspielerin, selbst eine aktenkundig nestbeschmutzende. Und zwar weil die Schauspielerin, die aus ihrem Job verdrängt wurde, die Stelle bekommt, die früher die arbeitslose Verkäuferin als Fachkraft bekommen hätte. Vielleicht hätte die Schauspielerin noch ihren Job, wenn sie in ihrem Theater darauf bestanden hätte, die Schwierigkeiten von arbeitslos gewordenen Verkäuferinnen heute in beliebigen Inszenierungen mit-darzustellen, weil ja dann auch mehr Verkäuferinnen das Theater als Publikum ernstnehmen würden??? Weitere muntere Behauptungen zur außerbetrieblichen Gesellschaftssache?
#78 Karlsruhe: strukturelles ProblemTina-Mari 2020-07-14 14:22
Auch mir scheint, wie es #72 Andreas beschreibt, ein strukturelles Problem der Personalbesetzung vorzuliegen. Nicht nur in Karlsruhe, welches jetzt vielleicht, hoffentlich als Katalysator wirkt, sondern in der gesamten deutschsprachigen Theaterszene. Mehrere hundert Mitarbeiter zu führen erfordert weniger künstlerische Vision als vielmehr Ausbildung in Mitarbeiterführung und -entwicklung und Interesse für die Organisation von Betrieben. Und auch ein verantwortungsvolles Wirtschaften mit den zur Verfügung gestellten öffentlichen Mitteln oder Verteidigung der eigenen Strategie gegenüber (politischen) Entscheidungsträgern benötigt weniger den Kuss der Muße als vielmehr ein pragmatisches und strategisches Agieren. Nicht jedes Wirtschaftsunternehmen ist gut darin. Aber tatsächlich stimme ich Andreas zu: Führungspersönlichkeiten am Theater zeichnen sich leider in den von mir erlebten und zu beurteilenden Fällen weniger durch wertschätzende Anleitung ihrer Mitarbeiter*innen aus als vielmehr durch immerwährende Improvisation, zeitweise kopfloses Agieren und ein try-and-error Prinzip. In Verbindung mit künstlerischem Narzissmus und Egozentrik leider nicht die gesündeste Kombination für das Umfeld.

Ich glaube, dass ein Theater keinen künstlerischen Intendanten braucht. Er muss nur den Weitblick und die Bescheidenheit haben, seinem künstlerischen Team, Dramaturg*innen, Regisseur*innen, Schauspieler*innen, Sänger*innen usw., den Freiraum zur künstlerischen Arbeit zuzugestehen. Freiraum ohne Angst lässt Vertrauen wachsen. In dieser Atmosphäre wiederum könnte sich Kreativität entfalten. Wäre das nicht ein Modellprojekt zur Weiterentwicklung von Organisationsstrukturen am Theaterbetrieb? Und sollte nicht gerade jener Betrieb, der inhaltlich so oft den Zusammenhalt der Gesellschaft proklamiert, diesen auch an sich selbst erproben?

Vom Thema der Mitarbeiterförderung und -bindung ganz zu schweigen ... Wo könnten wir stehen, wenn wir regelmäßige Fortbildungen, lebenslanges Lernen, familienfreundliche Arbeitszeitmodelle, Feedback-Kultur, Onboarding und Mentoring etablieren!

P.S.: Auch nicht unerheblich: in wirtschaftenden Unternehmen wird regelmäßig davon ausgegangen, dass neue Mitarbeiter mindestens (!) 5 Jahre an Bord bleiben. Alles andere wäre unwirtschaftlich, weil permanente Einarbeitung nämlich immer Wissenslücken hinterlässt und Ressourcen verschlingt. Und weil Mitarbeiter wiederum, die zu früh in die innere Immigration gehen, mit ihrer Produktivität nicht mehr dem Betrieb dienen. Mit dauernder Fluktuation im ein bis zwei-Jahres-Rhythmus jedenfalls verbrennt man regelmäßig Geld.
#79 Karlsruhe: Schweigenachso 2020-07-14 15:00
Was ich total seltsam finde ist, dass es so gut wie keine Unterstützung für Peter Spuhler gibt. Seine treuen Gefolgsleute der letzten Jahre halten sich öffentlich weitgehend zurück: kein Axel Preuß, kein Jan Linders und wie sie alle heißen, die langjährigen Weggefährten. Nur Theresia Bauer steht zu ihm. Aber wie man aus der Chose politisch wieder rauskommen will, ist mir schleierhaft. Wahrscheinlich braucht's einen klaren Schnitt und dann einen Neuanfang. Das Stuttgarter Staatstheatermodell mit Spartenintendanten scheint doch ein Erfolgsmodell zu sein. Bon courage!
#80 Karlsruhe: des Kaisers neue Kleiderleporello 2020-07-14 17:32
Auch bei einem Direktoriumsmodell werden Intendanten in Findungskommissionen bzw. in einem festgelegten Vorgehen in nichtöffentlicher Beratung ausgewählt. Die Entscheidung treffen gewählte Vertreter/innen der jeweiligen Parteien. Die so gekürten Würdentragenden erhalten nach gängigem Verständnis dadurch eine demokratische Legitimation und gewinnen für ihre Vertragslaufzeit so einen quasi unanfechtbaren Status. Diese Vorstellung wird auch dann noch hochgehalten, wenn der entsprechende Amtsinhaber durch toxisches Führungsverhalten, Bossing etc. auffällt. Bei Peter Spuhler besteht die Besonderheit, dass er im Außenverhältnis gewinnend aufzutreten weiß, was aber im Innenverhältnis ins Gegenteil verkehrt wird. Für Unterhaltsträger/innen ist die Situation dann dadurch noch schwieriger einzuschätzen bzw. zu verändern. Ich habe in einem anderen Theater die Erfahrung gemacht, dass betroffene Mitarbeitende durchaus gehört werden. Meist wird ihnen die Betreuung durch eine psychologische Beratungsstelle o.ä. empfohlen. Dort geht es aber darum, die in Ungnade gefallenen Mitarbeitenden (noch) anpassungsfähiger und resilienter zu machen. Gelingt eine „Verbesserung“ dann nicht, bleibt häufig nur die Selbstkündigung.
Entsprechend haben unangemessen kommunizierende Führungskräfte ein arbeitsgerichtliches Verfahren noch während der Beschäftigungszeit gegen z.B. Diskriminierung oder Mobbing am Arbeitsplatz kaum zu fürchten, da die Rechtslage und die Rechtspraxis für sie nicht ungünstig sind. Dies wissen rechtsaffine Führungskräfte zu nutzen.
Wenn Verhaltenskodizes in deutschen Theatern überhaupt existieren, gelten sie für die Beschäftigten in Selbstverpflichtung. Bei Verstößen können die Vereinbarungen von betroffenen Mitarbeitenden nicht eingefordert oder gar eingeklagt werden. Toxisch wirkt ein destruktives Führungsverhalten dabei in doppelter Weise, weil sie diejenigen, die sich an die Selbstverpflichtung halten möchten als machtlose Gutmenschen erscheinen lassen. Hinzu kommt erschwerend, dass interne Führungsleitlinien innerhalb des Theaterbetriebes zumeist nicht im Vorfeld aus freiwilliger Initiative und Überzeugung entstehen, sondern erst im Mediationsprozess, wenn das Kind bereits im Brunnen liegt - wie in Darmstadt oder Karlsruhe zu beobachten. Verlässt die eine oder die andere Konfliktpartei dann irgendwann das Haus, hat sich das Problem für die Verantwortlichen scheinbar erledigt. Beim nächsten Stellenbesetzungsverfahren beginnt der Circulus dann jedoch von Neuem. Vielleicht hat sich dann wenigstens die parteipolitische Zusammensetzung der Findungskommission geändert…
#81 Karlsruhe: Nichts NeuesFreund 2020-07-14 20:51
So, jetzt sind aber wirklich alle Argumente hier mindestens 3 mal gesagt worden, mit wenigen Highlights von u.a. „Kolleg*in“, „Marina“ oder „Andreas“ und den Tiefpunkten Nix und Baucks. „Achso“ stellt dieselbe Frage nochmal, die „Daniel“ und andere schon vorher formuliert haben... Nunja, es ist ein langer Thread, wer soll das auch alles erstmal durchlesen...? Vielleicht lehnen wir uns jetzt alle mal zurück und warten ab, was passiert? Und dann gibts sicher wieder neuen Diskussionsstoff!
#82 Karlsruhe: Weisheitmartin baucks 2020-07-15 14:09
Die Revolution frisst ihre Kinder.
#83 Karlsruhe: übersehenHimmlische Marotten 2020-07-15 14:22
Habe ich bei der ermüdenden Erörterung des Verhaltens des Generalintendanten übersehen, wo dabei Anna Bergmann geblieben ist? Und ihre (fast) ausschließlich weibliche Crew?
#84 Karlsruhe: StandhaltenChristian Lugerth 2020-07-15 20:32
Auch auf die Gefahr hin, daß sich jetzt was wiederholt: um mir in Stunden latenter Verzweiflung zu erklären, warum sich ausgerechnet am Theater diese oft genug klar beschriebenen, beklagten und offensichtlich unerschütterlich festen feudalistischen Strukturen so zäh halten, griff ich gerne mal zu Horst Eberhard Richters „Flüchten oder Standhalten“ und las darin:
„Überdurchschnittliche Aussichten zum Erklimmen von Führungspositionen haben diejenigen, die im Grunde mehr Ängste als andere Menschen haben, sich unbefangen in Gruppen zu integrieren, in denen sie nicht eine besonders verwöhnende Beschützung genießen. Ihre angstbedingte Unfähigkeit zu einem solidarischen Verhalten lässt sie den Weg nach oben suchen und finden, wo es ihnen letztlich nur um die Machtmittel geht, sich die Mitmenschen vom Leibe zu halten, vor denen sie sich auf gleicher Ebene bedroht fühlen. Das psychoanalytische Studium solcher Karrieristen zeigt, dass sie ursprünglich meist besondere Ängste haben, sich in einer Gruppe von Gleichgestellten zu behaupten. Sie leiden unter maßlos gesteigerten Befürchtungen, gedemütigt und kleingemacht zu werden. Nur wenn sie eine Gruppe von oben kontrollieren können, fühlen sie sich einigermaßen sicher, dass sie von anderen nicht kaputtgemacht werden.“
Aber dann auch dieses:
„Wer Anpassungszwängen taktisch nachgibt, wohl wissend, dass er ihnen mit vertretbarem Risiko widerstehen könnte und auch sollte, wird nach und nach die Unzumutbarkeit von Anpassungsforderungen gar nicht mehr wahrnehmen, das heißt, die eigene Gefügigkeit auch nicht mehr als Fluchtreaktion durchschauen. Alles erscheint normal: die Verhältnisse, denen er sich ergibt, und der Verzicht auf Gegenwehr, den er eben gar nicht mehr als Verzicht erlebt. Anpassung wird zu innerer Unfreiheit, wenn Menschen und Gruppen sich mit dem verwechseln, was durch äußeren Druck aus ihnen gemacht worden ist. Wer widerstehen will, muss an seiner Unterwerfungsbereitschaft ebenso arbeiten, wie an den Umständen, die falschen Gehorsam fordern. Wie schwierig, aber notwendig es ist, beides zugleich zu leisten, erfährt die Psychoanalyse aus ihrer eigenen Geschichte. Und wir erfahren es neuerdings alle, wenn wir erkennen, dass uns die Anstrengung, unsere eigenen Lebensformen zukunftsgerecht zu verändern, nicht erspart bleibt.“
War mir gelegentlich ein Trost. Denke also: Hexenjagd ist nicht der Weg, Rumjammern auch nicht. Anstrengend ist es auf alle Fälle.
#85 Karlsruhe: SchweigekartellCorolla 2020-07-15 23:40
Gelernt bei den Alten.Im dritten Jahr im Foyer einen Monolog inszeniert, immer in Konkurrenz mit den anderen, abhängig von der Gnade der Intendanz. Dann lernen wie Selbstmarketing funktioniert, Netzwerke bilden, Macht organisieren, selber Intendant werden.Die korporierte Theatergesellschaft durchdringen, beim Zuwender charmieren, das Marketing ist die Message. Potemkinsche Dörfer für unbedarfte Kulturpolitiker*innen schaffen. Alle Debattenbuzzwords aufschnappen von Feminismus bis Menschenwürde im Mittelmeer.PC - Marketing als Machterhaltstrategie und nach innen regieren wie man es früher bei den Alten gelernt hat. In dieser Theaterleitergeneration herrscht ein Schweigekartell wie im Radsport.Hoffentlich machen es die Jungen besser als die Mitfünziger. Für Karlsruhe: Anna Bergmann wird Intendantin und Peter Spuhler bekommt Bewährung als neuer Leiter des Jungen Theaters.
#86 Karlsruhe: Revolution?Thomas Rothschild 2020-07-16 08:59
Martin Baucks, "frisst ihre Kinder" verstehe ich, aber "Revolution"?
#87 Karlsruhe: dankeKolleg*in 2020-07-16 15:55
#84 Christian Lugerth! In der Tat tröstlich, das so klar formuliert zu lesen.
#88 Karlsruhe: Aufgabe des VerwaltungsratsEinanderer 2020-07-16 22:02
Jeder weitere psychisch und/oder physisch durch das offenbar dysfunktionale Arbeitsklima geschädigte Mitarbeiter wird der Verantwortung des Verwaltungsrates zuzuschreiben sein, wenn nun keine echten Rechte für die Mitarbeitervertretenden Organe festgeschrieben werden.
Der Verwaltungsrat muss verpflichtet werden können, vertraglich, sich die Anliegen der Mitarbeitervertretungen anzuhören, so dass über die Protokolle auch nachvollziehbar ist, welche Probleme benannt wurden.Nur so kann man Verantwortung belegen;sonst lassen sich Gespräche immer gut auslegen in der Erinnerung.

Es spielt keine Rolle was ein Verantwortlicher denkt oder meint, gehört zu haben, sondern, was gesagt wurde. Dem genau zuzuhören und gegebenenfalls die Institution und deren Mitarbeiter vor Schaden zu bewahren ist eine vornehmlich Aufgabe des Verwaltungsrates.
#89 Karlsruhe: Neurosenzuchtanlagenvanessa 2020-07-17 17:51
ich find das herrlich, dass die historischen fluchtlinien der verteidigung zu gustav gründgens führen! langsam ist das doch ein sujet für elfriede jelinek?

im übrigen müssen einem alle leid tun, die in diesem kaputten system noch immer versuchen müssen, ihre brötchen zu verdienen. ich hab nach kurzer nix-zeit den bettel hingeschmissen. und fehle dem theater nicht. warum schleift man diese idiotischen burgen nicht und gibt das geld in stadtteilprojekte und den künstlern formerly known as subkulturelle, statt in diese neurosenzuchtanlagen? da wärs sinnvoll verbrannt und wenigstens demokratisch legitimert. in so geschlossene bordelle geht doch eh keiner mehr. das ist doch vorgestrig.
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