Presseschau vom 28. Juni bis 31. Juli 2020 – In den Badischen Neuesten Nachrichten üben ehemalige Mitarbeiter*innen des Badischen Staatstheaters harte Kritik am Intendanten
"Klima der Angst"
"Klima der Angst"
28. Juni 2020. Mehrere ehemalige Mitarbeiter*innen der Opernsparte des Badischen Staatstheaters Karlsruhe üben in den Badischen Neuesten Nachrichten (BNN) harte Kritik am Führungsstil des Generalintendanten Peter Spuhler.
Nachdem mit dem Dramaturgen Boris Kehrmann auch das letzte verbliebene Mitglied des Leitungsteams um Operndirektorin Nicole Braunger das Haus verlassen hat und damit insgesamt drei Dramaturg*innen sowie der Erste Kapellmeister abgewandert sind, muss Braunger die kommende Spielzeit mit einem weitgehend neuen Team bestreiten – "obwohl sie Karlsruhe laut gut informierten Kreisen am liebsten ebenfalls verlassen würde: Die Nachricht, dass Braunger gekündigt habe, ihr aber der Auflösungsvertrag verweigert werde, machte im vergangenen November die Runde", so die BNN.
Als Gründe für die Mitarbeiter*innen-Abwanderung in der größten und besucherstärksten Sparte des Hauses, deren Arbeit unter Braungers Leitung viel positive Aufmerksamkeit erfahren hat, nennen die Gesprächspartner*innen der BNN, Boris Kehrmann, der ehemalige Stellvertreter der Direktorin Patric Seibert sowie die ehemalige Operndramaturgin Deborah Maier, einen "permanenten Kontrolldruck" vom Generalintendanten, der ein "Klima der Angst" verbreite und Kreativität nicht fördere, sondern einenge: "Wir wurden eher für administrative Aufgaben eingesetzt statt kreativ arbeiten zu können", wird Deborah Maier zitiert.
"Ich musste einsehen, dass ich hier nicht sinnvoll arbeiten kann", sagt Boris Kehrmann: Das Ensemble sei einzigartig: "Aber wenn ich Barbara Dobrszanska, Armin Kolarczyk oder Konstantin Gorny am Haus habe, dann muss ich für die doch jede Spielzeit Stücke auf den Spielplan setzen und nicht Frau Dobrszanska die vierte Magd in 'Elektra' singen lassen, während wir für die weiblichen Hauptrollen Gäste holen müssen. Dieses Haus hat kraft seiner Mitarbeiter die Potenz, ein Vulkan an Kreativität zu sein – aber das Feuer wird zu oft gedämpft." Höre man sich im Umfeld ehemaliger Theatermitarbeiter um, so die BNN, würden die Aussagen von Kehrmann und Seibert bestätigt. "Oft allerdings mit der Bitte, anonym zitiert zu werden."
Gefragt, wie er sich die Abwanderung gleich mehrerer Mitarbeiter*innen erkläre, sagt Peter Spuhler selbst der Zeitung, dass er nichts von einem grundlegenden Zwist wisse. "Wie immer an einem Haus kann man nicht in allen Angelegenheiten einer Meinung sein – das ist normal in einem künstlerischen Betrieb." Spuhler amtiert seit 2011, sein Vertrag läuft bis 2026. (sd)
Am 4. Juli 2020 veröffentlicht Andreas Jüttner von den Badischen Neuesten Nachrichten nach weiteren Gesprächen einen neuen Recherchetext: "Die Berichte von rund 20 Personen zeichnen ein alarmierendes Bild von verheerenden Zuständen am Haus", schreibt er. Viele Gesprächspartner*innen wollten anonym bleiben "Sorge, in der eng vernetzten Theaterlandschaft als 'Nestbeschmutzer' isoliert zu werden. Spuhlers Strategie, "enge Vertraute in Leitungspositionen setzt, um sich Rückhalt zu schaffen", wird von einem Abteilungsleiter kritisch eingeschätzt. "Das bereits zuvor auffällige Tempo des Personalkarussells nimmt weiter zu – und mit jedem, der geht, zieht die Kunde von den Zuständen in Karlsruhe weitere Kreise in der Theaterwelt", schreibt Jüttner und verweist auf die verschlechterte Bewerbungslage.
6. Juli 2020. In einer ersten Stellungnahme zu den Vorwüfen gegen die Staatstheaterleitung sprechen Theresia Bauer (Die Grünen) und Karlsruhes Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) als Vertreter der Träger des Staatstheaters von einem "Kampagnencharakter", der "Vertrauen zerstöre und konstruktive Lösungen erschwere", wie Andreas Jüttner für die Badischen Neuesten Nachrichten berichtet. Bauer und Metrup fordern die Beschwerde führenden Mitarbeiter*innen des Staatstheaters auf, aus ihrer Anonymität zu treten. "Stadt und Land werden eine unabhängige Anlaufstelle anbieten, damit dort frühere oder aktuelle Missstände bei dieser neutralen Stelle hinterlegt werden können, damit so die erhobenen Vorwürfe verifiziert werden können." Laut Informationen der BNN ist es in der Vergangenheit aber in mindestens einem Fall zum Vertrauensbruch im Schluss an ein Hilfsersuchen gekommen. Für den 17. Juli 2020 ist eine Verwaltungsratssitzung des Theaters angesetzt.
8. Juli 2020. Im Anschluss an eine Personalversammlung des Staatstheaters teilt die Pressestelle des Hauses in einer kurzen Presseaussendung mit dem Titel "Karlsruher Generalintendant Peter Spuhler verspricht Transparenz und Beteiligung" mit: "Generalintendant Peter Spuhler zeigte sich am Mittwoch auf einer Personalvollversammlung betroffen von den Vorgängen um das STAATSTHEATER und seinen Führungsstil und bat die Menschen, die sich durch sein Vorgehen verletzt fühlten, um Verzeihung. Er sagte zu, dass es Veränderungen geben würde. Dafür legte er verschiedene Vorschläge zur weiteren internen Diskussion vor."
9. Juli 2020. Andreas Jüttner von den Badischen Neuesten Nachrichten hat sich bei Teilnehmer*innen der Personalversammlung über deren Verlauf erkundigt. Demnach sei Spuhlers Rede "berührend" gewesen. "Dennoch gebe es in der Belegschaft starke Skepsis, ob weitreichende Reformen unter der Leitung von Spuhler möglich seien." Und weiter: "Übereinstimmend berichtet wurde von viel Applaus für die Ausführungen des Personalrats und für ein Statement des scheidenden Operndramaturgen Boris Kehrmann." Kehrmanns Weggang war ein Auslöser der Debatte um Peter Spuhlers Führungsstil.
14. Juli 2020. In einem Statement äußert sich auch die Gesellschaft der Freunde des Badischen Staatstheater e.V. kritisch und distanziert sich von Peter Spuhlers Führung des Mehrspartenhauses: "Die innerbetrieblichen Querelen und die ständige Fluktuation der Mitarbeitenden wären hinnehmbar, wenn aus der Sicht des Publikums das künstlerische Angebot geprägt wäre von Kontinuität und Verlässlichkeit. Dem ist leider nicht so." Vier konkrete Punkte werden benannt:
- Szenisch hervorragende Musiktheater-Produktionen wurden unverständlicherweise abgesetzt. Momentan hat das Haus – immerhin ein Staatstheater! – keine einzige Wagner-Oper mehr im Repertoire. (...). Andreas Jüttner von den BNN hat nachgerechnet, dass von bislang 55 Musiktheater-Neuproduktionen unter Peter Spuhler nur eine einzige eine zweite Wiederaufnahme erlebt hat: "My fair Lady". Die Bilanz sei ernüchternd (…). Eine nachhaltige Spielplangestaltung sieht anders aus. Die Ära Spuhler hat hier leider keine Aufbauarbeit geleistet.
- Die mangelnde Kontinuität betrifft auch die Zusammensetzung des Ensembles. (...). Die Gesellschaft der Freunde sorgt sich um eine systematische Ausbildung des Nachwuchses. Viele Stücke müssen daher in den Hauptrollen mit Gästen besetzt werden – das ist an einem Staatstheater mit einem solch großen Ensemble eigentlich unverständlich und kostet.
- Das Corona-Management am Hause ist befremdlich. (…)
- Die Gesellschaft der Freunde ist mit über 1400 Mitgliedern der größte Kulturförderverein in Karlsruhe und eine der größten Theaterfördergesellschaften der Bundesrepublik. Noch ... Die Rückmeldungen und ein Mitgliederschwund von fast 20%, den wir in den letzten neun Jahren erlebt haben, zeugen von einer wachsenden Enttäuschung mit der Intendanz Peter Spuhlers. Viele, die eigentlich an einer Mitgliedschaft interessiert wären, äußern uns gegenüber ihren Unmut und geben offen zu, dass sie unter der derzeitigen Intendanz das Staatstheater nicht fördern möchten. Das sind angesichts der anstehenden Sanierungsmaßnahmen und der immensen Kosten, die es der Öffentlichkeit zu vermitteln gilt, alarmierende Zeichen.
Weiter heißt es: "Das Ansehen des Hauses ist beschädigt. Leider stand uns Peter Spuhler in den letzten Jahren nicht für diesbezügliche Gespräche zu Verfügung und es wurde uns keine Möglichkeit gegeben, konstruktive Vorschläge einzubringen. (…) Insofern hofft die Gesellschaft der Freunde auf einen Neuanfang."
24. Juli 2020. Weiterführung der Zusammenarbeit mit Peter Spuhler oder Umstrukturierung? Im Interview mit Andreas Jüttner von den Badischen Neuesten Nachrichten erklärt die Karlsruher Schauspieldirektorin Anna Bergmann, weshalb sie einen Veränderungsprozess gemeinsam mit Peter Spuhler für denkbar hält: "Wir haben ihm bei der ersten Terminmöglichkeit aufgesucht und eine Liste vorgelegt mit Dingen, die sich ändern müssen, damit wir uns vorstellen können, weiter mit ihm zu arbeiten. Und auf dieser Basis konnte ich dem Kunstministerium signalisieren: Bei einer Verschriftlichung dieses Maßnahmenkatalogs, den ich auch als Manifest bezeichnen würde, halten wir vom Schauspiel einen Strukturwandel mit Peter Spuhler für möglich. Diese Liste liegt dem Ministerium auch vor." Unterzeichnet sei die Liste von Peter Spuhler noch nicht und Details möchte Anna Bergmann so lange noch nicht nennen, aber "im Kern geht es darum, dass wir die künstlerische Entscheidungsfreiheit für unsere Sparte haben und er nicht mehr überall das letzte Wort hat". Bergmanns Stellvertreterin Anna Haas fügt hinzu, "eine neue Struktur entsteht ja nicht einfach, indem man den Generalintendanten wegnimmt". Spuhler habe ein Kontrollsystem aufgebaut, wie Vorgänge und Entscheidungen zu verlaufen hätten, bei dem jede Entscheidung über seinen Tisch gehen sollte. "Ein Hauptpunkt der Liste ist es, das in Frage zu stellen", so Haas. "Wir glauben, dass er für Veränderungen offen ist, wenn er klare Regeln hat. Wir wissen aber auch, dass es die Öffentlichkeit gebraucht hat, damit der Handlungsbedarf erkannt wurde."
Vorschläge für den Strukturwandel sammelt auch das Ensemble, wie die Ensemblesprecher*innen Heisam Abbas, Claudia Hübschmann und Gunnar Schmidt berichten. Gemeinsam mit der Spartenleitung arbeitete das Schauspielensemble an einem Fahrplan für die nächste Saison: "Denn es gibt die begründete Sorge, dass wir sonst im Stress der Saisoneröffnung nicht Tritt fassen. Es ist aber wichtig, an die Dynamik anzuknüpfen, die jetzt da ist", so Heisam Abbas. Wichtig gewesen sei für den Prozess die öffentliche Aufmerksamkeit, um den Prozess anzustoßen, so Gunnar Schmidt: "Die öffentliche Diskussion hebelt den Maulkorb in unserer Vertragssituation des NV [Normalvertrag, d. Red.] Solo ein Stück weit aus. In dieser Situation kann es sich keine Theaterleitung leisten, jemandem den Mund zu verbieten." Um echte Veränderungen zu erzielen, müsse das Vertragssystem mit dem NV Solo auf den Prüfstand gestellt werden: "Das ist ein zentrales Problem, denn es schafft Abhängigkeiten, die dafür verantwortlich sind, dass wir von der Bühne aus Dinge postulieren, die wir nach innen nicht umsetzen können", so Heisam Abbas. Anna Haas zufolge hätten sie und Anna Bergmann die Koppelung der Schauspieler*innenverträge an die Laufzeit des Leitungsteams bei ihrem Amtsantritt angestoßen. Von der Theaterleitung sei ihnen jedoch "mit besten Absichten" abgeraten worden. "Das gilt es jetzt nochmal neu auszuhandeln." Und Anna Bergmann, die zugibt, gewusst zu haben, worauf sie sich bei der Zusammenarbeit mit Peter Spuhler einließ, hofft, bislang in den festgefahrenen Strukturen erstickte Veränderungs-Impulse wieder aufnehmen zu können und so, wie mit der 100-Prozent-Regie-Frauenquote, ein Signal in die Theaterlandschaft senden zu können: "Vielleicht sind auch wir ein kleiner Teil eines längst notwendigen Wandels." (eph)
30. Juli 2020. Als "Theaterretter" gilt Peter Spuhler in Heidelberg, wo er vor seiner Karlsruher Generalintendanz sechs Jahre lang das Stadttheater leitete. Doch seine Amtsführung soll auch dort schon von Kontrollzwang und Wutanfällen geprägt gewesen sein. Bundesweit habe Spuhler damals positiv Aufsehen erregt, unter anderem durch das Einwerben bürgerschaftlicher Spenden für Sanierung und Umbau des Theaters, berichtet Andreas Jüttner in den Badischen Neuesten Nachrichten. Rund ein Drittel der auf 70 Millionen Euro bezifferten Kosten soll durch Spenden bestritten worden sein.
Doch auch in der Neckarstadt habe die Karlsruher Krise nun Wellen geschlagen, so Andreas Jüttner. Ein Heidelberger Pressekommentar, in dem vermutet wurde, "der quirlige Spuhler, der es nicht nur inhaltlich krachen lassen kann", sei in "der Beamtenstadt" Karlsruhe vor allem wegen seines innovativen Programms angeeckt, habe ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Spuhlers Zeit in Heidelberg alarmiert. In einem Brief an die dortige Tageszeitung erklärten sie der BNN zufolge: "Wir können und müssen heute leider bestätigen, dass alles, was wir aus Karlsruhe hören, uns sehr bekannt vorkommt und die Nachrichten, die wir auch aus den unterschiedlichsten Wohnorten in der Republik verfolgen, uns äußerst stark berühren und Vieles, was schon verdrängt schien, wieder hochkommt." In dem von 13 Personen namentlich unterzeichneten Schreiben sei, ähnlich wie in Mitarbeiterberichten aus dem Staatstheater Karlsruhe, "die Rede von 'Kontrollzwang und cholerischen Anfällen', einem 'Despotismus, der über die künstlerischen Bereiche bis in Technik, Verwaltung und Dienstleistung hineinreichte' sowie einem 'massiven Gefühl der Beklemmung, unter dem damals rund um die Uhr gearbeitet werden musste'", zitiert die BNN aus dem Schreiben.
Betont wird von den Unterzeichnenden, "nur eine Perspektive von vielen" zu schildern: Peter Spuhler habe auch "großartige Fähigkeiten hinsichtlich des Theaters", heißt es in dem Schreiben. "Er kann die Öffentlichkeit mitreißen, er kann reden, ist ein begnadeter Fundraiser, sprudelt vor künstlerischen Ideen und weiß, welche Strippen er für das Theater in der Politik ziehen muss." Jedoch besitze Peter Spuhler "keine Führungsqualitäten, derer es für ein Stadt- oder Staatstheater bedarf"; er scheine "nur sehr wenigen engen Mitarbeiter*innen zu vertrauen" und selbst diese wendeten sich "nach geraumer Zeit" von ihm ab. Wichtig sei es, so das Fazit des Schreibens, die Debatte um Führungsqualitäten an Theatern öffentlich zu führen. (eph)
Mehr zum Thema: Interview mit der Karlsruher Schauspielintendantin Anna Bergmann.
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Eine geniale Inszenierung eines Regiegenies sollte unter keinen Umständen als Rechtfertigung für Machtmissbrauch und mieses Verhalten herhalten. Und ebenso kann der Vorgang einer Berufung und das damit einhergehende Lob nicht voranschieben, wenn Machtmissbrauch u.Ä. diskutiert wird! Dazu ist auch Anna Bergmanns Meinung nicht uninteressant, aber vollkommen irrelevant bzgl des Vorwurfs.
@#Ja...Castorf war wie lange in der VB...die Kommentare um diese Länge kamen zu seiner Zeit leider nicht auf.
Ich stimme ihnen jedenfalls vollkommen zu: Das System ist so nicht akzeptabel in vielen Belangen. Wär mal ne intressante Studie, wie die Mitarbeitenden sich eine Intendanz Findung wünschen würden und wie sehr dies mit der Realität sich beisst.
In Kulturbetrieben wird aber gern verschwiegen, unter den Teppich gekehrt oder durch Abhängigkeiten mundtot gemacht. Bitte nicht! Theater braucht mehr Transparenz, Befragung und Offenheit. Niemand sollte davor Angst haben, auszusprechen, was falsch läuft.
Aber das Haus wird für einen hohen dreistelligen Millionenbetrag saniert, und das sichert die Position des Generalintendanten. Kunst und Relevanz hat damit wenig zu tun.
"Von Haltung und Verhalten" - ein super Motto.
(Liebe Diskutant*innen, unüberprüfbare Tatsachenbehauptungen sowie Kommentare, die ad personam gehen, werden in unserem Forum nicht veröffentlicht. Das geht nicht nur an die*den letzte*n Kommentator*in, sondern an alle. Mit freundlichen Grüßen, die Redaktion)
Die Spartenleiter*innen werden viel zu oft in einen Topf mit der Intendanz geworfen, werden gleichzeitig so oft diszipliniert und müssen aber eine Autorität gegenüber den MitarbeiterInnen ihrer Sparten wahren, um nicht von oben und unten getreten zu werden. Respekt für die KollegInnen in Karlsruhe, die da mutiger sind als ich, der einfach ausschied. Theater muss Team sein.
Das Problem beginnt notwendigerweise damit, dass Intendant*innenjobs nur an in der Branche gut vernetzte Leute vergeben werden, die Kontakte in Findungskommissionen haben. Danach können sich die Intendant*innen alles erlauben, solange sie sich mit den zuständigen Politiker*innen (Kulturamtsleitung etc.) gut stellen. Eine Kontrolle von außen ist fast unmöglich, solange der Laden irgendwie läuft. Schon fachliches Unvermögen nachzuweisen ist schwer, noch schwieriger ist es, (zwischen)menschliches Versagen zu belegen. Vorwürfe von innen dringen nicht an die Öffentlichkeit oder nur bis zu den Verbündeten in der Politik. Das führt zu den angesprochenen starken Fluktuationen an den Theatern.
(...)
Schon klar, dass die Strukturen an den Theatern weitgehend postfeudal sind. Mich wundert's nur, dass der "Posterboy" des deutschen Theaters jetzt eine halbe Sparte verliert. Denn wer, wenn nicht er, hat sich verdient gemacht um z.B. die Öffnung für Frauen in Führungspositionen, er steht für Diversität und Innovation, ist bestens vernetzt und wirkt wie das role model eines modernen Intendanten. Wenn's dann selbst da, im Inneren kracht, dann weiß ich auch nicht .... .
Vielleicht liegt die Ursache für Ihre Verwunderung darin, dass auch ein feministisch, divers etc orientierter, innovativ denkender Mensch machtbesessen, autoritär, ungerecht und noch so einiges andere sein kann. Hehre Ziele und die "richtige" politische Einstellung schützen nicht vor anderen charakterlichen Mängeln. Dass man eine so verantwortungsvolle Position wie die Intendanz eines Theaters vielleicht auch nur unter Einsatz von Ellenbogen, Beziehungen u.ä. erreichen kann, erhöht unter Umständen die Gefahr, dass sich den Posten jemand greift, der, sagen wir mal, gerne Autorität ausübt.
Ich bin gespannt, wie es weitergeht. Bei Intendanz-Neubesetzungen ist derzeit ja viel von flachen Hierarchien, Gleichstellung, Quoten etc die Rede. Darüber, ob daraus auch bessere Kunst entsteht, wird ja ohnehin schon heftig gestritten. Ob diese Theater denn auch bessere, fairere, weniger autoritär auftretende Menschen hervorbringen werden...let's see!
Der Personalrat hat sich jedenfalls positioniert und übt massive Kritik am Führungsstil:
bnn.de/nachrichten/kultur/staatstheater-karlsruhe-streit-um-spuhler-zieht-politische-kreise
Der Zweck heiligt nun mal die Mittel, und da ist Theater nun mal erhaben...
In den Badischen Neuesten Nachrichten liest man derweil dies: bnn.de/nachrichten/kultur/staatstheater-karlsruhe-streit-um-spuhler-zieht-politische-kreise
- d.h. Politik und Verwaltungsrat haben das untragbare Verhalten des Intendanten billigend in Kauf genommen, anstelle die Rechte der Mitarbeiter*innen zu schützen. Ein weiterer Skandal im Fall Spuhler, der aufgearbeitet gehört! Ministerin und Staatssekretärin müssen sich dringend positionieren!
Und jetzt noch einen Wein auf die Karlsruher Charaktere!
bnn.de/lokales/karlsruhe/immer-mehr-staatstheater-mitarbeiter-erheben-schwere-vorwuerfe-gegen-spuhler
(Sehr geehrte/r Anderson, den Link zur Instagram-Seite haben wir gestrichen, weil das dort gesammelte Material der Verifizierung bedarf. Der Hinweis auf den neuen Text in den BNN ist aufgenommen. Mit freundlichen Grüßen, Christian Rakow / Redaktion)
1) Wo ist der offene Brief veröffentlicht? (Konnte ihn nicht finden. Bei nk kein Link?)
2) Ist dieser offene Brief zuvor an den OB, den Verwaltungsrat, ergo die Dienstvorgesetzten gegangen?
3) Aus welchen Gründen ist die laut Personalrat "vernichtende Kritik an Spuhler" (siehe BNN) der Mediation/Mitarbeiterumfrage von 2015/17 versandet? Gelten die Gründe/Mechanismen fort? Ist eine neue Qualität erreicht oder dies ein neuer Anlauf unter unveränderten Vorzeichen?
1. den können Sie bei barbara.kistler@staatstheater.karlsruhe.de anfordern.
2. Ja
3. Die letzte Debatte über die Causa wurde 2020 per Abstimmung unterlassen. Der Verwaltungsrat des Theaters argumentierte, man könne nicht einen Generalintendanten desavouieren (und sich selbst gleich mit), indem man ihn öffentlich in Zweifel ziehe.
Fragen Sie einfach die Beteiligten. Die Adressen finden Sie auf der Staatstheater-Homepage. Wir sind gerne zu allen Auskünften bereit und senden Ihnen auch gerne die Sammlung der 65 Zeugenaussagen zu.
Liebe Grüße
Ihr Boris Kehrmann
(Seit heute habe ich auch richtige Wut ob dieser Stellungnahme der Träger, die heute erschien: bnn.de/lokales/karlsruhe/mentrup-und-kunstministerin-bauer-vorwuerfe-an-staatstheater-intendant-spuhler-haben-kampagnencharakter
Diese Stellungnahme zeigt einmal mehr, dass das Problem, um das es hier geht, viel größer ist als die Vorfälle, die berichtet und beschrieben wurden, so ernst die für die Betroffenen sind. Dazu unten mehr.)
ERSTENS: AUCH IN DEINEM THEATER, FREUND*IN!
Es gäbe diverse Theater in Deutschland (und außerhalb), über die ähnliche Enthüllungen nicht nur möglich sondern auch sinnvoll und nötig wären. Wie viele Gespräche haben wir alle darüber schon geführt, wie viele schlimme Geschichten aus ganz Theaterdeutschland gehört und weitererzählt – und wie laut wird überall geschwiegen oder nur „theaterintern“ gesprochen. Wie viele Fälle von Machtmissbrauch oder auch sexueller Belästigung wurden bisher nicht „angezeigt“ oder veröffentlicht? Dass es jetzt ein Theater, einen Intendanten oder seine Spartenleiter*innen trifft, war vielleicht überfällig oder auch notwendig, aber es sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass das kein Einzelfall ist, im Gegenteil. Kommt jetzt ein echtes Gespräch in Gang bzw. werden auch andere Machtmissbräuche etc. an anderen Häusern ähnlich besprochen? Oder geben wir uns damit zufrieden, das Thema an einem Haus, einem Menschen abzuarbeiten? Was hält das Schweigekartell des deutschen Theatersystems eigentlich aufrecht? Ist es wirklich die Angst vor Job- und Statusverlust? Oder ist es auch die Scham darüber, dass wir schon so lange schweigen? Oder liegt es vielmehr an der Scham, die damit verbunden ist, überhaupt Opfer zu werden oder zu sein? Wer sich den #metoo-Verlauf rund um Harvey Weinstein nochmal als historisches Beispiel ansieht, wird darauf Antworten finden. Und die liegen in einer gesamtgesellschaftlichen rape culture und im Alltagssexismus ebenso begründet wie im nach außen so vehement und so lange vertretenen Selbstbild des Theaters als „der andere Ort“, an dem alle schon so aufgeklärt, gesellschaftskritisch etc. seien, weil ja „Künstler*innen“… Aber: welche*r Schauspieler*in möchte schon das Label „Opfer von Intendant*in XY“ für immer an der Jacke tragen? Und wer klebt ihm*ihr eigentlich dieses Label an?
ZWEITENS: WIR ALLE SIND TÄTER UND OPFER DES SYSTEMS
Auch Peter Spuhler ist natürlich nur ein Mensch und kein Monster. Ein Mensch mit Stärken und Schwächen, der Fehler gemacht hat, über Jahre, und aufgrund seiner eigenen Geschichte, Persönlichkeit etc. nur schwer oder kaum dazu in der Lage war, diese anzuerkennen und zu korrigieren. Er ist aber – wie so viele, nicht nur in „seiner Generation“ – damit ebenfalls nicht alleine und Teil und Produkt eines strukturell dysfunktionalen Systems, in dem Intendant*innen als Alleinherrscher*innen lange kein Korrektiv und somit keine echte Notwendigkeit kannten, sich selbst oder eher: ihr Verhalten zu verändern – jedenfalls, solange es keine große Öffentlichkeit über ihre „Verfehlungen“ gab. Neben kontrollsüchtig, überehrgeizig, druckausübend, leider auch ängstlich und cholerisch habe ich Peter Spuhler auch als fürsorglich, ehrlich interessiert, begeisterungsfähig und begeisternd, als inspirierend und inspiriert erlebt. Das entschuldigt nichts! Aber jede*r der*die das hier liest wird andere „Täter*innen“ d.h. Machtmenschen mit Fehlern kennen, mit denen es ihm*ihr ähnlich erging oder ergeht, die er*sie vielleicht auch aus guten Gründen bisher „gedeckt“ hat. Wie kommt es dazu, dass ein theaterbegeisterter, ja theaterfanatischer Mensch mit großem Ehrgeiz und guten Absichten in diesem System zu einem schlechten Chef wird? Diese Frage möchte ich gerne stellen und auch die, inwieweit in uns allen – oder vielen von uns – das Potential für so eine Entwicklung steckt? Wann haben wir, und sei es im ganz Kleinen – eine uns übergebene Macht missbraucht? Oder haben die Grenzen anderer überschritten? Haben unseren eigenen Ängsten oder auch Wünschen den absoluten Vorrang erteilt? Innerhalb und außerhalb des Theaters? Natürlich gibt es so etwas wie persönliche Verantwortung und sicher auch eine größere oder eben kleinere Bereitschaft zur Selbstkritik bei Einzelnen. Aber vor allem gibt es ein System, das man nicht nur der Kritik sondern auch einer Generalüberholung unterziehen sollte.
DRITTENS: WAS IST DER KOPF DES FISCHES, DER SO STINKT?
Was uns meiner Ansicht nach zu kümmern hat, sind also nicht in erster Linie die Einzelfälle und die Einzeltäter, sondern das System, das sie hervorbringt und das VOR ALLEM von den Trägern (SIEHE OBEN), den kommunalen und anderen Förderern genauso gewollt und gefördert wird. Bitte immer ein starker Mann oder naja gut, auch mal eine starke Frau an der Spitze, der*die alles lenkt und regelt, im Zweifelsfall den Kopf hinhält, aber über die innerbetriebliche Führungskultur niemandem Rechenschaft ablegen muss. Der Normalfall, wenns Konflikte gibt, ist Nicht-Verlängerung des Intendant*innen-Vertrags, wenn überhaupt. In diesem speziellen Fall liegt eigentlich ein Rücktritt nahe. Beides meist nicht sehr effektiv – ein Kopf rollt, aber das Königreich mit allen seinen Regeln ist noch intakt. Ist Bestrafung durch Absetzung oder Rücktritt der einzige Weg, wie wir mit solchen Erfahrungen wie diesen umgehen können und wollen? Wie könnte ein sinnvoller Dialog mit der Politik aussehen? Wieso finden die Debatten über Machtmissbrauch am Theater eigentlich keinen nennenswerten Widerhall in der Politik? Welche neuen Systeme können wir erschaffen, in denen es uns allen schwerer gemacht wird zu Täter*innen oder Opfern zu werden, nicht durch Kontrolle, Strafe, Denunziation, sondern durch gegenseitige Unterstützung, Achtsamkeit, Angstfreiheit? Durch neutrale Supervisionen und Mediationen, die auch gefördert werden? Aber vor allem: Durch eine größere Sicherheit, vor allem seitens der Träger, dass die Theater nicht permanent von Kürzungen oder gleich der Abschaffung bedroht sind? Also: Woher kommt denn der Druck, eigentlich?
VIERTENS: OPFERSCHUTZ ODER STATUS QUO?
In Karlsruhe kündigen nun die Träger „Maßnahmen“ an, wie einen „Vertrauensanwalt“ für Kultureinrichtungen und einen „Prozess Zukunft Badisches Staatstheater“, sprechen aber auch von einer „Kampagne“ gegen den Intendanten und das Theater und wollen die bisherigen Aussagen „aus der Anonymität“ holen. Von einer grundsätzlichen Einsicht in die Dysfunktionalität des Systems: keine Rede. Im Gegenteil lässt die Stellungnahme der Träger durchblicken, dass den Betroffenen nicht geglaubt wird („die Faktenlage sei schwer einzuschätzen“) und dem Personalrat wird vorgeworfen, er habe „massiv gegen die gebotene Fürsorge für Persönlichkeitsrechte und die Verschwiegenheitspflicht“ verstoßen und dies sei „nicht akzeptabel“. Ja, die Beschmutzer schmeißt man aus dem Nest. Und das ist in meinen Augen gerade der eigentliche Skandal. Da haben sich Menschen anonym getraut, über ihre Erfahrungen zu sprechen, um sich nun von den Trägern, d.h. den Verantwortlichen der Politik, androhen lassen zu müssen, dass diese aus der Anonymität gezerrt werden, weil sie sonst nicht „verifizierbar“ seien. Die Träger zeigen sich „irritiert“ darüber, dass „gleich eine öffentliche Debatte“ angezettelt worden sei, offensichtlich in völliger Ignoranz den geschilderten Vorgängen gegenüber, die es vollkommen ersichtlich machen, warum eine öffentliche Debatte offenbar sein musste. Denn, wie es in der Erklärung auch heißt, seien der Verwaltungsrat und die Träger des Theaters „allen in den letzten Jahren aus der Mitarbeiterschaft und dem Personalrat aufgeworfenen Vorwürfen gegen die Leitung“ intensiv nachgegangen – aber verändert hatte sich ja dadurch offenbar rein gar nichts.
FÜNFTENS: UM WAS ES EIGENTLICH GEHT
In den Vorwürfen, die aktuell im Raum stehen, ob in der Presse oder auf Instagram, geht auf den ersten Blick alles durcheinander: Leistungsdruck, Klima der Angst, #metoo und auch Rassismus. Auf den ersten Blick sehr disparat, auf den zweiten hat alles mit allem zu tun. Denn es ist anstrengend und mühsam, sich auf all diesen Ebenen auf andere Wege zu begeben. Wir – die Theaterlandschaft – haben erst seit kurzem angefangen, Sexismus, Rassismus oder Diskriminierungen jeder Art, ungerechte oder unsichere Arbeitsverhältnisse, unverhältnismäßigen Leistungsdruck, ungesunde Machtstrukturen an Theatern etc. anzugehen. Das Primat des „genialen Künstlers“, der ausrasten darf, weil das zum Kunst machen irgendwie dazu gehöre, steht noch nicht so lange unter Beschuss, ebenso wenig wie die weiße Hegemonie oder der Gender Paygap. Wir haben gerade erst angefangen zu verstehen, was wir nicht mehr wollen, und die Rezepte, wie wir anders arbeiten könnten, entstehen jetzt gerade, allerdings überall und immer mehr. Immer mehr Leitungsteams, immer mehr Anti-Rassismusklauseln, weiterhin das ensemble-netzwerk und seine ehrenwerten Ableger*innen! Es hat gerade erst begonnen und es wird vielleicht langwierig und kompliziert. Aber es lohnt sich! Und die Diskurse und ihre Folgen sind ja auch nicht in den Theatern entstanden, sondern in der Gesellschaft – drinnen ist draußen und umgekehrt. Es wird Zeit, ein System zu erfinden, dass ohne diesen immensen Druck auskommt, unter dem sich viele Menschen leider nicht zu ihrem Besten verändern oder aber sowieso zusammenbrechen. Ein Ort, an dem Menschen (Macher*innen und Zuschauer*innen) sich auf Augenhöhe angstfrei begegnen und gemeinsam kreativ sind.
SECHSTENS: BILDET RÄTE!
Ich wünsche den Mitarbeiter*innen des Theaters einen guten und konstruktiven Dialog untereinander und dann mit den Trägern, um die inneren Konflikte zu lösen, die gemeinsame Arbeit zu verbessern und die fraglichen Vorfälle aufzuarbeiten. Ob das mit oder ohne Peter Spuhler passiert – das müssen die Mitarbeiter*innen entscheiden! Sie sollten den direkten Dialog mit den Verantwortlichen aus der Politik suchen, aber entschieden auch für ihren (Opfer-)Schutz streiten. Liebe Karlsruher*innen – bildet Räte! Neue, größere, über alle Abteilungen hinweg. Tut euch zusammen! Setzt Euch mit dem OB, der Ministerin, dem Verwaltungsrat zusammen! Fangt selbst an, zu gestalten. Wenn nicht jetzt, wann dann? Und allen anderen rate ich, in ihre eigenen Betriebe zu schauen und sich zu fragen, wie sie dort anfangen können, etwas zu verändern – bevor es sowieso auffliegt.
Es käme also darauf an, um hier etwas wirklich zu ändern, Gesicht zu zeigen und konkreten machtmissbräuchliche Vorfällen entweder durch öffentliche Zeugenschaft Gewicht zu verleihen. Oder sich in der Fähigkeit zu üben, gegen Machtmissbrauch, den man selbst erfahren oder mit-erlebt hat, SOFORT eine Retourkutsche zu fahren in die Magengrube des- oder derjenigen, der oder die seine oder ihre Macht einem gegenüber missbraucht hat... Das kann auch sehr systemkorrigierend wirken und behandelt auch Vorgesetzte auf Augenhöhe. Eine Behandlung "auf Augenhöhe" ist keine Einbahnstraße und zu einem Menschen, der andere von oben herab behandelt aus Gewohnheit, gehören Menschen, die sich von oben herab behandeln lassen aus Selbstverständnis. Man kann an beidem arbeiten: Gewohnheiten brechen, Selbst-Verständnis erweitern- Und das kann man auch als Einzelne/r tun. Ich verstehe nicht, wie jemand einerseits eine angstfreie Arbeits-Atmosphäre einfordern möchte und andererseits dafür den "Beschuss" von Primaten als Beginn einer Erfolgsstory abfeiert??? Warum kann man nicht tolerieren, dass jemand druckausübend UND fürsorglich, ehrgeizig UND ängstlich, cholerisch UND begeisterungsfähig ist? Dass jemand vieles gleichzeitig ist? Kommt es nicht vielmehr darauf an, ihn - oder sie - möglichst menschenwürdig diskret an die Angemessenheit seiner Gefühlsäußerungen in ganz bestimmten Momenten undoder an bestimmen Orten zu gemahnen, wenn sein - oder ihr - Temperament GERADE eben mit ihm - oder ihr - durchgeht??? Wenn man möchte, dass jemand ausschließlich fürsorglich, begeisterungsfähig, überblickig, aufmerksam, prinzipiell interessiert usw. ist, dann sollte man sich fragen, ob man nicht vielleicht besser in einer Eierfabrik sein weisungsberechtigtes Arbeitsumfeld oder am besten gleich all seine Mit-Menschen bestellen sollte... Dialoge findet man nach meiner Erfahrung manchmal an ganz anderen Orten und in völlig anderer Art und Weise als man sich das so vorgestellt hat beim Dialogsuchen-
Jedenfalls Zustimmung, das Badische Staatstheater ist spätestens jetzt eine bundesweit beachtete Bühne. Erfolg...
„Man soll vielmehr nur alles vermeiden, was unwürdig, was gemein ist; man soll sich nie vergessen, immer auf sich und andere acht haben, sich nichts vergeben, andern nicht zu viel, nicht zu wenig tun, durch nichts gerührt scheinen, durch nichts bewegt werden, sich niemals übereilen, sich in jedem Momente zu fassen wissen, und so ein äußeres Gleichgewicht erhalten, innerlich mag es stürmen, wie es will.“ (Wilhelm Meisters Lehrjahre) Aber Goethe kannte noch nicht das Internet....
Wer sagt, dass die Räte aus Opfern bestehen müssten/sollten/würden? Und gibt es nicht schon einige Menschen in diesem Fall, die Gesicht gezeigt haben? Vielleicht werden auch noch weitere dazu bereit sein. Aber wenn die, die anonym bleiben wollen (im Sinne einer breiten Öffentlichkeit), dann als weniger glaubwürdig gelten oder deren Aussagen sozusagen aus dem Protokoll gestrichen werden, dann finde ich das äußerst problematisch. Klar muss auch eine Klärung und Differenzierung her, was die verschiedenen Vorwürfe und Aussagen angeht und wer (welche Instanz) sich eigentlich um was dann "kümmert". Aber nicht auf dem Rücken von Menschen, die sich eben nur im Schutz einer Anonymität überhaupt äußern können oder wollen.
Was Deinen/Ihren Punkt angeht, wir sollten uns in "Retourkutschen" üben oder uns selbst auf die Augenhöhe begeben: ja klar! Unlearning hierarchy geht in beide Richtungen, aber das fällt den Menschen "unten" in der Hierarchie zunächst wesentlich schwerer, aus sehr nachvollziehbaren Gründen. Um die also zu empowern, muss Raum und Vertrauen geschaffen werden. Und wer macht das? Leider bisher nicht die Politik, die sich in einer Rechtfertigungs- und Verteidigungshaltung befindet und den Opfern eine "Kampagne" unterstellt.
Ich glaube, bei den Primaten haben wir vielleicht eine Begriffsverwirrung? Ich greife keine Künstler*innen als "Primaten" (im Sinne unserer biologischen Vorfahren) an, sondern benutze den Begriff im Sinne von "das, was an erster Stelle steht". Und dass diese Vorstellung von Kunst machen (das - zumeist männliche - Genie, das rumschreit etc.) nicht mehr an erster Stelle steht, ist eine echte Errungenschaft. Meine Erfahrung ist, dass es sehr gut auch ohne Rumschreien geht, die Lebenszeit weit angenehmer verbracht ist und die Ergebnisse oft auch besser sind ;-).
"Warum kann man nicht tolerieren, dass jemand druckausübend UND fürsorglich, ehrgeizig UND ängstlich, cholerisch UND begeisterungsfähig ist? Dass jemand vieles gleichzeitig ist?" Hmmm, genau darauf weise ich ja hin, oder nicht? Dass wir alle potentiell immer all das in uns vereinen. Es geht aber nicht darum, ob wir das "tolerieren" (lateinisch: erdulden, ertragen), das tun wir ja eh, sondern wie wir es bei uns selbst und anderen verändern, wenn es zur Belastung wird (auch für uns selbst!). Ich glaube, ich muss meinen Punkt nochmal wiederholen, dass für mich das Problem ein systemisches ist, kein (oder jedenfalls nicht ausschließlich ein) individuelles: In welchem Umfeld, mit welchen "Regeln" oder Rahmenbedingungen schafft auch ein cholerischer Charakter, sozialverträglich und kollegial zu agieren. Ihn oder sie "diskret" an die "Angemessenheit seiner Gefühlsäußerungen" zu gemahnen ist im aktuellen System meiner Erfahrung nach oft nur sehr schwer möglich bzw. meistenteils folgenlos. Insgesamt habe ich bei Deinem /Ihren Beitrag hier den Eindruck, man könnte ihn mit "Wo gehobelt wird da fallen Späne" zusammenfassen. Oder?
Das ist doch das,was jetzt diskutiert/ durchdacht werden muss! Was wird aus unserer Jahrzehnte gehüteten Theaterwelt?
Aber wie kann die Kunst frei sein, wenn nur einige wenige Personen an der Spitze die Macht dazu haben, diese Freiheit zu definieren, während alle anderen Beteiligten in Angst verharren, tun zu müssen was ihnen gesagt wird und Hemmungen haben, sich kritisch zu äußern.
Es ist an der Zeit diese Angst zu überwinden und gemeinsam eine Stimme zu finden:
Wir sagen, Theater sind Erfahrungsräume der Demokratie. Also müssen wir entsprechend produzieren.
Wir sagen, wirkliche Kunstfreiheit braucht angstfreie Räume. Also müssen wir sie schaffen.
Wir sagen wir wollen keinen Machtmissbrauch. Also teilen wir die Macht auf und tauschen sie gegen Verantwortung und die Hierarchie gegen Aufgabenteilung.
Und bitte lenken Sie nicht ab, Frau Lieneweg, sondern schreiben Sie doch hier - offen und transparent - wie Sie mit dem Staatstheater Karlsruhe verbunden sind. Stehen Sie etwa auf der dortigen paylist? Danke.
Und auch oft erlebt: es geht eben anders und ob dabei große Kunst herauskommt oder nicht, hat NICHTS damit zu tun.
genau das wird doch jetzt diskutiert: WIE wollen wir weitermachen. Ich persönlich hatte wohl vor allem das Glück, die beiden Male, als ich an einem Theater mit sehr destruktiven Strukturen engagiert war, schnell ein neues Engagement zu finden. Seit einiger Zeit beobachte ich mit viel Freude, dass die jungen Kolleg*innen zunehmend die Strukturfrage stellen und nicht nur nach persönlichen Auswegen suchen. Und ich versuche, sie da wo es mir möglich ist, dabei zu unterstützen. Denn wir müssen genau das jetzt aushalten: Wenn eine junge Generation das Theater in seiner jetzigen Struktur nicht mehr für einen erstrebenswerten Arbeitsplatz hält, hat vor allem meine Generation (nennen wir sie „Generation Spuhler“) kein gutes Vorbild abgegeben. Zu Ihrer Argumentation in Bezug auf Karlsruhe kann ich nur sagen, wenn man es nicht schafft, das Ringen um Inhalte auf Augenhöhe und mit Respekt zu führen, hat man in einer künstlerischen Leitungsfunktion nichts zu suchen. Hier sind wir Künstler*innen gefragt, das klar zu benennen. Und ich finde es grundfalsch, neofeudale Arbeitsverhältnisse durch Machtbündelung mit Steuergeldern zu finanzieren. Hier ist die Politik gefragt, die Struktur zu ändern.
Übrigens: mit der Frage wie es angesichts der derzeitigen Pandemie-Situation mit den Theatern weitergeht, beschäftigt sich nach meinem Kenntnisstand jedes einzelne Theater dieser Republik gerade täglich sehr intensiv.
können Sie sich unter redaktion@nachtkritik.de bei uns melden?
Mit freundlichen Grüßen, sd/Redaktion
Das interessiert erst danach oder nebenbei. Zuerst einmal geht es um einen konkreten Fall, aus dem hoffentlich ein wirklicher Fall (nämlich des Intendanten) wird. Er hat lange genug dem Karlsruher Theater geschadet, vor allem die Opernsparte ist eingebrochen.
Interessant ist die politische Landschaft: Im Verwaltungsrat des Badischen Staatstheaters sind Ministerin Bauer (Grüne) und Oberbürgermeister Mentrup (SPD), der Kulturbürgermeister, der auch jegliche Kritik an Spuhler abwehrt, ist Albert Käuflein (CDU). Die Verlängerung von Spuhlers Vertrag wurde durchgewunken, obwohl damals die massive Kritik der Mitarbeiter schon bekannt war.
Dass "große Kunst" nur unter Druck entsteht, ist eines der Ammenmärchen, mit denen wir alle aufgezogen wurden (und werden) und die wir daher für wahr erachten - aber wo steht denn das geschrieben? Die tatsache, dass despotische Regisseure gute Arbeit gemacht haben, beweist nichts. Es gibt auch Gegenbeispiele. Ich habe mehrere Jahre mit Robert Lepage gearbeitet. Man mag ihm manches vorwerfen, aber er war nie ein Despot ( und auch er hat geirrt, als es um die Einbindung der First Nation in eines seiner Projekte ging...)...
Klar, es gibt Erfahrung, es gibt unterschiedliche Berufe und Verantwortlichkeiten und daraus entsteht Reibung, auch Kampf.
Aber die Frage eines politischen, im Diskurs befindlichen "Wir", das um Gemeinsamkeiten ringt, eine Sprache dafür findet, bleiben die meisten Kulturbetriebe leider schuldig.
Ich möchte allen Diskutierenden (m/w/d) dringend das Buch von Robert Habeck WER WIR SEIN KÖNNTEN empfehlen - umabhängig von Parteizugehörigkeit und -affinitäten ist das ein flammendes Plädoyer für eine neue (sprachliche) gemeinsame Auseinandersetzung.
Es sei auch allen Intendant*innen und Spartenleiter*innen dringend empfohlen (auch die nicht mehr im Beruf stehenden Herrschaften mögen es lesen...).
Wir müssen am Theater dieses OBEN - UNTEN - Denken, unabhängig von unseren unterschiedlichen Aufgaben im Gesamtbild, überwinden, sonst haben wir demnächst keine Zuschauer*innen mehr, davon bin ich sehr überzeugt.
die Causa Karlsruhe ist längst ein politischer Skandal. Die Vorsitzende und der Stellv. Vorsitzende des Verwaltungsrates des Staatstheaters Karlsruhe, Kunstministerin Theresia Bauer und OB Dr. Frank Mentrup, haben jahrelang zugesehen, wie die MitarbeiterInnen des Staatstheaters Karlsruhe malträtiert wurden, alle Untersuchungen unterdrückt, alle Fälle vertuscht. Die Liste der jährlichen Motionen des Personalrats seit 2012 an die politisch Verantwortlichen ist beim Personalrat des Staatstheaters anzufordern.
OB Dr. Mentrup hat am 6.12.2020 Bürgermeisterwahl. Über die Verfehlungen von Kunstministerin Theresia Bauer unterrichtet Wikipedia. Also muss die Peinlichkeit schnellstmöglich unter den Teppich gekehrt werden. Wie seit 9 Jahren. (...) Ein Appell an Frau Bauer ist also so zielführend wie einer an den Dorfrichter Adam. Die Causa ist ein Lehrstück darüber, "wie man in der Bundesrepublik Präsident wird". Und wenn man sich weiter mit den Vorgängen in Stadt- und Verwaltungsrat beschäftigt, wird's zur Operette.
Das Karlsruher Streichkonzert steht kommenden Herbst an, da die Stadt 200 Mio Minus gemacht hat und dem Staatstheater ein Drittel seiner Jahreseinnahmen weggebrochen ist. Die Schuld am Streichkonzert wird uns DramaturgInnen dann in die Schuhe geschoben werden.
(...) Aber das Interessante daran ist schon gar nicht mehr die Causa Spuhler
Herzliche Grüße
Boris Kehrmann
Es mag sich viel aufgestaut haben, vielleicht ist manches übertrieben. Aber "ich bitte um Verzeihung für mein Verhalten in den letzten 9 Jahren, ab jetzt alles anders" wird wohl nicht ausreichen.
Die Sommerpause mag verlocken, aber das Sommerloch gibt es nun mal auch... voraussichtlich erstmal keine Ruhe in Karlsruhe.
was gibt es denn so Geheimnisvolles, das wir nicht in diesem Forum besprechen könnten? Oder möchten Sie nicht laut sagen, warum Sie meinen Kommentar nicht veröffentlichen? Wahrheiten sind nicht immer angenehm...
Lieber Heidelberger, Ihr Kommentar enthält unüberprüfbare Tatsachenbehauptungen, was gegen unsere Kommentarregeln geht. Der Fall läge eventuell anders, wenn Sie nicht anonym, sondern unter Ihrem Namen posten würden. Mit freundlichem Gruß, sd/Redaktion
Will aber kurz reagieren,da mir" Theater " wichtig ist! Ich bin 83 Jahre alt,habe bei Gründgens in HH angefangen zu spielen und damals gab es nur Theater,kein Film,keinTV etc.nur Theater und wir waren da von morgens bis nachts. Über ganz Deutschland bauten sich die Theater wieder auf und wir wurden von aller Welt für dieses System beneidet.
Ich denke,ich habe in meinem " Leben mit Theater" fast alles erlebt,was man erleben kann.
Peter Spuhler kenne ich seit seiner 1.Intendanz LTT und schätze ihn sehr und war und bin immer bereit für ihn da zu sein! Er ist klug,gebildet,hat riesigen Arbeitswillen und sucht ( suchte) immer neue Möglichkeiten Theater "heutig" zu sehen,zu zeigen. Er ist mutig in Allem und arbeitswütig.
Das alles macht ihñ vielleicht in einer Zeit,wo Arbeit nicht mehr"alles"ist,nicht gerade beliebt und vielleicht will er nicht nur von sich sondern auch von Allen zuviel,aber er ist integer,verlässlich und ein FREUND!
Liebe Sandra, unter Ihrem Namen oder Ihrer IP-Nummer ist bei uns kein Kommentar eingegangen. Schicken Sie ihn doch bitte noch einmal. Falls Sie unter einem anderen Namen gepostet haben, ist der Grund ein Verstoß gegen unsere Kommentarregeln, die sich für Sie und alle anderen hier finden (bisschen runterscrollen): nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=12&Itemid=102
Mit freundlichen Grüßen, sd/Redaktion
"Das alles macht ihñ vielleicht in einer Zeit, wo Arbeit nicht mehr"alles"ist, nicht gerade beliebt" - diese Unterstellung finde ich tatsächlich anmaßend, betrachtet man die vorgebrachte Kritik an Peter Spuhler. Keine der vernommenen Stimmen scheint NICHT für das Theater zu brennen, darum, dass Peter Spuhler mehr "Hingabe" erwartet, als "man zu geben bereit ist" (was auch nicht verwerflich wäre), geht es bei dieser Debatte doch an keiner Stelle. Es stellt sich auch die Frage, aus welcher Perspektive sie Herrn Spuhler seither kennen. Haben Sie jemals (fest,längerfirstig) unter ihm gearbeitet?
Wir mussten öffentlich sprechen, weil der interne Diskurs 9 Jahre lang nicht gefruchtet hat.
ein in diesem Thread herangezogener Vergleich wurde zurecht als grob unpassend kritisiert. Wir haben den entsprechenden Kommentar sowie die auf diesen bezogenen Antworten entfernt.
Viele Grüße aus der Redaktion
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Lieber Ehemaliger,
wir haben bei Frau Lieneweg nachgefragt. Sie hat geantwortet, sie stehe Peter Spuhler "seit der Bildung des Ensembles des LTT beratend zur Seite". Als Beraterin bezahlt worden sei sie noch nie. Es habe "sich 'nur' eine wirkliche Freundschaft entwickelt".
Viele Grüße,
miwo (Redaktion)
bnn.de/lokales/karlsruhe/mitarbeiter-und-minderjaehrige-berichten-von-sexueller-belaestigung-am-badischen-staatstheater
Den Vorwurf des Machtmissbrauchs können wir als Aussenstehende nicht entkräften. Die schwächere Fraktion der Bezeiligten, in diesem Fall die Mitarbeitenden, sind diejenigen Menschen welche zu beurteilen haben, ob eine Aussage von PS in diesem Zusammenhang glaubwürdig erscjeint oder nicht.
Desweiteren das Argument des "Irgendwie ist der Konflikt unglaubwürdig. Ausgerechnet Spuhler, der für sich in Anspruch nehmen darf, Dinge wirklich anzuschieben, soll auf der anderen Seite ein Klima der Angst verbreiten, gar ein Kontrollfreak sein, der andere in ihrer Kreativität extrem einschränkt, so dass sie nicht mehr arbeiten können" ist keines, weil weswegen darf er sich dies zuschreiben? Wer bestimmt dies?
Ihre weitere Argumentation liest sich leider wie ein klasdischer #whataboutism zur Sache. Um Relevanz von Bühnen geht es nicht, sondern um den Umgang in solchen.
Ihre berechtigte Sorge um die Bedrohungen der öffentlich getragenen Kulturinstitutionen verstärkt dies leider nicht.
Passiert jetzt, was immer passiert? Einer muss (offenbar berechtigt) gehen, ein Bauernopfer ist erbracht, der Intendant bleibt im Amt und kann sich dadurch rehabilitieren, dass es bei ihm ja „nur“ um schlechten Führungsstil ging - und mit einer Entschuldigung kann man den ja locker wieder gut machen ... War was? Es ist wahnsinnig frustrierend.
Liebe Redaktion, wird es nicht Zeit, dass Ihr Euch mal journalistisch engagiert? Warum werden Euch keine Berichte aus deutschen Theaterbetrieben zugestellt, warum versucht Ihr gar nicht erst, Fakten zu sammeln? Ihr begnügt Euch damit, nicht verifizierbare Kommentare nicht zu veröffentlichen. Ist es Euch egal, wie es hinter den Kulissen aussieht? Reicht es Euch, über Thomas Schmidts Studie zu berichten oder Debattentexte über Machtmissbrauch zu veröffentlichen - aber nicht die harten Fakten auszubuddeln? Welche Rolle spielt Ihr in diesem Spiel?
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Lieber Freund,
wir beobachten die Vorgänge am Staatstheater Karlsruhe sehr genau und bilden neue Kenntnisstände tagesaktuell ab. Etwa durch die oben stehende Presseschau.
Wir finden zudem, dass die BNN journalistisch in dem Fall sehr gute Arbeit machen. Wir sind ein überregionales Medium und können diese Arbeit oft praktisch nicht in der Form leisten, wie das eine ansässige Zeitungsredaktion schafft. Lokale Medien sind viel näher dran am Geschehen. Wir würden also derzeit kaum mehr „harte Fakten“ ausbuddeln können als die BNN es derzeit Tag für Tag tun. Vom Kenntnisstand der Kolleg*innen ausgehend, recherchieren wir selbst und prüfen ständig, wie wir auf die Lage journalistisch reagieren.
Viele Grüße,
miwo (Redaktion)
Wenn ich ein paar Milliönchen hätte, würde ich den Mitarbeiter*innen sagen: Zieht geschlossen und solidarisch vondannen, ganz nach dem Motto: Stell dir vor, es ist Theater, und keine*r steht auf der Bühne! Ich würde euch ein halbes Jahr finanziell unterstützen, bis ihr ein neues Engagement gefunden hättet. Ich wünsche euch viel Kraft und hoffe, dass es bald eine gute Lösung für euch gibt und vielleicht der eine oder andere wieder an euer Haus zurückkehren mag. Kaum etwas ist schlimmer, als unter so einem Chef arbeiten zu müssen.Das macht auf Dauer krank.
Unter den zahlreichen Kommentaren zur Führungsqualität finden sich nur sehr, sehr wenige, die Spuhler verteidigen. Hängt es vielleicht damit zusammen, dass die Vorwürfe wahr sind?
Selbst diejenigen, die im Amschluss an ihr Engagement bei Spuhler eine Karriere in anderen Theatern gemacht haben (und derer gibt es eine Handvoll), selbst diese Kollegen melden sich nicht zu Wort und verteidigen ihren ehemaligen Chef. Warum wohl? Vielleicht ist Ihnen bewusst, dass sie nicht wegen, sondern trotz Spuhler Karriere gemacht haben?
(...)
Andere Unterstützer oder Befürworter haben sich bis jetzt nicht geäußert. Weil es keine gibt? Noch nicht mal aus Heidelberg - man Spuhlers Leistung, das dortige Theater gerettet zu haben, wahrlich nicht von der Hand weisen kann - vernimmt man keine verteidigende Stimme.
Auf der anderen Seite ist die Liste derer, die die Vorwürfe gegen Spuhler aus eigener Erfahrung bestätigen können, sehr lang.
Und vermutlich sind die von Nachtkritik nicht veröffentlichten Kommentare weniger von überschwänglichen Lobeshymnen geprägt, sondern zeugen eher von tiefen emotionalen Verletzungen. Dass dies auch mal nicht überprüfbare Thesen beinhaltet, liegt in der Natur der Sache einer "Kultur der Angst".
Es ist schade, dass sich Nachtkritik hier nicht eindeutig positioniert. Nicht unmissverständlich klar macht, dass Spuhlers Theater nicht das Theater ist, für das sie stehen. Dass sie kein Theater gutheissen, dass auf Unterdrücküng, Manipulation und eine Kultur der Angst gebaut ist. Dieses Schweigen ist auch ein Schlag ins Gesicht der Opfer und spielt Spuhler in der Karten. Nicht NEIN zu sagen, bedeutet leider in der Konsequenz keine Neutralität, sondern vielmehr schweigende Zustimmenung. Es stellt sich die Frage, ob es auch hier lang zurückreichende Seilschaften gibt, die dazu führen, dass man Spuhler nicht noch das Messer in den Rücken stechen will.
Bis gestern dachte ich noch, dass Spuhler auch diese Krise überlebt, denn er ist ein Meister des Krisenmanagements. Vorwürfe von Mitarbeitern, von kleinen Rädern im grossen Theatergetriebe, können einem Narzissten vom Schlage eines Spuhler nichts anhaben. Vor allem nicht in einem System, das solches Verhalten begünstigt.
Aber ein Fall von sexueller Belästigung - sollte sich dieser Vorwurf als wahr erweisen - an seinem Theater in Zeiten von #metoo, in seinem Verantwortungsbereich, das wird ihm zum Verhängnis werden. Das kann kein Politiker in Hinsicht auf seinen Ruf und die anstehende Wiederwahl tolerieren oder schön reden. Die Götterdämmerung ist eingeleitet.
- - -
*Dieser Kommentar wurde um eine Passage gekürzt. Frau Lieneweg hat gegenüber der Redaktion bezüglich ihres Verhältnisses zu Peter Spuhler Stellung genommen. Es erscheint uns nicht förderlich für die Debatte, ihre Motive, Spuhler zu verteidigen, nun noch weiter zu befragen. Schon, weil sie nur deshalb hier angegriffen wird, weil sie unter Klarnamen schreibt. Vor allem aber, weil es in diesem Thread nicht um Frau Lieneweg geht, sondern eben um Peter Spuhler und das Staatstheater Karlsruhe.
Viele Grüße aus der Redaktion,
miwo
Jede/r dahergelaufene anonyme User tut hier seine Meinung kund? Ich habe auch eine Meinung zu den Vorgängen, aber wie wohl bei den meisten hier fußt sie vor allem auf Hörensagen, Mini-Einblicken und Vorurteilen. Ich mag es nicht, wenn auf dieser Basis das Fallbeil niedergeht.
Vielleicht sollten die Theater und Politik einmal mehr auf die Strukturen blicken und diese hinterfragen - nicht nur in Karlsruhe.
#Eliza, ja: Götter- UND Göttinnendämmerung ist angesagt. Denn der Terminus besagt genau das: das hierarchische Leitungsmodell an sich steht hier zur Debatte und (zu Recht) unter Beschuss. Denn es ist genauso der Nährboden für ein "Klima der Angst" wie für sexuellen Missbrauch oder Belästigung. Machtmissbrauch kann sich auf viele Arten äußern und Machtkonzentration auf einzelnen Personen ist das Problem, auf das auch die Studie von Thomas Schmidt und viele andere (nicht auf das Theater bezogene) Studien hinweisen.
#Daniel: Warum so wenige Spuhler verteidigen liegt denke ich auf der Hand - auf seine Verdienste hinzuweisen wäre angesichts der Berichte über den Führungsstil etc. ein Hohn für alle, die dieses System (oder ähnliche Systeme an anderen Theatern!) erlebt und unter ihm gelitten haben. Machen die "Verdienste" jedes*r Intendant*in die Umstände "wieder gut", unter denen sie erreicht wurden? Und - so komplex ist die Situation nunmal - wir alle, die wir in solchen System waren oder sind, tragen und trugen erstmal dazu bei, dass es so lange funktioniert hat und immer noch funktioniert. Wie schwer es ist, das Schweigen zu durchbrechen, zeigt die Debatte über den Opferschutz und die Anonymität. Wer möchte schon gerne Opfer sein? Und wer möchte gerne "nachtreten" oder zum Ankläger werden und eine Karriere nachhaltig beschädigen oder zerstören? Das alles in die Öffentlichkeit zu zerren tut weh, es hält uns allen einen ganz schön häßlichen Spiegel vor. Aber wie schon Boris Kehrmann hier formuliert hat - es war offenbar - leider! - nötig. Bleibt sehr zu hoffen, dass wir die Fratze im Spiegel als Aufforderung dazu nehmen, uns selbst und unsere Arbeitsweisen zu hinterfragen und aktiv zu werden. Einzelne bashen - so berechtigt das erstmal erscheint oder ist - ist in der Tat langfristig wenig wirksam. Wird diese Debatte hier das Sommerloch überleben? Was kommt danach?
Und was das angeht gibt es eben zwei Themen: Einerseits die Frage, wie "gute Führung" geht, ob es überhaupt hierarchische Führung braucht, ob sie kunstförderlich und ethisch gut ist und wie eine andere "Theaterleitung" gehen könnte, was es dafür braucht und wer eigentlich dafür sorgt, dass es sich ändert - und andererseits der Vorwurf der Belästigung gegen einen Theatermitarbeiter, der nun ermittelt und hoffentlich aufgeklärt wird. Beides hängt zusammen (durch das Machtsystem), sollte aber getrennt diskutiert werden. Justiziabel ist schlechter oder belastender Führungsstil erstmal nicht - dafür aber sehr wohl ethisch und strukturell diskutierbar.
Mich betrifft es jetzt in Rente nicht mehr - aber die die Kollegen, die noch einige Jahre vor sich haben, werden sich mit Kritik oder Vorwürfen sicher zurückhalten, da sich gut vernetzte Intendanten Störenfriede sicher nicht wieder engagieren werden.
Es ist wirklich an der Zeit ernsthaft über einen Systemwechsel nachzudenken um solche „Theatermacher“ oder „Despoten“ zu verhindern!
Da wünscht man sich mit einen dicken Augenzwinkern wieder einen „Striese“
Die Führungskultur ist falsch und defekt, in weiten Teilen der Szene, und es ist gut und richtig und überfällig dass wir darüber sprechen, aber ich finde es schade, dass ausgerechnet Peter Spuhler als einziger angeklagt wird - und jede:r, der/die ihn namentlich verteidigt, mit ihm.
(Liebe*r Dramaturg:in, den ersten Teil Ihres Kommentars können wir nicht veröffentlichen, weil sich die Erfahrungsberichte bzw. Tatsachenbehauptungen darin für uns unter den gegebenen Umständen nicht überprüfen lassen. Freundlich, die Redaktion)
In der freien Wirtschaft wäre diese Form von Stellenbesetzung und Machtkonzentration undenkbar. Das gibt es vielleicht noch in familiär geführten Betrieben mit bis zu 300 Mitarbeitern. Ansonsten erleben Sie ein Bewerbungsverfahren in dem Sie ein Assessment durchmachen, psychologisch geprüft und von Fachpersonen eingeschätzt werden, ob Sie für eine Führungsposition überhaupt tauglich sind. Auch später erhalten Sie Weiterbildungen und sind dazu aufgefordert als Führungskraft ihre Skills kontinuierlich zu erweitern. In modern geführten Betrieben lernen zuerst die Mitarbeiter ihren künftigen Chef kennen und geben Einschätzungen ab, ob sie sich mit ihr/ihm eine Zusammenarbeit vorstellen können. Erst im zweiten Schritt führt der CEO ein Bewerbungsgespräch. Am Staatstheater Karlsruhe wird halt ein Technischer Direktor ohne Bewerbungsverfahren eingestellt, da der GI gut mit ihm konnte. Modern oder zeitgemäß ist das nicht. Und siehe da, es rächt sich auch.
Und kommen Sie jetzt nicht damit, dass Theater anders sind oder Kunst per se. Einen Betrieb mit 750 Mitarbeitern zu führen ist kein künstlerischer Job. Das muss man können und die nötige Erfahrung dafür mitbringen. Micromanagement, wie es die meisten Intendant*innen betreiben, weil sie das vom Regieführen her kennen, ist leider die falsche Führungsform mit 20+ Mitarbeitern. Ein/e künstlerisch hervorragende/r Regisseur*in ist nicht automatisch eine gute Führungskraft für einen Theaterbetrieb. Auch sowas, wo die Politik oder die tollen "Vitamin-B-rulez"-Findungskommissionen regelmäßig gezielt wegschauen. Die Arroganz und der Hochmut dieser regelmäßig intransparent zusammengestellten Gremien sind für Theatermitarbeiter das eigentliche Problem. Wieso können sich die einbringen, aber nicht die Mitarbeiter am Theater? Wieso kann U. Khuon Empfehlungen für zig Intendanzen aussprechen, Schauspielerin X aus Stuttgart für das Haus an dem sie seit 7 Jahren arbeitet, aber nicht? Die Intendantinnengruppe wird ja schon wissen, was gut für sie ist. Klar, ihr wird ja auch mit dem Intendant*innenwechsel gekündigt: Hire & Fire. Das ist das System am Theater. Da soll mir noch einer kommen und sagen Theater wären keine neoliberal organisierten Klitschen. Es sind widerwärtige, mafiös strukturierte Betriebe, die Abhängigkeiten kultivieren. Die designierten Intendant*innen fangen dann an und wissen meist nicht wo oben und unten ist. Woher auch? In der Wirtschaft hätten sie das fachliche Niveau von Teamleitern. Und die verdienen oftmals nicht mehr als Dramaturginnen. Warum wohl...
Die Theater haben die Entwicklung der letzten 25 Jahre verschlafen, gerade weil sie öffentlich geförderte Institutionen sind und weil die Kulturpolitik null Interesse daran hat, diese Betriebe zu erneuern. Kostet ja was und bedeutet Aufwand. Bauer und Grütters schmücken sich da lieber mit Prestigeprojekten oder überdimensionierten Bauprojekten. Kunst, die gedeihen soll, braucht aber Apparate, die zeitgemäße Kunst auch zulässt. An den letzten Krisen, verteilt über den gesamten deutschsprachigen Raum sieht man doch, dass diese Apparate faul und zerstörerisch geworden sind.
(Lieb:e Dramaturg:in, hier finden Sie unsere Kommentarregeln: www.nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=12&Itemid=102 – freundlich, die Redaktion)
Wohl so verhält es sich auch bei vielen, wenn sie Macht über andere bekommen, wenn sie wissen, dass der andere von ihnen abhängig ist, und dass man sich derer schon irgendwie entledigen kann, wenn diese nicht so spuren, wie man will, wenn sie Grenzen setzen, sich schützen wollen. Und ist es nicht so, dass diese Abhängigkeit in den für das Theater zunehmend schwieriger werdenden Zeiten sogar noch größer wird? Jeder hat finanzielle Verpflichtungen und eine Verkäuferin findet sicher leichter eine neue Stelle, eine Schauspielerin nicht, schon gar nicht, wenn ihr das begangene "Verbrechen der Nestbeschmutzung" vorauseilt. Ein echtes Dilemma, das Machtmissbrauch Tür und Tore öffnet!
Leitende Positionen besetzen auf Entscheidung eines Einzelnen nach Gutsherren Art? So kann sich der Machtmensch langsam, aber stetig sein Imperium aufbauen. Die Hand, die jemandem einen Posten beschert, wird immer schön geleckt werden, ernsthafter Widerspruch ist kaum zu erwarten. Man muss doch brav und loyal bleiben, sonst ergeht's einem wie dem, der aufmuckt! Daher sollte es auch am Theater endlich eine Art Gewalten- oder Machtteilung geben.(Schon wieder "Imagine"?)
Gut, dass die Diskussion angestoßen wurde, gut, dass die Öffentlicheit involviert ist. Jetzt ist die Chance da, die nötigen Veränderungen der Strukturen in die Wege zu leiten.
Avanti, cari attori! :-)
Ich glaube, dass ein Theater keinen künstlerischen Intendanten braucht. Er muss nur den Weitblick und die Bescheidenheit haben, seinem künstlerischen Team, Dramaturg*innen, Regisseur*innen, Schauspieler*innen, Sänger*innen usw., den Freiraum zur künstlerischen Arbeit zuzugestehen. Freiraum ohne Angst lässt Vertrauen wachsen. In dieser Atmosphäre wiederum könnte sich Kreativität entfalten. Wäre das nicht ein Modellprojekt zur Weiterentwicklung von Organisationsstrukturen am Theaterbetrieb? Und sollte nicht gerade jener Betrieb, der inhaltlich so oft den Zusammenhalt der Gesellschaft proklamiert, diesen auch an sich selbst erproben?
Vom Thema der Mitarbeiterförderung und -bindung ganz zu schweigen ... Wo könnten wir stehen, wenn wir regelmäßige Fortbildungen, lebenslanges Lernen, familienfreundliche Arbeitszeitmodelle, Feedback-Kultur, Onboarding und Mentoring etablieren!
P.S.: Auch nicht unerheblich: in wirtschaftenden Unternehmen wird regelmäßig davon ausgegangen, dass neue Mitarbeiter mindestens (!) 5 Jahre an Bord bleiben. Alles andere wäre unwirtschaftlich, weil permanente Einarbeitung nämlich immer Wissenslücken hinterlässt und Ressourcen verschlingt. Und weil Mitarbeiter wiederum, die zu früh in die innere Immigration gehen, mit ihrer Produktivität nicht mehr dem Betrieb dienen. Mit dauernder Fluktuation im ein bis zwei-Jahres-Rhythmus jedenfalls verbrennt man regelmäßig Geld.
Entsprechend haben unangemessen kommunizierende Führungskräfte ein arbeitsgerichtliches Verfahren noch während der Beschäftigungszeit gegen z.B. Diskriminierung oder Mobbing am Arbeitsplatz kaum zu fürchten, da die Rechtslage und die Rechtspraxis für sie nicht ungünstig sind. Dies wissen rechtsaffine Führungskräfte zu nutzen.
Wenn Verhaltenskodizes in deutschen Theatern überhaupt existieren, gelten sie für die Beschäftigten in Selbstverpflichtung. Bei Verstößen können die Vereinbarungen von betroffenen Mitarbeitenden nicht eingefordert oder gar eingeklagt werden. Toxisch wirkt ein destruktives Führungsverhalten dabei in doppelter Weise, weil sie diejenigen, die sich an die Selbstverpflichtung halten möchten als machtlose Gutmenschen erscheinen lassen. Hinzu kommt erschwerend, dass interne Führungsleitlinien innerhalb des Theaterbetriebes zumeist nicht im Vorfeld aus freiwilliger Initiative und Überzeugung entstehen, sondern erst im Mediationsprozess, wenn das Kind bereits im Brunnen liegt - wie in Darmstadt oder Karlsruhe zu beobachten. Verlässt die eine oder die andere Konfliktpartei dann irgendwann das Haus, hat sich das Problem für die Verantwortlichen scheinbar erledigt. Beim nächsten Stellenbesetzungsverfahren beginnt der Circulus dann jedoch von Neuem. Vielleicht hat sich dann wenigstens die parteipolitische Zusammensetzung der Findungskommission geändert…
„Überdurchschnittliche Aussichten zum Erklimmen von Führungspositionen haben diejenigen, die im Grunde mehr Ängste als andere Menschen haben, sich unbefangen in Gruppen zu integrieren, in denen sie nicht eine besonders verwöhnende Beschützung genießen. Ihre angstbedingte Unfähigkeit zu einem solidarischen Verhalten lässt sie den Weg nach oben suchen und finden, wo es ihnen letztlich nur um die Machtmittel geht, sich die Mitmenschen vom Leibe zu halten, vor denen sie sich auf gleicher Ebene bedroht fühlen. Das psychoanalytische Studium solcher Karrieristen zeigt, dass sie ursprünglich meist besondere Ängste haben, sich in einer Gruppe von Gleichgestellten zu behaupten. Sie leiden unter maßlos gesteigerten Befürchtungen, gedemütigt und kleingemacht zu werden. Nur wenn sie eine Gruppe von oben kontrollieren können, fühlen sie sich einigermaßen sicher, dass sie von anderen nicht kaputtgemacht werden.“
Aber dann auch dieses:
„Wer Anpassungszwängen taktisch nachgibt, wohl wissend, dass er ihnen mit vertretbarem Risiko widerstehen könnte und auch sollte, wird nach und nach die Unzumutbarkeit von Anpassungsforderungen gar nicht mehr wahrnehmen, das heißt, die eigene Gefügigkeit auch nicht mehr als Fluchtreaktion durchschauen. Alles erscheint normal: die Verhältnisse, denen er sich ergibt, und der Verzicht auf Gegenwehr, den er eben gar nicht mehr als Verzicht erlebt. Anpassung wird zu innerer Unfreiheit, wenn Menschen und Gruppen sich mit dem verwechseln, was durch äußeren Druck aus ihnen gemacht worden ist. Wer widerstehen will, muss an seiner Unterwerfungsbereitschaft ebenso arbeiten, wie an den Umständen, die falschen Gehorsam fordern. Wie schwierig, aber notwendig es ist, beides zugleich zu leisten, erfährt die Psychoanalyse aus ihrer eigenen Geschichte. Und wir erfahren es neuerdings alle, wenn wir erkennen, dass uns die Anstrengung, unsere eigenen Lebensformen zukunftsgerecht zu verändern, nicht erspart bleibt.“
War mir gelegentlich ein Trost. Denke also: Hexenjagd ist nicht der Weg, Rumjammern auch nicht. Anstrengend ist es auf alle Fälle.
Der Verwaltungsrat muss verpflichtet werden können, vertraglich, sich die Anliegen der Mitarbeitervertretungen anzuhören, so dass über die Protokolle auch nachvollziehbar ist, welche Probleme benannt wurden.Nur so kann man Verantwortung belegen;sonst lassen sich Gespräche immer gut auslegen in der Erinnerung.
Es spielt keine Rolle was ein Verantwortlicher denkt oder meint, gehört zu haben, sondern, was gesagt wurde. Dem genau zuzuhören und gegebenenfalls die Institution und deren Mitarbeiter vor Schaden zu bewahren ist eine vornehmlich Aufgabe des Verwaltungsrates.
im übrigen müssen einem alle leid tun, die in diesem kaputten system noch immer versuchen müssen, ihre brötchen zu verdienen. ich hab nach kurzer nix-zeit den bettel hingeschmissen. und fehle dem theater nicht. warum schleift man diese idiotischen burgen nicht und gibt das geld in stadtteilprojekte und den künstlern formerly known as subkulturelle, statt in diese neurosenzuchtanlagen? da wärs sinnvoll verbrannt und wenigstens demokratisch legitimert. in so geschlossene bordelle geht doch eh keiner mehr. das ist doch vorgestrig.