Das reicht nicht!

11. Mai 2018. Es ist was faul im deutschen Theaterbetrieb: Weniger als ein Drittel aller Stücke werden von Frauen inszeniert. Und nur ein Fünftel der Theater werden von Frauen geleitet. Was ist da los? Ein Überblick zu struktureller Ungerechtigkeit auf und hinter den Bühnen.

Von Anne Peter

Das reicht nicht!

von Anne Peter

Themen des Textes: Zahlen & Fakten – die Studie "Frauen in Kultur & Medien" | Diverse Gründe für Geschlechterungerechtigkeit | (Un)Vereinbarkeit von Familie & Theaterberuf | männliche Kultur der Macht – Netzwerke, Seilschaften, Machtmissbrauch | Sozialisationsbedingte Unterschiede – weibliche Selbstzweifel vs. Genie-Kult | Frauen fördern Frauen? | Gender Pay Gap – ungleiche Bezahlung | Lösungsansätze | Blick ins Ausland | Blick in die Freie Szene | Gagentransparenz | Affirmative Action | Frauenquote | Solidarität & Intersektionalität | Neuauflage älterer Ideen | Was Theater tun können | Was Politik und Verbände tun können | Rolle der medialen Öffentlichkeit

 

11. Mai 2018. Beim Berliner Theatertreffen regieren gerade die Frauen. Männerdämmerung ist angesagt. Faust wird zum brabbelnden Lustgreis, Gretchen zum subversiv fordernden Chor. Die griechischen Helden werden zu populistischen Kriegstreibern, die Troerinnen zu wortmächtigen Opfern. Geleitet wird das Festival von einer Frau, die Jury ist zurzeit mehrheitlich weiblich besetzt. Das "Unlearning"-Begleitprogramm diskutiert die Krise des Patriarchats und die Geschlechterungerechtigkeit am Theater.

Schieflage im Betrieb – ernüchternde Zahlen

Aber regieren sie wirklich, die Frauen? Im vergangenen Jahr wurde nur eine Produktion von einer Regisseurin eingeladen. In diesem Jahr sind es zweieinhalb. Damit wird die Schieflage im Betrieb ziemlich exakt gespiegelt. Nur 30 Prozent der Inszenierungen an deutschen Theatern stammen von Frauen, wobei sie noch seltener auf den großen Bühnen inszenieren (22 Prozent), dafür bevorzugt im Kinder- und Jugendtheater – was viel über die unterschiedlichen künstlerischen Entfaltungsmöglichkeiten und Karrierechancen von Frauen und Männern am Theater aussagt. Ebenfalls nur 22 Prozent der Theater werden von Frauen geleitet (gerade mal drei Prozent mehr als 20 Jahre zuvor), noch deutlicher wird das Gefälle, wenn man auch hier die Größe der Theater (und damit der Budgets) betrachtet. Auch die auf der Bühne erzählten Geschichten haben sich meistens Männer ausgedacht: Nur 24 Prozent der aufgeführten Schauspielautor*innen sind weiblich. Und selbst in den Ensembles herrscht fast immer ein Männerüberhang – schließlich gibt es, so die gern vorgebrachte Rechtfertigung, im klassischen Kanon ja viel mehr Rollen für Männer als für Frauen, von älteren Frauenrollen ganz zu schweigen. Während unsere Bühnenkunst also von der Perspektive des weißen, männlichen Künstlers dominiert ist, sitzen als Publikum unten im Parkett: rund zwei Drittel Frauen, viele davon ältere Frauen.

Diagramm-Serie: Gender Gaps in Bildern

Warum ist das so? Die Recherche führt zu klar umreißbaren Gründen – und in Graubereiche: Die (Un)Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die männliche Kultur der Macht, Netzwerke und Seilschaften, gläserne Decken und ungleiche Bezahlung. Sozialisationsbedingte Geschlechterunterschiede, Genie-Kult und weibliche Selbstzweifel.

Die Zahlen liegen bereits seit dem Sommer 2016 auf dem Tisch. Damals wurde die im Auftrag von Kulturstaatsministerin Monika Grütters vom Deutschen Kulturrat verantwortete Studie "Frauen in Kultur und Medien" vorgestellt, die den Zeitraum von 1994/95 bis 2014/15 untersucht. In der Theateröffentlichkeit wurde sie allerdings erst so richtig diskutiert, als die hartnäckigen Lobbyistinnen von "Pro Quote Bühne" lautstark 50 Prozent Frauen in allen künstlerischen Ressorts forderten. Der Verein ging im Oktober 2017 an die Öffentlichkeit, wenige Tage nach den ersten Harvey-Weinstein-Enthüllungen, und hat das Thema maßgeblich mit in den Diskurs gepusht.

Was sind die Gründe?

Was die Studie des Kulturrates auch zeigt: Unter den Absolventinnen der theaternahen Studiengänge und den Regieassistentinnen machen Frauen mindestens die Hälfte aus. Wohin verschwinden diese jungen, aufstrebenden Frauen? Warum gelingt vielen Frauen der Sprung von der Nebenspielstätte auf die große Bühne nicht? Oder in die Theateroberliga, die sich beim Theatertreffen tummelt?

StaatstheaterBraunschweig 560 Tanz Spielzeit 2018 19BettinaStoessDie Zahlenverhältnisse ändern! "Geschichte wird gemacht" heißt das Motto der 2. Spielzeit von Intendantin Dagmar Schlingmann am Staatstheater Braunschweig, dessen Tanzensemble hier zu sehen ist.  © Bettina Stöß

Wenn man mit Theatermacherinnen spricht, wird schnell klar: Es gibt verschiedene Gründe, nicht die eine Antwort. "Die Anforderungen des Theaterlebens kann man gut erfüllen, wenn man jung, erfolgshungrig und beziehungslos ist und sich gern idealistisch verschwendet. Dann ist es auch egal, dass man wenig verdient und hauptsächlich in der Blase Theater existiert. Mit Familie und mit erlebtem Erfolg ergaben sich für mich andere Sinnfragen", sagt eine ehemalige Regisseurin, die anonym bleiben möchte. Sie hatte keine Lust, noch mehr zu arbeiten und als Intendantin ein Theater außerhalb von Berlin zu übernehmen. "Am Ende handelt es sich beim Theater 'nur' um gut subventionierte Abendunterhaltung. Aber der Großteil der in dem System Tätigen und Untätigen verbreiten einen existentiellen Druck und Stress, als ginge es um lebensrettende Maßnahmen."

Familienfreudlicher 24-Stunden-Job?

Dass die Anforderungen der umfassenden Aufopferungsbereitschaft und Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit am Theater weiterhin en vogue sind, zeigt auch eine Äußerung des Dortmunder Schauspiel-Chef Kay Voges bei der Konferenz "Theater & Netz" am vergangenen Wochenende: "Wenn wir Kunst machen, ist das ein 24-Stunden-Job. Der muss familienfreundlich und sozialverträglich sein. Aber es braucht hundertprozentige Leidenschaft." Leidenschaft okay, aber 24 Stunden am Tag? Wie bitteschön soll das mit einem Familienleben vereinbar sein? Da ist sie wieder: die Idee vom künstlerischen Beruf als Berufung, vom Genie, das ewig wirkt. Feierabend, Freunde, Schlaf? Profanitäten.

Sonja Anders, die noch Chefdramaturgin am DT Berlin, bald Intendantin in Hannover und Mutter von drei Kindern ist, findet es normal, 60 Stunden pro Woche zu arbeiten. "Wenn ich Chefdramaturgin oder Intendantin werde, weiß ich vorher, was das bedeutet." In ihrem Modell ist es ihr Mann, der sein Pensum reduziert hat – das gute alte Rückenfreihalter-Modell, nur unter umgekehrten Vorzeichen. "Man sollte davon wegkommen zu meinen, dass man ständig und permanent, wie ein Workaholic, arbeiten muss", meint hingegen Dagmar Schlingmann, Intendantin am Staatstheater Braunschweig und selbst auch Regisseurin. "Mir macht keiner Eindruck, der rund um die Uhr im Theater ackert. Ich gehe früh um 8 Uhr zur Arbeit, und bin abends, wenn es irgend geht, zuhause bei meinem Sohn." Schlingmann ist 1960 geboren und in ihrer Generation eine der ersten Intendantinnen mit Kind – Vorbilder gab es für sie praktisch keine. Für viele Theatermacherinnen ihres Alters hieß es noch, das ginge nicht. "Man kann auch als Frau mit Kind ein Theater leiten", ist sie überzeugt. Es brauche aber "eine gute Arbeitsteilung mit dem Partner, als Alleinerziehende wird das schwer."

01 Sonja Anders 560 David BaltzerSonja Anders, designierte Intendantin in Hannover und Mutter von drei Kindern © David Baltzer

Regisseurin Friederike Heller teilt sich die Familienarbeit paritätisch mit ihrem Mann, dem Regisseur Patrick Wengenroth; die beiden haben zwei Kinder. Ihr Fazit: "Augen auf, bei der Partnerwahl. Wenn du arbeiten willst als Künstlerin mit Kind, brauchst du einen Mann, der das mitträgt, dich unterstützt." Sie erzählt, wie schnell man als Frau ins Hintertreffen gerät: "Durch den Ausfall in der Schwangerschaft und in den Babymonaten hat der Mann bei konkurrierenden Anfragen oft Vorfahrt, weil er die ganze Zeit über im Geschäft geblieben ist, also die besseren Verträge bekommt, und als Mann im Schnitt ja sowieso besser bezahlt wird. Das ist ein Teufelskreis. Es passiert leicht, dass sie immer schlechtere Karten hat, während sein Marktwert weiter steigt." Das bestätigt Sabine Auf der Heyde, die ebenfalls freie Regisseurin ist und gerade ihr drittes Kind bekommen hat: "Pro Kind fliegt man immer ein kleines bisschen mehr aus der Karrierekurve. Mein Freund ist Bühnenbildner und demnach auch viel und oft unterwegs. Es kann bei uns immer nur einer arbeiten – und er verdient nach wie vor natürlich mehr als ich. Regisseurin ist ein toller Beruf, aber so richtig vereinbar mit Familie und Co. ist er wirklich nicht!"

Gesamtgesellschaftliche Asymmetrie – Care-Arbeit ist weiter Frauensache

Die Beispiele, in denen der Partner entweder Rückenfreihalter oder gleichberechtigtes 50/50-Elternteil ist, sind die hehren Ausnahmen jener wenigen Frauen, die es "geschafft" haben. Die gesamtgesellschaftliche Asymmetrie, nach der Frauen immer noch viel mehr Elternzeit nehmen, nach einer Geburt in Teilzeit gehen und einen Mammut-Teil der Care-Arbeit bewältigen, dürfte auch für viele Theaterschaffende noch gelten.

05 NicolaBramkamp LisaJopt 560 Thilo Beu uRole-Models sind wichtig: Die Bonner Schauspielchefin Nicola Bramkamp + Lisa Jopt, Schauspielerin und Ensemble-Netzwerk-Aktivistin © Thilo Beu

Wie traditionelle Rollenbilder in den Köpfen weiterwirken und für viele Frauen ein Karriere-Hindernis sein können, zeigt eine Anekdote, die die Bonner Schauspieldirektorin Nicola Bramkamp erzählt: "Ich wurde bei der Bewerbung für eine Dramaturgiestelle mal gefragt, ob ich ein zweites Kind wolle. Und dann nicht genommen, weil der Intendant, der selbst Vater von vier Kindern war, meinte, dass das mit zwei Kindern nicht ginge." Ihr zweites Kind hat sie dann in Bonn bekommen, als sie bereits in Leitungsfunktion war. Bramkamp sagt aber selbst, dass sie "total gezögert" habe, überhaupt Mutter zu werden. Vorbilder und Role Models wie Friederike Heller oder Karin Beier seien für sie sehr wichtig gewesen. "Sonst hätte ich mich vielleicht nicht getraut."

Der Preis ist hoch – finanziell wie emotional

Anders Ute Hannig, die "nie einen Zweifel oder Sorgen" hatte, "dass Dinge grundsätzlich nicht zu vereinbaren sind". Die Schauspielerin arbeitet gemeinsam mit Markus John, dem Vater ihrer vier Kinder, im Ensemble des Hamburger Schauspielhauses. Lange Zeit haben sie aber auch an verschiedenen Orten gearbeitet, er reduzierte und pendelte dabei. "Der unbedingte Wunsch, Beruf und Familie zu vereinen, hat dazu geführt, dass einer von uns eigentlich oft umsonst gearbeitet hat, da im Grunde eine komplette Gage für Babysitter und Betreuung draufgeht". Klar sei das oft "eine große Belastung" gewesen: "mit den Kindern den Alltag alleine zu bestreiten, gleichzeitig große Rollen zu erarbeiten, Text zu lernen, mit Nächten ohne Schlaf auszukommen. Den gravierendsten Unterschied zu Kollegen mit oder ohne Kinder erlebe ich, wenn nach einer Vormittagsprobe eine Abendprobe folgt. Die Einen ausgeruht und vorbereitet, die Anderen, zerzaust, müde und ohne Recherche oder weiter gelerntem Text."

ProQuoteBuehne 560 uDie Aktivistinnen vom Verein "Pro Quote Bühne"  v.l.n.r.: France-Elena Damian, Angelika Zacek, Onimar Âme, Amina Gusner, Eva Jankowski, Ivana Sajević und Nicole Janze. © privat

Unter verschärften Bedingungen arbeitet auch Anna Bergmann, freie Regisseurin und alleinerziehende Mutter eines Zweijährigen. Wenn sie auf Reisen ist, übernimmt der Kindsvater oder die Oma die Kinderbetreuung. Dennoch sei das emotional "Hardcore". Zwei Wochen am Stück hat sie ihren Sohn nicht gesehen, als sie in Wien in Endproben steckte. Vorher hatte sie für drei Wochen Probenzeit mit Kind und eigener Mutter in einer Wohnung gewohnt. Bei einer anderen Produktion hatte sie "das Modell 'Wochenend-Mami'" und ist jedes Wochenende nach Hause gefahren. "Aber der Preis ist hoch. Es gibt den Trennungsschmerz und es gibt das schlechte Gewissen."

Too much at a time

Kein Wunder also, dass Regisseurinnen mit Kindern oft weniger Inszenierungen pro Spielzeit zusagen als männliche Kollegen. Mehr als drei Produktionen im Jahr scheint sich kaum eine vorzunehmen. "Wenn ich zusammengerechnet ein halbes Jahr nicht bei der Familie bin, wird's haarig, dann fliegt mir das um die Ohren", sagt Heller. "Das geht mal, aber nicht auf Dauer." Sie hat durchaus immer wieder damit geliebäugelt, eine Intendanz zu übernehmen – Möglichkeiten hätte es gegeben –, aber dann doch beschlossen, diese Ambitionen auf die Zeit zu vertagen, wenn die Kinder größer sind. Für ein Jahr war Heller als Dramaturgin und inszenierende Regisseurin schon mal Mitglied im Leitungsteam der Schaubühne – was sie u.a. wegen Überlastung und Unvereinbarkeit schnell wieder aufgegeben hat. "Uns als Familie hat damals fertiggemacht, dass ich als Angestellte die vorgegebenen Sitzungstermine wahrnehmen musste. Alle anderen Mitglieder der Leitung damals waren ohne Familie, so dass es kein Problem war, auch mal eine Sitzung am Sonntagabend anzusetzen. Für mich waren diese dauernden Abendsitzungen aber ein Riesenproblem."

10 Iris Laufenberg 560 Lupi SpumaRichtet Betriebskindergarten ein: die Grazer Intendantin und mehrfache Mutter Iris Laufenberg
@ Lupi Spuma

Welchen Stress es bedeuten kann, ein großes Theater zu leiten und gleichzeitig möglichst viel Zeit mit der Tochter zu verbringen, macht ein Porträt Karin Beiers aus dem SZ-Magazin anschaulich. Die Intendantin des Hamburger Schauspielhauses gilt vielen in Sachen Familienfreundlichkeit als Vorbild. Ihre Proben finden nicht zwei-, sondern nur einmal am Tag statt und dafür länger. Und nachmittags geht es dann mit ihrer Tochter zum Schwimmkurs. Für Beier gibt es übrigens durchaus biologische Unterschiede zwischen Männern und Frauen und sie selbst möchte, so zitiert das SZ-Magazin, nicht "auf die Frauenthematik reduziert" werden. "Meine Lebenserfahrung spricht einfach dagegen, dass Männer und Frauen dasselbe tun können. Ich akzeptiere, dass ich viel mehr mit unserer Tochter mache als mein Mann. Und dass ich viel mehr arbeite. Ich mache das nicht zähneknirschend. Ich will das so haben." Mit dieser Einstellung unterscheidet sich Beier deutlich von den jüngeren Aktiven der heutigen Theaterfrauen-Bewegung.

Netzwerke, Seilschafen, Machtmissbrauch

Die komplizierte Vereinbarkeit von Familie und Theaterberuf ist der noch am leichtesten zu fassende Grund dafür, warum es für Frauen zwischen 30 und 40 am Theater schwerer wird. Auch die Netzwerke und Seilschaften der männlichen Macht, die Frauen außen vor halten, sind ein Problem. Machtmissbrauch und Übergriffigkeiten sowieso, doch darüber wird im Schauspielbereich noch kaum öffentlich gesprochen – der Offene Brief der Burg-Mitarbeiter*innen in Sachen Matthias Hartmann hat keine Nachahmer gefunden; ob das lediglich die Spitze eines Eisbergs ist, lässt sich nur mutmaßen. Neun Antworten bekam das Ensemble-Netzwerk auf eine Umfrage zu sexuellen Übergriffen und Sexismus unter seinen rund 400 Mitgliedern; konkret wurden dabei fünf Männer "der Übergriffigkeit bezichtigt. Auch Männer in leitenden Positionen oder welche mit sogenannter Richtlinienkompetenz", wie Ensemblenetzwerkerin Lisa Jopt ausführt.

Mehr Handwerkerinnen als Künstlerinnen?

Doch es gibt noch andere Ausschlussmechanismen, die subtiler wirken und schwerer zu beschreiben sind. Es hilft dabei, sich anzuschauen, in welchen Arbeitsbereichen des Theaters das Geschlechterverhältnis ausgeglichener sind. In der Dramaturgie etwa liegt der Frauenanteil bei 48 Prozent, von den Regieassistent*innen sind 51 Prozent Frauen. Das Soufflieren ist sogar ganz überwiegend Frauensache: zu 80 Prozent. Dünn wird die Frauen-Decke also vor allem in den oberen Hierarchieebenen, dort wo mehr Macht, mehr Einfluss, mehr Geld zu haben ist – und mehr künstlerische Selbstverwirklichung. Dort, wo das "Genie" verortet wird. Zugespitzt: Während die Frauen als fleißige Zuarbeiterinnen im Hintergrund werkeln, werden die Männer reich und berühmt.

Burning Issues 560 Thilo Beu u"Burning Issues" – 350 Theaterfrauen versammelten sich im März bei der "Ersten Konferenz der Theatermacherinnen" in Bonn, 100 weitere standen auf der Warteliste © Thilo Beu

Theatertreffen-Leiterin Yvonne Büdenhölzer hat diese Verhältnisse im März bei "Burning Issues", der "Ersten Konferenz der Theatermacherinnen" in Bonn, in eine provokante These gegossen: Dass es nämlich "unter den Regisseurinnen mehr Handwerkerinnern als Künstlerinnen" gebe, "die durch herausragende, eigenwillige ästhetische, formal-inhaltlich bemerkenswerte Handschriften herausstechen". Sie begründete das nicht damit, "dass die Regisseurinnen ihren Job schlechter machen oder weniger Talent haben". Als Gegenbeispiele zu der von ihr beobachteten Tendenz benannte sie Parallelwelt-Erschafferin Signa Köstler, Dokufiktion-Expertin Yael Ronen und Masken-Verfremderin Susanne Kennedy, die in den letzten Jahren mit ihren je sehr eigenen Ästhetiken auch beim Theatertreffen aufgelaufen sind. Dass Frauen mit solch starken Handschriften möglicherweise seltener zu finden sind als männliche Pendants, liegt für Büdenhölzer in den Strukturen begründet sowie in "traditionell eingeübten Rollenbildern". Wenn bei Männern "künstlerischer Größenwahn häufig als eine Form von Geniekult begriffen" werde, gelte dergleichen bei Frauen "als hysterisches Gehabe oder Verzicktheit". Entsprechend werde Frauen "seltener die künstlerische Freiheit gegeben und das Vertrauen geschenkt, in gleichem Maße zu produzieren wie ihre männlichen Kollegen", so Büdenhölzer. Männer seien "gute Behaupter", Frauen "viel kritischer mit sich selbst".

Selbstzweifel vs. Genie-Kult

In Bonn stieß die mittlerweile in Elternzeit befindliche TT-Leiterin mit ihrem Vortrag erstmal auf "eisiges Schweigen", wie sie erzählt. Friederike Heller, auch in Bonn dabei, fand die Analyse durchaus treffend: "Empirisch sind es sicherlich mehr Frauen, die Selbstzweifel als Tool im System haben. Sie tendieren dazu, ihre Entscheidungen mehrfach zweifelnd durchzudenken. Da fallen bestimmte quatschige oder ingeniöse Ideen wieder raus. Der Zweifel macht uns ordentlich." Das ist keineswegs bloße Spekulation; es gibt Studien, die belegen, dass Mädchen sich bereits im Alter von 6 Jahren für weniger begabt halten als gleichaltrige Jungen. Und dass Frauen sich durch derartige Vorurteile entmutigen lassen, eine Karriere in einer Disziplin anzustreben, für die eine vermeintlich angeborene Brillanz oder eben "Genie" notwendig ist, neben Mathematik, Physik oder Philosophie sind das eben zum Beispiel: die künstlerischen Disziplinen. Mit Jelinek gesprochen: "Es wird der Frau kein Werk zugetraut." Oft nicht mal von ihr selbst.

DreigroschenoperThaliaHH 560 ArminsmalovicMännerdämmerung? Noch lange nicht! Szene aus Brechts Dreigroschenoper, 2015 von Antú Romero Nunes am Hamburger Thalia inszeniert © Armin Smailovic

Die vormalige Theatertreffen-Chefin (und aktuelle Grazer Intendantin) Iris Laufenberg betont, wie wichtig es war, dass Marlene Streeruwitz als Jurorin des TT-Stückemarktes 2010 die Anonymisierung des Wettbewerbs angeregt hat: "Man liest die Stücke anders, wenn man weiß, ob sie von einem Mann oder von einer Frau geschrieben sind. Auch auf Regiearbeiten von Frauen wird anders geschaut." Das belegt auch eine US-amerikanische Studie, die identische Dramentexte beliebig unter weiblichem oder männlichem Autor*innen-Namen an verschiedene Theater verschickte. Die vermeintlich von einer Frau verfassten Texte wurden deutlich negativer beurteilt als die des vermeintlich männlichen Autors; sie wurden als qualitativ schlechter, ökonomisch weniger aussichtsreich und als weniger vielsprechend hinsichtlich der Publikumsreaktion eingestuft. Das Überraschende dabei: Diese negativen Einschätzungen stammten ausschließlich von Theaterdirektorinnen, während ihre männlichen Pendants die männlichen und weiblichen Dramatiker*innen genau gleich einschätzten. Die Wirtschaftswissenschaftlerin Emily Glassberg Sands, die die Studie durchführte, vermutet, dass Frauen die Texte von Frauen negativer einschätzen, weil sie um die Hürden wissen, mit denen (Stücke von) Dramatikerinnen konfrontiert sind.

Frauen fördern Frauen?

Dass Frauen selbstverständlich Frauen fördern, darf angesichts dieser Erkenntnisse mindestens leise bezweifelt werden. Ebenso wie die Hoffnung, eine Quote für Theaterintendantinnen würde mit der Zeit quasi automatisch das System darunter mit umkrempeln. Oder eine weiblich besetzte Theatertreffen-Jury würde automatisch für mehr Frauen im Zehner-Tableau sorgen – wie gesagt, im letzten Jahr war gerade mal eine dabei. Statistisch greifbar wird dieser Umstand auch im "ABC der Ungleichheit", das die "Theater.Frauen" Christina Gassen und Maria Nübling, die schon 2015 als Studentinnen ein Symposium zum Thema an der FU Berlin organisierten, seit einigen Monaten verdienstvollerweise auf ihrer zum wichtigen Netzwerk-Knotenpunkt gewordenen Facebook-Seite zusammensammeln: an den von Frauen geleiteten Häusern sieht es regiequotenmäßig oft kaum anders aus als an den männlich geleiteten – große Ausnahmen sind hier zum Beispiel Bamberg unter Sibyll Broll-Pape und Memmingen unter Kathrin Mädler, die tatsächlich mehrheitlich Regisseurinnen im Programm haben.

Gender Pay Gap – bis zu 6.000 Euro weniger als männliche Kollegen

Auf die Sozialisation zurückzuführende weibliche Dispositionen wie ausgeprägtere Selbstzweifel tragen sicher ihren Teil dazu bei, dass Frauen als die schlechteren Verhandlerinnen gelten. Ein Grund dafür, dass sie am Theater selbst bei gleicher Qualifikation oft immer noch viel weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen – auch das legt die Kulturrats-Studie offen. Selbst in Assistenz-Positionen, wo dehnbare Kriterien wie "künstlerische Qualität" kaum zum Tragen kommen dürften, verdienen Männer 45 Prozent mehr Geld als Frauen. Unter freischaffenden Schauspieler*innen sieht es ähnlich aus und im Regiefach beträgt der Gender Pay Gap immer noch 36 Prozent. Regisseurin Anna Bergmann lässt sich seit Langem von Tom Stromberg vertreten, ehemaliger Intendant am Hamburger Schauspielhaus, heute Agent und Berater vieler Künstler*innen. "Seit er für mich verhandelt, verdiene ich deutlich besser. Aber immer noch bis zu 6000 Euro weniger als männliche Kollegen an ein und demselben Haus, mit derselben Erfahrung wie ich!" Als Nicola Bramkamp in Bonn die Schauspielsparte übernahm, war sie konsterniert davon, dass eine 40jährige Schauspielerin ganze 1000 Euro im Monat weniger verdiente als ihr männlicher Kollege gleichen Alters. Das Beseitigen dieser Lohnlücke durch Anpassung der niedrigeren Gage nach oben hat sie eine Stelle im Ensemble gekostet.

12 Theater Frauen Christina Gassen Maria NueblingStellten ein "ABC der Ungleichheit" zusammen: Christina Gassen und Maria Nübling @ privat

Einen weiteren, bisher unterbeleuchteten Problembereich reißt die Bühnen- und Kostümbildnerin Nehle Balkhausen auf (auch in diesem Facebook-Post): "Kostümbildner*innen, meist Frauen, werden immer deutlich geringer bezahlt als Bühnenbilder*innen, von denen die Mehrheit immer noch Männer sind. Nur weil man als Bühnenbildner ein größeres Budget zu verantworten hat, rechtfertigt das noch lange nicht, das man besser bezahlt wird. Die künstlerische Leistung ist beim Kostümbild ja nicht geringer! Als Kostümbildnerin bin ich sehr eng in die Probenarbeit einbezogen und gebe gegebenenfalls auch deutlichen Input zum künstlerischen Gesamtergebnis. Aber anders als Bühnenbildner kann ich nicht, oder nur bedingt, parallel an anderen Theatern arbeiten, da meine Anwesenheit für den Arbeitsprozess unabdingbar ist." Auch hier scheint die Gagenschieflage mit dem Geschlecht zusammenzuhängen. Mal abgesehen davon, dass es für Bühnenbildnerinnen mutmaßlich nicht immer leicht ist, sich mit der technischen Abteilung herumzuschlagen, auf die bühnenbildende Künstlerinnen naturgemäß besonders angewiesen sind und die meist stark männlich dominiert ist.

Was tun?

Was ist nun zu tun? Will man gegen das Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern am Theater wirklich angehen, kommt man mit einer Quote allein nicht weit. Werden einfach nur Frauen anstelle von Männern in Machtpositionen des patriarchal geprägten Systems installiert, wird sich dieses nicht von selbst in einen mitbestimmten Kollektivkörper wandeln. Es braucht einen Bewusstseinswandel und eine grundsätzliche Reform der Strukturen. Den diversen Gründen der Benachteiligung kann dabei nur mit vielfältigen Maßnahmen begegnet werden. Viele kleine Schräubchen an verschiedenen Stellen. Und natürlich müsste man bei alldem unbedingt schon die (Kunst)Hochschulen einbeziehen.

Wie so oft ist auf der Suche nach Lösungen ein Blick über die eigenen Grenzen hinaus hilfreich: auf das Königliche Theater in Kopenhagen, das Dramaten in Stockholm oder das Gate Theatre in Dublin, das unter der engagierten Führung von Selina Cartmell u.a. beispielhaft vorgemacht hat, wie man als Theater Fälle von Machtmissbrauch und Sexismus nüchtern sachbezogen aufarbeiten kann. "In Kopenhagen sind die Strukturen ganz anders", erzählt Nehle Balkhausen: "Die Schauspieler haben dort durch eine starke Gewerkschaft eine viel stärkere Lobby. Das macht ein Leben mit Familie für Theatermenschen sehr viel einfacher. Für mich war das ungewohnt – und nicht nur positiv, weil extrem unflexibel und deshalb auch künstlerisch einschränkend." Geprobt wird ausschließlich von 11 bis 16 Uhr, auch die Anproben konnten nur innerhalb dieser Zeit stattfinden. "Am Dramaten in Stockholm wurde zu Beginn, vor der Konzeptionsprobe, als Reaktion auf #MeToo, ein Statement verlesen, über den gegenseitigen Umgang miteinander."

Gagentransparenz

Auch im Nahbereich gäbe es Anregungsmaterial. Gerade von der Freien Szene könnten die Stadttheater viel lernen, findet Katja Grawinkel-Claassen: "Hier haben sich Künstlerinnen seit Jahrzehnten von hierarchischen, patriarchalen Strukturen emanzipiert und ihre eigenen, häufig kollektiven Arbeitszusammenhänge geschaffen", meint die Dramaturgin vom Forum Freies Theater Düsseldorf. "Bestes Beispiel sind She She Pop, die seit 20 Jahren gemeinsam arbeiten und in dieser Zeit auch Modelle entwickelt haben, Ausfälle durch Mutterschaft, Erziehungszeiten etc. aufzufangen." In der Freien Szene würden bereits jetzt viele der wichtigsten Produktionshäuser und Festivals von Frauen geleitet. "Es ist natürlich auch der Theaterbereich, in dem am wenigsten Geld zu verdienen ist. Von der chronischen Unterfinanzierung sind also – wie in allen prekären Arbeits- und Lebensbereichen – Frauen besonders betroffen."

15 Katja Grawinkel Claassen 560 privat Eigene kollektive Zusammenhänge in der Freien Szene: die Dramaturgin Katja Grawinkel-Claassen vom FFT Düsseldorf © privat

Um einer unterschiedlichen Bezahlung entgegenzuwirken, würde Gagentransparenz enorm helfen. Eine Offenlegung der Gagenstruktur in Bezug auf die Geschlechter, wie sie Pro Quote Bühne fordert, könnte zum Beispiel der Deutsche Bühnenverein mitbefördern. Mit dem Entgelttransparenzgesetz wurde vor Kurzem für Betriebe ab 200 Mitarbeitern ein Anrecht auf Auskunft gesetzlich verankert – inwieweit sich eine einzelne Künstlerin allerdings ihrem (potentiellen) Arbeitgeber gegenüber darauf berufen wird, bleibt erstmal wieder dem individuellen Verhandlungsgeschick überlassen.

Affirmative Action

Es braucht mehr Ermutigung und bestärkende Förderung von Künstlerinnen (ohne diese auf männlich konnotierte Verhaltensweisen hin umbiegen zu wollen). Sich zurückzulehnen und es den Frauen zu überlassen, sich ihre Posten und Regieaufträge, ihre fairen Gagen und tollen Rollen bitteschön selbst an Land zu ziehen, reicht nicht. Oder sich auf der Rechtfertigung auszuruhen, dass es so schwierig sei, Regisseurinnen fürs Saisonprogramm zu gewinnen, weil diese oft nur wenige Inszenierungen pro Jahr machen

Dagmar Schlingmann formuliert das so: "Wir müssen das Theater attraktiv machen und ein gutes Arbeitsklima schaffen, damit die Leute in eine mittelgroße Stadt wie Braunschweig kommen wollen." Wer Standortvorteile in Sachen Arbeitsbedingungen und Familienfreundlichkeit schafft, steigert mit ziemlicher Sicherheit die Chancen, dass Frauen gern bei ihm arbeiten. Wenn hehre Bekundungen zur Geschlechtergerechtigkeit ernst gemeint sind, müssen also besondere Anstrengungen unternommen werden, es braucht "Affirmative Action", also die Bekämpfung struktureller Benachteiligung durch gezielte Vorteilsgewährung (eine politische Praxis, deren Herausbildung eng mit der Bürgerrechtsbewegung in den USA zusammenhängt). Sonst, das zeigen die Kulturrats-Zahlen, ändert sich nichts bis wenig.

Qualität setzt sich nicht immer durch – deshalb pro Quote

Die Quote ist ein typisches Affirmative-Action-Instrument. "Ich wäre nie für die Quote gewesen, wenn nicht die Zahlen deutlich aufzeigen würden, dass sich in den vergangenen Jahren hinsichtlich der Besetzung von Frauen in Schlüsselpositionen so wenig entwickelt hat", sagt Dagmar Schlingmann. Auch der Karlsruher Intendant Peter Spuhler spricht in der nachtkritik-Kommentarspalte von einem "Haltungswechsel", der bei ihm im vergangenen Jahr stattgefunden habe: "Vertrat ich früher die Ansicht: Qualität setzt sich durch und wir aufgeklärten Männer sind nicht das Problem, glaube ich das inzwischen nicht mehr. Qualität setzt sich nicht immer durch. Es gibt Geschlechterungerechtigkeit. Es bedarf der Zeichen und vor allem der Handlungen." Zentral wäre zum Beispiel, dass man überall, wo über Posten, Preise und Gelder entschieden wird, in den Jurys, Gremien und Findungskommissionen, eine paritätische Besetzung anstrebte. Apropos: Erst 2015 wurde mit Barbara Kisseler die erste Frau ins siebenköpfige Präsidium des Bühnenvereins gewählt.

SandrineMicosse Aikins 560 boellstiftung"Die Bedürfnisse von privilegierten Frauen sind nicht universell die Bedürfnisse aller Frauen," sagt die Kuratorin und Kulturwissenschaftlerin Sandrine Micossé-Aikins © Heinrich Böll Stiftung

Auf den Brief, den Pro Quote Bühne an 377 Theaterleiter*innen verschickte, erhielten die Aktivistinnen gerade mal von zwei Intendanten Antwort. Natürlich sind die Quotenforderung oder die im Zuge der #MeToo-Debatte geforderten Verhaltensregeln im Betrieb umstritten. Viele belächeln, andere verachten derart politisch korrektes Bemühen im Bereich der ach so "regellosen" Kunst – "veganes Theater" höhnt man. "Die um sich beißende, sich bedroht fühlende White Male Supremacy zeigt zurzeit sehr hässliche Fratzen", kommentiert Friederike Heller. "Der weiße Durchschnittsmann hat jetzt damit zu kämpfen, dass er Privilegien verliert. Denn natürlich wird den Männern auch etwas weggenommen, wenn man den Gender Pay Gap beseitigt und mehr Frauen als Regisseurinnen verpflichtet", meint Nicola Bramkamp. Manche wittern gar die "Unterdrückung des Mannes". Oder sorgen sich, dass die Kunst unter all dem leide, weil plötzlich außerkünstlerische Gesichtspunkte ebenfalls eine Rolle spielen.

She She Pop-Mitglied Mieke Matzke drehte diesen Spies in der Deutschen Bühne unlängst um und fragte, ob die Qualität nicht vielmehr leide, "wenn fast ausschließlich Inszenierungen von Männern gezeigt werden" – sie sieht darin "mangelnde künstlerische Vielfalt". Und "Theaterformen"-Macherin Martine Dennewald, die 2017 bewusst ein Programm nur mit weiblichen Regiehandschriften zusammenstellte, merkt an, "dass immer schon außerkünstlerische Kriterien vielerlei Art Einfluss genommen haben, und dass der aktuelle Zustand eben nicht neutral ist, sondern mal mehr, mal weniger nach patriarchalen Mustern funktioniert."

Solidarität und Intersektionalität

Deshalb braucht es die Solidarität derer, die bereits an den Schaltstellen sitzen. Der Dramaturg und Dramatiker Konstantin Küspert zum Beispiel achtet nach eigenem Bekunden darauf, dass seine Stücke möglichst von Frauen uraufgeführt werden. Denkbar sind auch Aktionen, wie sie z.B. die Hashtags #Men4Equality und #AllMalePanel sichtbar machen: Mittlerweile gibt es viele Männer, die sich weigern, auf Podien zu sitzen, die rein männlich besetzt sind. Auf die Theater übertragen hieße das etwa, als Mann keine Regieaufträge an einem Haus anzunehmen, an dem nicht auch Frauen auf der großen Bühne inszenieren (Hallo, Schauspiel Frankfurt! Hallo, Berliner Ensemble!). Was gäbe das, einen Run auf Regisseurinnen?

Auf einen weitgehend blinden Fleck in der aktuellen Diskussion, die (noch) weitgehend unter weißen Theater-Frauen geführt wird, hat die Dramatikerin Sasha Marianna Salzmann in ihrer Videobotschaft für die Theatermacherinnen-Konferenz in Bonn hingewiesen:

Eine Videobotschaft der Dramatikerin Sasha Marianna Salzmann für "Burning Issues", das erste Treffen der Theatermacherinnen in Bonn am 11. März 2018 © Sasha Marianna Salzmann

Im Mailwechsel führt sie das aus: Sexismus und Misogynie dürfen nicht von Rassismus, Disablismus und Klassismus getrennt behandelt werden, "sonst führen wir einen geteilten Kampf der Partikularinteressen. Es sind aber keine Partikularinteressen, wir haben alle dasselbe Ziel: Gleichberechtigt miteinander leben und arbeiten. Konkret brauchen wir Menschen mit intersektionaler Erfahrung in den führenden Positionen." Bisher fällt einem da im deutschen Stadttheatersystem tatsächlich kaum jemand ein – außer Shermin Langhoff, Intendantin des Berliner Gorki Theaters und Mutter einer Tochter, die tatsächlich ganz anderen Stoffen und Perspektiven Sichtbarkeit verschafft hat.

Auch Sandrine Micossé-Aikins vom Berliner Projektbüro für Diversitätsentwicklung findet es wichtig zu verstehen, "dass die Bedürfnisse von privilegierten Frauen – also zum Beispiel weißen Frauen und Frauen ohne Behinderung – nicht universell die aller Frauen sind. Maßnahmen, die sich aus so einem verkürzten Verständnis ableiten, nützen nur wenigen. So fördert zum Beispiel das Mentoring-Programm des Kulturrat-Büros insbesondere Frauen, die sowieso schon weit gekommen sind. In dem Moment, in dem man bestimmte Ressourcen habe – so wie die Theaterfrauen zurzeit die Aufmerksamkeit in der Branche hätten –, solle man "schauen, wie Mehrfachdiskriminierung und die vielfältigen Perspektiven zum Beispiel innerhalb der Kategorie 'Frau' thematisiert werden könnten. Das wäre ein intersektionaler Ansatz." Außerdem müsse sich unsere ganze Arbeitskultur verändern: "Man darf nicht nur Männer durch Frauen ersetzen. Es braucht insgesamt andere Formen der Zusammenarbeit."

Shermin Langhoff 560 Stephan Rohl Andere Geschichten erzählen: Shermin Langhoff, Intendantin des Berliner Gorki Theaters
© Stephan Röhl CC BY-SA 2.0

Lösungsvorschläge für die Schublade

Vorschläge und Ideen, wo man ganz konkret ansetzen könnte, gibt es – neben den bereits beschriebenen – genug. Und das nicht erst seit gestern. Bereits 2005 fand in Düsseldorf eine "Standortbestimmung. Theaterfrauen in Spitzenpositionen" statt, organisiert vom Frauenkulturbüro NRW, unterstützt auch vom Bühnenverein, für den der damalige Vorsitzende der Intendantengruppe, Holk Freytag, als Panel-Teilnehmer anwesend war. Die Veranstaltung wurde umfangreich dokumentiert und mit einer langen Liste von "Handlungsempfehlungen" (u.a. für die Verbände) versehen – die offenbar einfach in den Schubladen verschwanden und nicht wieder angefasst wurden. Ein echtes Versäumnis. Erst jetzt, so wirkt es, ist das Thema wirklich im Betrieb angekommen – getragen vom gesamtgesellschaftlichen Diskurs um #MeToo.

Viele der damals gesammelten Ideen finden in der jetzigen Diskussion ihre Neuauflage – etwa in den Vorschlägen, die der Runde Tisch "Frauen in Kultur und Medien" erarbeitet hat, den Kulturstaatsministerin Monika Grütters nach dem Erscheinen der Kulturratsstudie einberufen hat. Sonja Anders saß mit in der Runde – und ist enttäuscht: "Die Politik suggeriert, dass sie was tut und uns unterstützt. Dabei verteilt sie höchstens Pflästerchen. Wir haben in der Arbeitsgruppe des Runden Tisches ein tolles Papier entwickelt, mit ganz konkreten Forderungen und Maßnahmen, die man jetzt angehen müsste. Dieses wurde an Frau Grütters weitergegeben. Aber ein knappes Jahr später ist kaum etwas passiert: Es gibt diese Büro-Stelle, ein Mentoring-Programm und Monitoring. Schön und gut. Aber die wichtigsten Forderungen sind noch lange nicht umgesetzt." Ja, ein bisschen mehr Bewegung, ein bisschen mehr Tempo wäre schon schön.

anta helena recke 560 c lena mody 02Shootingstar: die Regisseurin Anta Helena Recke, mit "Mittelreich" beim Theatertreffen 2018 © Lena Mody / Berliner Festspiele

Best Practice – was Theater tun können

Im Kleinen, an einzelnen Theatern, gibt schon viele Best-Practice-Beispiele, die zeigen, dass es anders geht: Anna Bergmann plant als neue Schauspieldirektorin in Karlsruhe für die neue Spielzeit ein Programm nur aus weiblichen Regieführenden – und provozierte damit einen Aufschrei unter den nachtkritik-Kommentatoren. Das Staatstheater Braunschweig unter Dagmar Schlingmann arbeitet mit einem "Code of conduct", um das Arbeitsklima zu verbessern. Markus Dietze hat in Koblenz schon vor Jahren den Gender Pay Gap beseitigt und achtet beim Spielplan-Machen auf Ausgewogenheit. Nicola Bramkamp hat in Bonn durchgesetzt, dass die Stadt für einen Kinderbetreuungszuschlag aufkommt. Iris Laufenberg hat als Intendantin in Graz einen Betriebskindergarten mit ins Leben gerufen.

Selbstreflexion tut not und gut: Mancherorts werden externe Coaches ins Haus geholt, die dabei helfen, Arbeitsabläufe und Kommunikation zu verbessern, oder Vollzeitstellen für Personalentwicklung / Gleichstellungsbeauftrage geschaffen. Die Hierarchien werden gelockert, es wird über mehr Mitbestimmung nachgedacht. Es werden keine Sitzungen nach 16 Uhr anberaumt und auch nicht mehr streng am Tagesablauf von Vormittags- und Abendprobe geklebt, der Eltern den Theater-Job oft besonders schwer macht. Es gibt Theater, die probenfreie Montage haben und längere Probenzeiträume ermöglichen. Theater, die den abendlichen Babysitter bezahlen und die ihren Regisseur*innen Gästewohnungen für die ganze Familie zur Verfügung stellen. Alles keine Dinge der Unmöglichkeit – aber Einzelfälle noch.

Gerechtigkeit kostet – was Politik und Verbände tun können

Wenn man Reformen nicht dem guten Willen Einzelner überlassen möchte, braucht es auch übergeordnete Institutionen, die mitziehen, und Kontrolle von außen. Ein wichtiger Player ist das Ensemble-Netzwerk, das im Gesamtbetrieb für bessere Arbeitsbedingungen trommelt und u.a. einen besseren Kündigungsschutz für Schwangere durchgesetzt hat. Der Deutsche Kulturrat hat ein Frauen-Projektbüro geschaffen. Und auch der Deutsche Bühnenverein hat sich endlich bewegt und eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die u.a. eine Beratungsmöglichkeit für Betroffene sexueller Belästigung einrichten, Führungskräfte-Weiterbildung anbieten und einen Verhaltenskodex entwickeln möchte.

ensemblenetzwerk 560 stephanwalzl You are not alone: das Ensemble Netzwerk engagiert sich für bessere Arbeitsbedingungen – davon würden Frauen und Eltern sehr profitieren. © Stephan Walzl

Klar, dass all diese Maßnahmen auch finanziert werden müssen – Gerechtigkeit kostet, fair produziertes Theater gibt’s nicht für umme. Das können die Theater natürlich nicht allein kompensieren, auch wenn sie Spielraum schaffen könnten, indem sie etwa pro Spielzeit ein Projekt weniger ansetzten. Die Politik muss sie hierin unterstützen, muss weniger auf Auslastungszahlen schauen und könnte vielmehr die öffentliche Förderung an gleichstellungsfördernde Maßnahmen knüpfen – Frauen- statt Einschalt-Quote. Denn sie kann ethischere Arbeitsbedingungen an Theatern nicht nur durch Zusatzmittel ermöglichen, sondern auch erwirken: indem sie zum Beispiel bestimmte Zielvorgaben in Intendant*innenverträge mit aufnimmt. Punktuell fühlt die Kommunalpolitik den von ihnen bezuschussten Theatern in Sachen Geschlechtergerechtigkeit jetzt auf den Zahn, in Frankfurt am Main hat es beispielsweise eine Anfrage an den Magistrat gegeben.

Last not least muss die mediale Öffentlichkeit der Entwicklung auf die Finger schauen – und zugleich ihre eigene Rolle als Gatekeeper reflektieren. Welche Arbeiten begleiten wir kritisch, welche nicht? Muss es unbedingt die Arbeit auf einer großen Bühne sein oder besprechen wir die unbekannte Regisseurin in der Nebenspielstätte? Reicht ein erhöhtes Bewusstsein, arbeiten wir mit Quoten? Ein Prozess ist angestoßen, die Maschine läuft. Jetzt liegt es an uns allen, dass – anders als in den Jahren zuvor – die Diskussion nicht wieder im Sand verläuft.

 

Ich möchte mich bei meinen Gesprächspartnerinnen und bei allen bedanken, die durch Mails, Texte und Tweets zu diesem Text beigetragen haben. Ein besonderer Dank gilt Theresa Riess, deren Diplomarbeit "Geschlechtergleichheit im Theater" ich lesen durfte, sowie Maria Nübling, Christina Zintl und Christina Gassen für zahlreiche Anregungen zum Thema.


 

a.peter kleinAnne Peter, geboren 1980, leitet gemeinsam mit Christian Rakow die Redaktion von nachtkritik.de. Sie studierte Theaterwissenschaft und Neuere deutsche Literatur. Seit 2005 schreibt sie als freie Theaterkritikerin für verschiedene Medien. Sie ist Mutter von zwei Kindern und lebt in Berlin.

 

Im März 2017 hatte Georg Kasch bereits einmal stichprobenartig nachgezählt und das Schwarzbuch der Geschlechterungerechtigkeit auf deutschsprachigen Bühnen geöffnet.

Kommentare  
#1 Geschlechterungerechtigkeit: FragenLTI 2018-05-11 16:33
Eine sehr gute zusammenfassende Arbeit über alles, was in den letzten Jahren mit mehr Öffentlichkeitsbewusstsein bewegt wurde und sich bewegt.

Wie schnell man trotz allem guten Willen selbst gefangen sein kann, zeigen Frauen die an dieser Gleichstellungsfront kämpfen trotzdem:

Wieso arbeitet denn einer der Partner und Eltern gemeinsamer Kinder für "umsonst", wenn einer der von beiden erzielten Verdienste für die notwendige Kinderbetreuung gezahlt wird? Ist die Bezahlung von famliennahen Dienstleistungen wie Kinderbetreuung bei Abwesenheit der Eltern "umsonst" gezahlte? Also überflüssig? Für wen? Für die Kinder? Für qualifizierte, liebevolle KinderbetreuerInnen? Für die im Lot gehaltenen Persönlichkeitsentwicklungen in einer Partnerschaft von einander Liebenden?

Wieso steht fest, dass im Verhältnis zu z.B. nicht-weißen Frauen und behinderten Frauen, ausgerechnet weiße Frauen und nicht-behinderte Frauen privilegiert sind? Wo doch bei allen Inklusions-Gesprächen und -Diskussionen immer darauf bestanden wird, dass eine Behinderung im Sinne des Wortes doch gar keine Behinderung sei? Und dass Hautfarbe keine Rolle spielen dürfe für Verteilungsgerechtigkeit, weil sie real völlig unerheblich ist für eine Kompetenz undoder Leistungsstärke?

Und warum kann man gleichzeitig so sehr für das rein soziale Geschlecht, das mit dem biologischen nahezu nichts zu tun hätte, plädieren aber andererseits eine Frau, die sich hart und unnachgiebig verhält, und andere "zu Fall" bringt, eindeutig als eine bezeichnen, die sich "wie ein Mann" verhalten würde?

Wenn Kay Voges meint, dass er einen 24-Stunden-am-Tag-Job machen könne, heißt das, dass andere das deshalb nicht können, weil es ihnen- anders als ihm und denen, die er mit "wir" meinte, an "Leidenschaft" mangelt? Oder fehlt es anderen lediglich an leidenschaftlich bedingungslosen KünstlerrückenfreihalterInnen? - (Ich war nicht auf der tn18, hätte ihn das aber garantiert gefragt, wäre ich dort gewesen - Ich war nicht da, weil ich mir solche Sachen von politisch ach so engagierten KünstlerInnen einfach nicht mehr anzuhören gewillt bin: vielleicht der erste Schritt, um gute Vorschläge NICHT sofort in Schubladen nach ganz hinten und ganz unten zu befördern und sie nie wieder anzufassen...?)

Die amerikanischen Studien von Glassberg Sands kann ich, nicht nur was Dramentexte, sondern literarische Texte überhaupt anlangt, nur bestätigen. Wenngleich ich auf anderem Wege und bereits vor beinahe 20 Jahren zu sehr ähnlichen Ergebnissen kam. Indem ich feststellen durfte, welchem Geschlecht das Verfassen welcher Texte und sogar inhaltlich undoder formal beurteilter Textteile zugeordnet wird, wenn vom Verfassernamen sich eben nicht auf das Geschlecht desjenigen Menschen schließen lässt, der den Text verfasst und eingesandt hat.
Und auch feststellen durfte, von wem dann unterschiedslos Geist und Werk, Stil und Ausdruck welchem vermutetem Geschlecht zugeordnet wurde.
Und auch feststellen durfte, wieviel Wut das ausgelöst hat bei denen, deren Urteil und Veröffentlichungs-Unterstützung für Verfasserbisherunbekannt gefragt war-
Wut darüber, sich ausschließlich an den Text halten zu müssen und zu können. Nur an Geist, nicht an Geschlecht und Körper, außer an eines/n, das/der aus dem Text sichtbar beschrieben hervorgeht.
Wut darüber, sich nicht auf Leumund, Vor-Urteil, Einschätzung von Kassen-Erfolgsaussichten anderer, Vitamin B usw. verlassen zu können.
Wut, selbst und ganz allein gefragt zu sein von Unbekannt.
Wut, selbst und ganz allein Verantwortung übernehmen zu müssen für ein - prominentes oder auch unbekannteres - fachliches Urteil.
Wut, selbst und ganz allein Verantwortung übernehmen zu müssen für Unterstützung von Veröffentlichung und Verbreitung von deutschsprachiger zeitgenössischer Geistesarbeit. Oder für deren Ablehnung undoder gar Verhinderung...
#2 Geschlechterungerechtigkeit: root of all evilPrinzessin 2018-05-12 00:20
Vielen Dank Anne Peter!
Das gibt vielen, die das Thema noch nicht als "kunstnah" genug begriffen haben die Möglichkeit mal auf den Stand der Dinge zu kommen.
Ich finde es braucht vor allem Öffentlichkeit und dranbleiben. Und da hoffe ich wirklich sehr auf den langen Atem von nk!!!
Was im Schauspiel Frankfurt abgeht, nachdem im Vorjahr schon festgestellt wurde, dass upsi, keine Frau zu finden war für die große Bühne, um die nächste Saison identisch zu fahren, das ist schon echt starker Tobak. Nur leider sagt die Kulturpolitik: we don't give a fuck! Wenn die Zahlen stimmen, macht doch was ihr wollt. Und genau da ist m.E. das Hauptproblem. Affirmative Action, Quote sind Lieblingsinstrumente einer aktiven linken Gesellschaftspolitik. Kulturpolitik haben Künstlers aber am liebsten rechts - wie Frau Grütters - weil der/die Konservative hat Bildung und quatscht nicht rein. Dafür ist der eingelernte Abstand zwischen Kunst- und bürgerlicher Geschäftsebene zu groß. Und deshalb gibt es mit Frau Grütters und ihrer Partei niemals eine Quote. Oder einen ernstzunehmenden Mindestlohn für Kunst. Und da kommen wir zur root of all evil. Die doch mehrheitlich narzisstische Klientel der Künstlers müsste zunächst mal anerkennen, dass die eigene Freiheit nicht das Maß aller Dinge ist. Sondern die Umgebung auch eine gewisse Bedeutung genießt. Schwierigst für viele Protagonist*innen. Weil uneingeübt und eigentlich auch ein bißchen verachtetes Kleinklein.
Naja. Bitte berichtet weiter viel über den Anteil von Frauen und Männern in den Spielplänen. Positiv wie negativ. Vielleicht entsteht ja auch aus öffentlichen Druck endlich mal eine Kulturpolitik, die nicht nur die Granden schützt sondern alle, die die Kulturprodukte erst ermöglichen.
#3 Geschlechterungerechtigkeit: StandardsKathrin 2018-05-12 10:21
Eine wichtige, aber von Nachtkritik durchaus auch scheinheilig geführte Diskussion: Auf der einen Seite wird mittlerweile jeder neue Spielplan, jede Inszenierung sofort reflexartig auf Gender-Gerechtigkeit hin geprüft (Wieder zu wenig regieführende Frauen auf der großen Bühne!). Aber Nachtkritik wird selbst diesen geforderten Standards keinesfalls gerecht - und hätte es doch auch in der Hand, dem z.B. mit einer Quote entgegen zu wirken: Bei der von Nachtkritik organisierten Konferenz "Theater und Netz" vor einer Woche waren unter 12 Referent*innen auf der großen Bühne nur 2 Frauen! Auf Nachfrage gab es natürlich auch hier Ausflüchte und vorgebrachte Gründe (Urheberrecht!) so wie sie ebenso jedes Schauspielhaus anführt, das zu wenig Frauen auf der großen Bühne inszenieren lässt. Und natürlich gab es auf den kleinen Nebenbühnen noch mehr referierende Frauen, aber auch bei "Theater und Netz" gilt: Große Bühne = große Aufmerksamkeit durch ein größeres Publikum, Live-Übertragung und Aufzeichnung und dadurch breitere Wirkung, Reichweite und Dokumentation. Glaubwürdiger wird der große Kampf für Gender-Gerechtigkeit dadurch leider nicht.

(Liebe Kathrin -
Sie haben diesen Vorwurf schon in einem anderen Thread geäußert, wir können nur wiederholen, dass auf der Referenten*innenliste von Theater&Netz 12 Frauen und 17 Männer stehen. Welche Vorträge am Ende gestreamt wurden, hing mit komplizierteren Gründen zusammen, auch wenn Sie es das für Ausflüchte halten, aber es gibt nun mal ein Urheberrecht. Bei der Auswahl der Premieren, die wir besprechen, haben wir tatsächlich keine offizielle. nach außen kommunizierte Quote. Nach innen existiert das Kriterium sehr wohl. Hier gibt es genügend Redakteur*innen darauf achten, dass mehr Regisseurinnen und Dramatikerinnen besprochen werden. Es ist übrigens ein Mann, der am genauesten mit darauf achtet.
Mit besten Grüßen / sik)
#4 Geschlechterungerechtigkeit: homogener ZirkelAngela 2018-05-12 12:46
Zum Thema Geschlechterungerechtigkeit empfehle ich, die Bilder von Sitzungen des Bühnenvereins anzukucken. Ob nun Tagungen auf Bundes oder Landesebene. Fast ausschliesslich ältere, weißhaarige, biodeutsche Männer. Frauen im Verhältnis 1:10. Bestenfalls. Solche derart homogenen Zirkel gibt es mittlerweile nicht mal mehr in Vorstandsetagen. Diversität ist in den Führungsetagen deutscher Theater ein Fremdwort. Und da meine ich nicht nur mit, dass Frauen fehlen. Es fehlen auch Männer, die nicht Heinz, Klaus, Stefan oder Jürgen heißen, sondern vielleicht einen fremdländisch klingenden Vornamen haben. Von Frauen mit solchen Vornamen (abgesehen mal von Shirin...) ganz zu schweigen. In Unternehmen weiß man längst, dass Diversität vor allem deshalb wichtig ist, weil Diversität in den Führungsstrukturen auch bedeutet, dass das Produkt, das man anbietet, sich erfolgreicher (nämich bei noch mehr Zielgruppen) verkaufen lässt. In den deutschen Theatern ist das noch nicht wirklich angekommen.

Das Jammern über sinkende Zuschauerzahlen hat auch damit zu tun, dass die äletern gutbürgerlichen biodeutschen Abonnenten (Studienräte, Beamte) langsam aussterben - und die älteren gutbürgerlichen biodeutschen Intendanten den Diversitätsgedanken vielleicht intellektuell durchdringen haben, das will ich ihnen ja gar nicht absprechen, ihn aber nicht leben können oder wollen.

Der Fisch stinkt vom Kopfe. Und der Kopf, das sind nunmal in den Führungspositionen zu (geschätzt!) 90 Prozent biodeutsche Männer aus der oberen Mittelschicht im Alter von 50+.
#5 Geschlechterungerechtigkeit: pseudo-linkes PolitportalSam 2018-05-12 14:18
#4. Mir geht dieser Rassist*innen–Sprech hier einfach nur noch auf den Keks! Diese Diffamierungen aufgrund von Rasse, Alter und Geschlecht gehören in den Müll. Nichts, was ihr Aktivisten glaubt bekämpfen zu müssen wird sich so zum Besseren wenden. Nachtkritik ist zu einem pseudo–linken Politportal verkommen, indem das Theater eigentlich keine Rolle mehr spielt.
#6 Geschlechterungerechtigkeit: Geschlechterbildermartin baucks 2018-05-13 08:43
Brabbelnder Lustgreis, populistische Kriegstreiber, Krise des Patriachats, männliche Kultur der Macht, Netzwerke und Seilschaften, gläserne Decken, Genie-Kult, Machtmissbrauch, Übergriffigkeiten, Männer reich und berühmt, künstlerischer Größenwahn, gute Behaupter, angeborene Brillianz, Genie, Sexismus, männlich konnotierte Verhaltensweisen, um sich beißende, sich bedroht fühlende White Male Supremacy, hässliche Fratzen, der kämpfende, weiße Durschnittsmann wittert Unterdrückung, sexuelle Belästigung, Männerdämmerung.

Wie lebt es sich eigentlich mit einem so miserablen Männerbild aus dem vorigen Jahrhundert, liebe Anne Peter? Ich für meinen Teil, würde mir ernsthaft Sorgen um mich selbst machen, wenn ich nur ansatzweise so viele Vorurteile gegenüber dem anderen Geschlecht produzieren würde und kaum positive Nennungen hervor brächte, außer denjenigen gegenüber, die sich konkret mit mir solidarisieren. Eine solche Haltung finde ich mehr als bedenklich. - Keine Freude am anderen Geschlecht?! - Es gehen also zwei Drittel Frauen als Publikum ins Theater, darunter viele ältere Damen. Wann beginnt das eigentlich bei Ihnen, der Status ältere Frauen? Und deshalb muss diese Klientel mehr Inszenierungen von Frauen, für Frauen und mit Frauen zu sehen bekommen? Was aber, wenn viele Frauen ins Theater gehen, um Männer zu sehen?! Und keine feministischen Kunstwerke. Schon mal drüber nachgedacht? Oder kommt so ein Gedanke, hinter den vielen Filtern mit denen Sie Theaterabende betrachten, schon gar nicht mehr vor, weil er einfach nicht vorkommen darf?

Da ist er wieder, der blöde Baucks mit seinen Fragen! - Verstehen Sie, viele Forderungen, die Sie stellen sind absolut berechtigt und Männer sind heute von ihnen ebenso betroffen wie Frauen, bis auf wenige Ausnahmen. Das Frauen weniger gezahlt wird, ist beispielsweise einfach nur schrecklich.

Aber wissen Sie, was auch schrecklich ist?! Ein eindimensionales Bild von Männern am Theater! Und das in der heutigen Zeit. Sie müssen völlig verblendet sein, wenn Sie nicht sehen wollen, wie viele tolle Männer es heute dort gibt. Faust als der sabbernde Lustgreis ist eher die Ausnahme, wenn es nicht überhaupt nur ein Klischee ist, dass immer dann als Figur hervor gezerrt wird, wenn es darum geht etwas Wirbel, etwas affirmative Action zu veranstalten, um den eigenen Ruf zur Zeit der Festspiele zu steigern. Und überhaupt, ist die von Ihnen geliebte siebenstündige Aufführung, die Sie so gerne für „ihre Sache“ instrumentalisieren, gemacht von jemandem, der sich selber provokativ „Sexist“ nennt, ist dieser Abend überhaupt familienfreundlich, sowohl für die Macher*innen und das Publikum? Produziert ihr herbei gesehnter Vegard Vinge familienfreundlich? Oder sind das nicht auch die von Ihnen verachteten und gehassten Männer, die einen Genie-Kult um sich betreiben?!

Wie bekommt man es hin, einen Genie-Kult bei Männern zu hassen, den man sich selber für Frauen herbeisehnt, damit sie endlich ihre künstlerischen Selbstzweifel überwinden, die Sie natürlich nur im Weiblichen verorten wollen?! Manchmal kann man nur noch schmunzeln, wenn die Rede auf die „ach so ordentlichen Handwerkerinnen“ kommt, die ja in ihrem Genie nur von der Fratze des weißen Durschnittsmannes gehindert werden und es einfach nicht schaffen diese Lustgreise künstlerisch zu überwinden. Was für arme Opfer! Mir kommen die Tränen.

Diese zwanzig bis dreißig Prozent Frauen, die Regie führen, (und wie oft muss man es eigentlich noch sagen, am Kinder- und Jugendtheater zu arbeiten ist keine Demütigung) sind der lebende Beweis dafür, dass Sie nicht in einem reinen Patriarchat leben, sondern in einem sich änderndem System, das im übrigen seit über zwölf Jahren von einer Frau regiert wird. Aber all das darf man, und ich schon gar nicht, natürlich nicht in Ihre Überlegungen einbringen, das stört Ihre Rechnung, die Sie zwanghaft immer wieder neu eröffnen müssen, ohne die Fortschritte anerkennen zu wollen. Zu wenig, heißt nicht, dass es nicht reicht, nicht genügt. Natürlich, es könnte besser sein. Aber das es nicht besser ist, allein den Männern anzulasten, erscheint mir zu kurz gegriffen. Und das im Kulturbereich, wo es noch am einfachsten ist, dass andere Geschlecht für innovative Ziele zu gewinnen.

Sie jammern. Und mit Ihnen eine ganze Generation. Eine Generation von jungen Frauen, die vergleichsweise bessere Chancen haben als alle Generationen von Frauen vor ihnen und sie auch zu recht nutzen. Niemand will sie im Theaterbereich wirklich hindern, bis auf wenige, zu vernachlässigende Ausnahmen, die sowohl männlich, wie weiblich sein können. Sie bauen ein Gespenst auf, einen Popanz, die Fratze von dem ewig frauenhassenden, ängstlichen Mann, der um seine Privilegien bangt. Und deshalb sage ich: Nicht der Mann ist in einer Krise! Es gibt keine „Männerdämmerung“. Was für ein Quark! Der Feminismus befindet sich in einer schweren Krise, weil er ohne den hässlichen, dummen, sabbernden, geilen, alten männlichen Sack nicht mehr voran kommt. Ihm kommt allmählich sein Feindbild abhanden. Und deshalb müssen sexsüchtige, kranke Einzelfälle zu einem Gesamtbild Mann aufgeblasen werden, die es so mehrheitlich einfach nicht mehr gibt. Es ist das letzte Aufbäumen eines traditionellen Feminismus, wie man ihn von den Achtundsechziger Müttern ererbt hat und der einfach nicht mehr in die heutige Zeit passt, auch wenn sie noch so oft die Harvey Weinsteins als Schweine durch das Dorf jagen. Ja, das ist eine aussterbende Spezies, obschon es Vergewaltiger immer geben wird, auf die Sie sich im feministischen Notfall berufen können.

Sie sehen einfach nicht die vielen tollen Männer, die längst nachgewachsen sind und die ich dafür liebe, dass sie sich nicht leichtfertig provozieren lassen. - Und übrigens, das war kein männlicher Aufschrei gegen das Karlsruher Konzept, es war ganz schlichte und begründete Kritik. Warum in Karlsruhe den selben Mist mit umgekehrten Vorzeichen aufbauen, den es auch in Frankfurt gibt?! Vollkommen uninteressant.

Was fehlt, ist eine gemeinsame Vision aller Geschlechter. Dieses einseitige Abfragen von Konflikten in der Kindererziehung, die einfach alle betreffen, es nervt nur noch. Wo ist Ihre Vision vom glücklichen Beisammensein aller Geschlechter? Oder schreiben Sie doch einfach mal einen Artikel über die Schönheit der heterosexuellen Liebe auf dem deutschen Theater. Aber das dürfte wohl schwer fallen, denn die wird ja kaum noch gezeigt. Und der Grund dafür ist sehr einfach: Sie versuchen uns mit ihrem gewerkschaftlichen Anspruch, den ich begrüße und für gut und richtig erachte, zugleich Ihr gesamtes Welt- und Menschenbild mit zu verkaufen, ihre Ideologie der Geschlechter. Und dieses Menschenbild überträgt sich schon seit geraumer Zeit auf die Bühne, wo Sie sich dann ständig Selbstbestätigung für Ihre Auffassungen abholen können, in einem sich selbst ernährenden Kreislauf. Und dagegen wehre ich mich. Gegen dieses spießige, moralinsauere, kleinkarierte, öde und absolut langweilige und nicht lebenswerte Männer- und Frauenbild, mit dem Sie jeden guten Ansatz versuchen wieder in alte Rollenbilder zurück zu stopfen, ja, zurückzutreten. Deswegen greife ich an. Nicht wegen der Reformen, die Sie anstreben. Nein, weil Sie mir mit ihren Reformen gleich Ihr gesamtes Welt- und Menschenbild mit aufdrücken wollen, dass ich in seinem Pessimismus und seiner Rückständigkeit einfach nicht teile. Diese Art, wie Sie mit der Wahrheit lügen, und lieber graue Gespenster herauf beschwören, um im Alten zu verharren, um weiter Ihre Opferrolle zu bedienen, statt die ungeheuren Möglichkeiten und Chancen zu nutzen, die sich Ihnen heute bieten. Ich gebe Valery Tscheplanowa völlig recht: Sie können heute in der BRD alles werden, sogar Verteidigungsministerin, wenn Sie nur endlich aufhören würden zu jammern und mit männlichen Schreck- und Zerrbildern zu arbeiten, von denen Sie sich wünschen, dass Sie endlich, ähnlich wie Götter in einer Dämmerung verbrennen.

„Männerdämmerung“! Was für eine abscheuliche Wortschöpfung. Was für eine ablehnenswerte und grausame Phantasie. Das Männerbild, das Sie anrufen, ist längst untergegangen und Sie kämpfen mit den letzten Schatten. Und es sind nicht die Frauen, die diese Männer in die Flucht geschlagen haben, sondern es sind die modernen Männer selbst, die dieses Klischee, auf das Sie sich berufen, versenkt haben. Und hierfür gibt existentielle männliche Gründe. Mit denen sollten Sie sich mal beschäftigen. Dann käme Ihnen vielleicht mal eine gemeinsame Vision des Zusammenlebens. Viel Hoffnung habe ich nicht mehr.

Und in jeder Ihrer Kritiken spürt man, wie Sie auch dort nur Ihr Weltbild gelten lassen und einige Ihrer Kolleginnen tun es Ihnen gleich, wie man neulich bei der Kritik zu „Endstation Sehnsucht.“ (BE) deutlich spüren konnte.

Früher einmal begnügten sich Kritiker*innen damit das Endprodukt zu beurteilen und zu werten. Heute wollen Sie auch gleich den gesamten Betrieb der Kunstproduktion mitbestimmen. Sie wollen sagen und bestimmen, wie man richtig produziert oder falsch. Niemand hat ein Recht darauf einem talentierten Menschen zu sagen, wie er sein Talent anzuwenden hat. Ob er Tag und Nacht arbeitet, mit oder ohne Kinder. Ob er auf alles verzichtet, oder aber sein Leben auch einer Familie widmet. Was wollen Sie denn unternehmen, wenn morgen eine Gruppe junger Menschen sagt, es reicht uns, wir werden uns jetzt vier Jahre zurückziehen und nur für unsere Kunst leben. Sonst nichts. Kein Ismus, keine Regeln von städtischen Behörden mehr, genug, wir wollen nur eins, uns der Theaterkunst widmen, absolut sonst nichts. Wollen Sie die dann verdammen, weil sie nicht „fair“ produzieren.

Kunst ist keine Banane.

Die Theaterkunst ist doch schon von allen Seiten eingekeilt in diesen Betrieben. Politisch von Wechseln abhängig, am Tropf staatlicher Finanzierung. Und Sie haben nichts Besseres zu tun, als noch ein paar Zwänge dazu zu erfinden. Proben nur noch von elf bis sechszehn Uhr und wehe irgendwer kommt auf die Idee auch nur eine Abendprobe anzusetzen. Der wird sofort an den Pranger gestellt, wie Sie es hier mit Kay Voges tun!

Lächerlich. Sie bringen den „mitbestimmenden Kollektivkörper“ als Politikum in Stellung gegen das Genie, den Einzelnen, das Individuum. Und damit greifen Sie tief in die Kunstproduktion ein. Sie wollen als Kritikerin sogar die Produktionsabläufe der Künstler bestimmen, so, wie man es einst aus totalitären Systemen kannte. Und an dem Punkt entgegen ich Ihnen nur Eines:
Freiheit!

Burning Issues! Das ich nicht lache. Das Bild sieht aus, als ob jemand einen postkapitalistsischen Komsomol fotografiert hätte. Es gibt wirklich brennende Konflikte auf dieser Erde. Die Geschlechtergerechtigkeit in Stadt- und Staatstheatern gehört nicht dazu, denn sie ist auf dem besten Weg immer weiter ausgeräumt zu werden. Da verlieren Sie jedes für die Kunst so wichtige Maß, in dem Sie dieses Problem vor allen anderen sehen.
#7 Geschlechterungerechtigkeit: Wieso? Sum 2018-05-13 11:00
@Sam. Wie wird es sich denn dann zum Besseren wenden? Indem man darüber schweigt? Indem man einfach wartet, bis es besser ist?
Dieser Text hier von Anne Peter versammelt Fakten und verschiedene Stimmen, die eine gravierende Ungerechtigkeit belegen - und Sie flippen sofort aus und nennen das Nennen von Fakten "Aktivismus" und beschimpfen jene, die sie nennen, als pseudo-links? Das ist die Masche der Machthabenden, gern ja auch übernommen von den Rechten. Was also wollen Sie uns sagen?

(Und dass das Theater keine Rolle spiele, ist einfach nur lächerlich. Aber auch das wissen Sie selbst.)
#8 Geschlechterungerechtigkeit: Nachfrage und Antwort Sum 2018-05-13 13:06
Wieso wird mein Post nicht veröffentlicht? Der von Sam wird veröffentlicht, meiner nicht? Darf man nicht widersprechen? In DIESEM Fall? Erbitte Antwort.

(Man darf, man darf. Ihr Kommentar wurde in dem Haufen Spam, in dem er still ruhte, übersehen. Wir bitten um Verzeihung. Jetzt ist er da.
jnm)
#9 Geschlechterungerechtigkeit: DossiersFREIE DRAMATURGIE 2018-05-13 13:53
#5: Ich kann von Pseudo-Linkheit bei der nk-Redaktion jedenfalls nichts erkennen.
Beispiel gefällig?: Esther Slevogt hat vor längerer Zeit (bitte zur Prüfung das Archiv bemühen) in einem sehr klugen und sachlichen Artikel als meines Wissens erste Journalistin in aller Deutlichkeit auf das langjährige Versäumnis Berlins verwiesen, was die unter Denkmalschutzstellung der Ku'damm-Bühnen anlangt. Sie hat in aller Deutlichkeit als erste die in mehrerer Hinsicht historische Bedeutung dieser Bühnen beschrieben. Meines Erachtens hat sie damit einen entscheidenden Anstoß dazu gegeben, dass heute Keller/Schlieter von der Berliner Zeitung ein zweiteiliges Dossier vorlegen können, das sich liest wie ein Wirtschaftskrimi. Nur, dass es leider politische Wahrheit ist und keine Fiktion. Und zwar eine politische Wahrheit, die möglicherweise nicht rechtsgerichteter Gesinnung entspricht, aber garantiert einer anti-linken. Weil einer anti-antikapitalistischen. Einer Wahrheit, die mit s o z i a l e r Marktwirtschaft 0 zu tun hat. Und die Sonntagsreden selbst von Sozial!-Demokraten nicht nur außenpolitisch, sondern auch innenpolitisch als Lügen enttarnt.
Und auch bei diesen Geschäften hat ein profilierungssüchtiger Tim Renner und ein gefallsüchtiger Klaus Wowereit eine sehr ungute Rolle gespielt was die Rolle des Theaters betrifft.
Abgesehen von den Vorständen der Deutschen Bank, die doch zum Zeitpuunkt des Geschehens so gern von der Bundesregierung bei Geschäftsentscheidungen zu Rate gezogen wurden. Und abgesehen von der Ex-Finanzsenatorin Fugmann-Heesing, auf deren Kosten nicht nur die Schutzrechte-Verschleuderung für die deal-hinderlichen Theater gehen, sondern auch noch der Verkauf der Bewag, der Gasag und der Berliner Wasserbetriebe...

Es ist wichtig, dass JournalistInnen einander durch diese Art von fachlicher Ermutigung über ihre jeweiligen konkreten Arbeitsverhältnisse hinaus unterstützen: Denn wenn schon die Kulturnachrichten öffentlich so schwer der Wahrheit auf den Grund gehen (dürfen) - wie mag es dann erst um die rein innen- und außenpolitischen Nachrichten bestellt sein!?

Die Dossiers zu den Ku'dammbühnen und zur Causa verdeckt kulturpolitischer Volksbühnen-Entkernung (Laudenbach/Goetz) wären eventuell auch ohne den Kommentatoren-Druck der von hier ausgeht, nicht zum jetzigen Zeitpunkt erstellt und veröffentlicht worden.

Was jedoch bleibt: sie sind zu spät erfolgt und veröffenlicht worden.
Und ich hoffe auf ein Dossier von mutigen, im Medienbetrieb durchsetzungsfähigen und auch listigen (Sie erinnern sich, an "die fünfte Schwierigkeit beim Schreiben der Wahrheit"?) JournalistInnen, die solche Dossiers - wie und wo auch immer - immer öfter veröffentlichen, BEVOR rein volkswirtschaftlich in einer Sache alle Messen gelesen sind.
Und zwar zu ungunsten der in einen Staatsetat redlich zum Zwecke des Gemeinwohls Steuern abführenden BürgerInnen gelesen.

Ich bin auch oft angenervt von dem "Sprech", der hier oft an den Tag gelegt wird - Aber ich bin trotzdem froh, dass es das Portal gibt und auch nervender Sprech in ihm zu Worte kommt. Es ist eben sehr wohl ein T h e a t e r - Portal. Und da gibt es eben auch jenen Sprech, der sonst nur hinter den Türen von Probebühnen seinen sicher intimen Korrektur- und Selbstkorrektur-Arbeitsraum hat. - Man kann es schließlich anders und besser versuchen mit den eigenen Kommentaren...
#10 Geschlechterungerechtigkeit: andere FrauenJeanette Schirrmann 2018-05-15 00:27
Als Betroffene 50+ Mutti mit zwei Erwachsenen Kinder habe ich als Bühnenbildnerin und halbe Tischlerin den Spargat durch und wollte jetzt eigentlich loslegen.

In Berlin haben wir in den großen Häusern einige Intendantinnen-HAU die Holländerin [Annemie Vanackere ist Belgierin, d. Red.] -Sascha Walz-Langhof.....die Deutsche Oper hatte ein super Intendantin die mich eingestellt hätte.Leider sind diese Damen im Postimigrantenprogramm oder alles in Englisch und meistens junge Produktionen.Was nütz mir das ,wenn in den Absagen drin steht ihr Profil past nicht in unserem Team.
Hinzu kommt das ich eine West Berliner Biografie aus Mauerzeiten mitbringe und die Neuzugereisten Wahl Berliner mögen uns nicht.
Mit der Schließung der Volksbühne ,wird nun nach 25 Jahren zerschlagung der West Berliner Kulturlandschaft Ost Berlin Platt gemacht.

Nicht nur die Quote von Frauen sondern die Weltanschauung ,Herkunft und Lobbyis vor den Parteien ,Politik bestimmt die Kulturlandschaft.

Gestern zu Muttertag bin ich zu eure Veranstaltung ,nach Blumenbescherung in das Festspielhaus und wollte mich informieren.....ich glaube ein teil habe ich auch schon geschrieben-ich habe ihre zusammenfassung gelesen und dachte auch wenn ich eine "Gender Gegenerin" bin und Schutze Mutter und Kind nach Rosa Luxenburg Eherecht Vorkampf fordere schliest es nicht aus im Beruf einzusteigen und nach freien Entscheidung ohne Bevormundung-Krippen/Kitapflicht ....in mein Beruf einzusteigen.

In den Tischlerwerkstätten gibt es Ausnahmefrauen-und wenige Meisterinnen und im Kostümbild überwiegend Frauen wären bei uns in Bühnenbild 50% Frauenanteil studiert haben.
Also ich kenne beide Seiten und sehe die oberste Front ,wie in der Politik ist Männlich.

Kenne aber auch viele Männer die aufgrund der Kindererziehung aus dem Kulturbetrieb ausgestiegen sind,aufgrund der Arbeitszeiten und in mein damaligen Studiengang TU-Berlin Bühnenbild wurde mir mitgeteilt das viele Familien zerstört wurden unter anderem auch unsere Familie ,durch die Bedingungen-Zeit- Raum -Geld.

Was ich schlimm finde ist das unter den Frauen eine Mutterphorbie und treten genauso vertreten ist.Gestern wurde mir geantwortet als ich nach der Statistik für Mütter fragte-sagte die Dame in Festspielhaus-es geht nur um Frauen-irgentwie war ich richtig verletzt und sah es als Diskriminierung.Ich finde es auch wichtig das unterschiedliche Perspektive und Formen auf der Bühne präsentiert werden und bin die Theaterlandschaft mir leid.

Nicht nur das Experiementier-Internationale-Tanz-Emigrantentheater-sondern wünsche ich mir unsere Kultur der West-Berlin unter anderem auch unsere alte Frauenbewegung und Gesetze zurück die mit Gender aufgehoben.Deswegen kann Genderkram nicht vertreten doch eine Gleichstellung und gute Verteilung mit unterschiedlichen Genre -Formen-einzubeziehen.Ich arbeite gerade an den Minderheitenschutz für die West Berliner Insulanerkinder und der Neuen freien Volksbühne Berlin West in meinen Konzepten habe ich natürlich die 50+ Mutter von der Baustelle-Werksatt und Kunst-Kunst baut auf Handwerk auf -einbezogen.Es ist viel Arbeit und in der nächsten Zeit werde ich wohl in der juristischen Fakultät Dahlem sitzen und das Recht abschreiben und auslegen. Ich habe viele schlechte erfahrungen gemacht mit Mädchenklassen und habe mich unter den Männlichen Technicker wohler gefühlt obwohl ich auch mehr Künstlerin bin.Vielleicht habt ihr ja noch ein treffen bitte nicht am Muttertag.....da lässt man sich mit Blumen
#11 Geschlechterungerechtigkeit: SpitzenarbeitNordlicht 2018-05-16 17:43
Bester Text zu dem Thema. Spitzenarbeit.
#12 Geschlechterungerechtigkeit: #nocareer#nocareer 2018-05-20 16:09
Sorry, aber es sitzen nicht nur "ältere Frauen im Publikum", sondern eben auch auf der Straße, nämlich die Theaterfrauen, die hier nicht einmal erwähnt werden - die "Generation" #nocareer, der dieser Artikel leider und ziemlich symptomatisch auch keine Beachtung schenkt: die Frauen, die es "nicht einmal" zu Kinder/n, Partner*in, geschweige denn Karriere in ihrem Feld gebracht haben, also noch einmal, denn so liest es sich hier ja deutlich: die ältlichen, kinder-, partner*innen-, engagement- und also quasi all over erfolglosen Frauen, die nicht mal mehr in einem Beitrag wie diesem einen Platz im Theaterleben finden, außer eben "im Publikum". Aber die gibt es auch, und es wäre an der Zeit, wenn man den #nocareer-Frauen auch eine Stimme geben würde, zumindest eine (denn befragt wurde ja in der Studie wie auch für diesen Artikel keine, so ist das mit den lebendigen Toten).
Es ist toll, dass hier so viele Frauen zu Wort kommen, die es "dennoch" und "trotzdem" geschafft habe. Frauen, die 1, 2, 3, 4 Kinder haben und erfolgreiche Intendantin sind (oder eben bestellt wurden) oder erfolgreiche Regisseurin sind ... Und die hier ihr Leid oder zumindest ihre Erfahrungen, ihre Sicht der Dinge zu schildern eingeladen wurden. Die, die ebenso mitspielen in den kleinen oligarchischen Netzwerken, die die aktuelle Theaterlandschaft von dominieren; die, die die Möglichkeit haben, weil sie gefragt werden, weil sie sichtbar (geworden) sind; weil sie es ja doch irgendwie "geschafft" haben - und wie erzählen sie ja nicht, da sind das Kind und der Mann nur ein minimaler Teil von all dem, was man tut, um dahin zu kommen, und es ist nicht immer das "besser sein", das würden jetzt jedenfalls die #nocareer-Frauen nicht so sehen ... Die, die unsichtbar sind, wir, diese #nocareer-Frauen, die ältlichen, kinder- und arbeitslosen Frauen mit und ohne wen auch immer an ihrer Seite, die hat man wieder mal vergessen ... danke dafür.
#13 Geschlechterungerechtigkeit: anders die DramaturgieJ.A. 2018-08-23 16:22
...sehr interessant wäre in diesem Zusammenhang auch ein Diagramm, wie die Verteilung der Dramaturgen und Chef-Dramaturgen-Stellen in den Häusern aussieht, da würde sich das Bild zum Geschlechter-Verhältnis vielleicht noch einmal etwas relativieren.
#14 Geschlechterungerechtigkeit: MachtpositionInga 2018-08-23 23:05
@ J.A.: Vielleicht ja, vielleicht nein. Ich würde eher danach fragen, ob bzw. inwiefern Menschen, die "oben" sitzen, potentiell eher andere Menschen ausnutzen oder nicht. Ich frage also nach der Instrumentalisierung der eigenen Machtposition. Das gilt für jede Beziehung. Unabhängig vom Geschlecht. Und klar, solange mehr Männer "oben" sitzen, desto eher haben auch mehr Männer die Möglichkeit zum Machtmissbrauch. Ob das bei Frauen genauso wäre, wenn dieses Verhältnis umgekehrt wäre, das ist eine offene Frage. Anders bzw. weiter gefragt, warum haben männliche Intendanten eigentlich nicht das Problem, Beruf und Familie besser vereinbaren zu können? Haben sie dieses Problem? Oder denken nur Intendantinnen an solche Themen? Und warum? Weil sich, auch gesamtgesellschaftlich betrachtet, wohl immer noch mehr Frauen um Haushalt und Familie kümmern als Männer. Das muss nicht so sein.
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